Oswald Oberhuber, der Macher. Für seine letzte institutionelle Beteiligung, in der Potsdamer Ausstellung "Postcard Reloaded", stellte er seine zupackende Art noch einmal unter Beweis. Von schwerer Krankheit gezeichnet, war seine Motivation für die Kunst fast grenzenlos. So führte die Anfrage nach einem Beitrag zu 16 wie manisch gemalten neuen Werken.
Die direkte Verbindung zwischen Hirn und Blatt war nach eigenem Bekunden der Stift in seiner Hand. Der Venedig-Biennale-Teilnehmer und zweimalige Documenta-Künstler hinterlässt ein überbordendes Oeuvre mit rund 1000 Skulpturen, vielen Tausenden Zeichnungen und Leinwänden. Doch nicht nur Machen war sein Credo, vor allem war der Österreicher ein Vordenker. Der bürgerliche Mief einer von k. u. k. geprägten Epoche sollte nach seiner Ansicht entstaubt werden.
So trat er zwischen 1979 bis 1995 während seiner Zeit als Rektor an der Wiener Universität für angewandte Kunst für ein weniger verkrustetes Hochschulmodell ein und dachte die Meisterklassen neu. Es verwunderte nicht, dass Oberhuber für den in Wien so wichtigen wie traditionsreichen Bereich der angewandten Kunst die Design-Ikonen Jil Sander, Karl Lagerfeld und Vivienne Westwood als Professorinnen und Professoren gewinnen konnte. Für die Kunst-Sparte gelang ihm ein Coup mit der Berufung Joseph Beuys. Bazon Brock folgte.
Ossi - wie Oberhuber auch für eine größere Öffentlichkeit hieß - hat sich manches Mal durchgesetzt, aber sich auch immer wieder mit der öffentlichen Meinung der österreichischen Gesellschaft angelegt. Das Establishment der Mitt-80er war unbarmherzig. Zu spüren bekam Oberhuber dies auch, als sich ein Gerichtsprozess nicht abwenden ließ, bei dem ihm Zweckentfremdung öffentlicher Mittel vorgehalten wurde. Dabei hatte er lediglich Restmittel dazu verwendet, für "seine Studenten", wie er sie nannte, eine Ausstellung zu planen und durchzuführen. Seine Studentinnen und Studenten sind heute international erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler wie Pippilotti Rist, Eva Schlegel, Erwin Wurm, Heimo Zobernig und Brigitte Kowanz.
Verlernen als wichtigstes Element seiner Kunst
Sich zu bereichern, lag ihm fern. Im Gegenteil. Seine vielen Schenkungen dokumentieren sein Interesse, die Kunst seinen Studierenden zum Studium zur Verfügung zu stellen. Dem Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) schenkte er zuletzt ein Konvolut von 101 Zeichnungen aus seinem eigenen Werk. Ein Großteil seiner über Jahrzehnte selbsterworbenen Sammlung mit Werken von Koloman Moser, Oskar Kokoschka und großen Beständen angewandter Kunst aus den wichtigsten Tagen der Wiener Sezessionsgeschichte gingen unter anderem an die Gemäldegalerie der Akademie der Künste.
Oswald Oberhuber prägte die Kunstlandschaft durch seine Persönlichkeit weit über Österreich hinaus. Sein ins Leben gerufener Oskar-Kokoschka-Kunstpreis setzte Maßstäbe, ebenso sein Einfluss als langjähriges Mitglied in der Ankaufkommission der Ludwig-Stiftung. Dabei startete er zunächst als unbelehrbarer Schüler der Kunstgewerbeschule in Innsbruck, dann studierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Fritz Wotruba, um anschließend als Autodidakt weiterzumachen. Als Leiter der Galerie nächst St. Stephan veranstaltete er richtungsweisende Ausstellungen, etwa 1969 mit "Kunst ohne Künstler", die sein künstlerisches Weltbild vorwegnehmen sollte.
Dinge, die ihm missfielen, packte er an. Nach dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Beteiligung Kurt Waldheims an NS-Kriegsverbrechen mischte sich Oberhuber Mitte der 80er mit einer Gegenkampagne in den Wahlkampf des früheren UN-Generalsekretärs für das Bundespräsidentenamt Österreichs ein. Das gesellschaftliche Engagement des Künstlers war biografischer Natur. Musste er sich im Winter 1944, mit 13 Jahren, in den Tiroler Alpen in ein nationalsozialistisches Erziehungslager begeben, führten die späteren Jahre als Flüchtling zu seinem Entschluss, sich nie wieder einem Herrschaftssystem zu unterwerfen. Dem Konzept seiner Kunst lag fortan die Idee der permanenten Veränderung zugrunde. Dabei wurde das Verlernen zum wichtigsten Element seiner Kunst. Bis zuletzt arbeitete er an seinem Manifest "Die permanente Veränderung", das kontinuierlich über Jahrzehnte wuchs.
Her mit den neuen Kategorien!
Für Oswald Oberhuber ging es nicht darum, stilistisch in einer Strömung zu verweilen, um Anerkennung zu erlangen. Vielmehr durchlief er, häufig als Pionier, die verschiedensten Kunstströmungen. So war der ehemalige Kurzzeit-Schüler Willy Baumeisters einer der ersten Künstler, die Ende der 1940er-Jahre bereits die informelle Malerei in eine bis dahin nie dagewesene informelle Skulptur überführte. Noch vor Franz West machte er die Papiermaché-Skulptur salonfähig. Und seine Toastbrot-Reliefe kündigten die Eat-Art an, ebenso wie seine Zahn-Bilder exemplarisch für die frühen Jahre der Pop-Art der 1960er-Jahre stehen. Bei seiner Wandlungsfähigkeit als Künstler wurde es dann in den 1990er-Jahren für manche sogar vorstellbar, dass die Kunstwerke des "Wiener Blocks" von Joseph Beuys die Handschrift Oberhubers tragen könnten. Ein Verwirrspiel.
Generationen von Kunsthistorikern werden an Oberhuber noch ihre helle Freude haben. Die Kategorien, in denen wir denken, bedürfen einer Überarbeitung. Ein Vermächtnis, das seine Söhne Raphael und Nikolaus mit ihrer Galerie KOW in Berlin und Madrid noch vor große Aufgaben stellen wird.
Der Anfang mit einem aktiven Ausstellungsmanagement und aktuellen Ankäufen wie zuletzt durch das Museo Reina Sofia, der Sammlung Schürmann und der Spreegold-Collection ist gemacht. Ein Plan in der Schublade. Der Zeitpunkt ist gekommen, den Vielseitigsten aller Künstler zu entdecken.