Anfang der 1980er-Jahre erlebte die Bundesrepublik ihr designtechnisches Äquivalent zu Memphis und Co.: Mit Mobiliar, das den Grenzen des guten Geschmacks und den Regeln von der "guten Form" lustvoll-anarchisch den Mittelfinger zeigte. Dabei waren die Entwürfe von Gerd Arens, Wolfgang Laubersheimer, Reinhard Müller, Ralph Sommer und Meyer Voggenreiter, die als Gruppe Pentagon damals im Kollektiv auftraten, weniger bunt und grell denn grob bis brachial. Als Ausgangsmaterial diente oft Metall – wie beim bis heute hergestellten "Gespannten Regal", einem krumm geformten Metallgestell, das durch einen Draht auf Spannung gebracht und so offenbar in Form gehalten wird.
Andere Stücke, wie die herrlich sperrige Metall-Bibliothek von Meyer Voggenreiter, das Schlauchregal "Chambre A Air" von Reinhard Müller oder auch Laubersheimers grandios bekloppter "Amazonas Desk" mit eingebautem Wasserlauf zur Bepflanzung der Tischplatte war deutlich weniger Verkaufserfolg beschert. Dafür lebten die Entwürfe ein bisschen als Mythen und Legenden weiter.
Aus diesem Reich holt sie das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) nun wieder in den realen Raum: "Design Gruppe Pentagon" ist die erste umfassende monografische Schau über das einstige Kollektiv und seine Ideen überhaupt. Zum Aufbau sind nochmals alle Köpfe der Gruppe zusammengekommen. Anruf bei Wolfgang Laubersheimer in Köln, der betont, dass er für alle sprechen und nicht so sehr als einzelner Gestalter im Fokus stehen möchte:
Wie blicken Sie heute auf die museale Aufbereitung ihrer Entwürfe, von denen Sie immer wieder betont haben, das vieles auch gar nicht so intellektuell durchdacht und konzipiert war, wie es später rezipiert wurde?
Das Revival hat uns, glaube ich, allen großen Spaß gemacht, mal wieder so als Gruppe wahrgenommen zu werden. Auch wenn man natürlich gar nicht so homogen war, wie das im Nachhinein dann oft erscheint. Ich habe ehrlich gesagt auch nicht gewusst, wie viele Sachen wir damals eigentlich gemacht haben. Das ist schon ziemlich beeindruckend, was das Museum mit der Power, die so ein Museum eben hat, zusammengetragen hat. Und wenn man das Ganze dann so geballt sieht, dann bekommt man schon den Eindruck: Das waren also nicht nur so Einzelstücke, sondern da steckte – implizit, womöglich unbewusst – schon ein Konzept dahinter.
Konzept ganz grundlegend als gestalterisches Programm? Oder mit einer künstlerischen Haltung?
Wir haben das nicht für Kunst oder für Design gehalten, wir haben einfach gemacht, worauf wir Lust hatten. Aber im Rückblick liest sich das dann schon wie ‘ne Antwort auf die Bourgeoise, die in den Wohnzimmern herrschte. Damals war ja immer Schleiflack … Heute findet man in den Mittelklasse-Wohnzimmern doch überall diese Eames-Stühle mit dem Holzbesatz – die Situation ist insofern ähnlich. Auch heute wäre wieder so ein guter Nährboden, um mal wieder gegen die Langweiligkeit der Bürgerlichkeit anzugestalten.
Ihre Entwürfe scheinen ja auch immer ein bisschen wie ein Anarcho-Witz. Dabei sollten die schon ernsthaft verkauft werden, oder?
Sagen wir so: Die Sachen sind schon gekauft worden. Aber wenn das so viel gewesen wäre, dann hätten wir ja weitergemacht. Die Teile sind schon mit ‘ner bestimmten Härte gestaltet und auch gefertigt. Teilweise waren die Sachen schon mehr oder weniger laissez-faire zusammengesetzt (lacht). So eine gute handwerkliche Arbeit ist ja nicht zu unterschätzen. Bei aller Frechheit der Entwürfe muss ich heute sagen: Ein bisschen mehr Handwerk hätte einigen Objekten doch ganz gut getan …
Zumindest ein Teil Ihrer Gruppe kam von der Kunstakademie, aus dem Metallbau …
Sommer, Müller und ich hatten Metallbildhauerei an der Kölner Kunstakademie studiert. Wir waren eher handwerklich unterwegs. Richard Serra, Tinguely … das waren schon die Größen, an denen wir uns orientiert haben – heavy materials. Jedenfalls waren da die ganzen Jungen Wilden, die schon im Studium wahnsinnig viel Kohle verdient haben. Dort kamen Leute vorbei, die Kunst dann nach Größe handelten. Das fanden wir seltsam. Da haben wir zwar neidisch zu den Jungs hingeschielt, aber eigentlich fanden wir das blöd: Vier Quadratmeter kosten mehr als einer, egal, was drauf und drin war.
Statt Kunstwerken haben Sie dann bald gemeinsam mit Ihren Pentagon-Kollegen extravagantes Mobiliar produziert. Hat Ihnen das Design ganz bestimmte Freiräume geboten, die man in der Kunst vergebens suchte?
Nee, das wäre mir zu kokett. Ganz bescheiden: Wir waren vielleicht auch einfach zu blöd für den Kunstmarkt. Wir haben den nicht verstanden. Und dann haben wir irgendwann schon als Studenten Geld verdient mit Ladenbau. Wenn Sie viel Geld verdienen mit einer Sache, dann ist Ihnen irgendwann egal, ob Sie damit als Künstler gelten oder nicht.
Irgendwann ging es dann aber doch zurück in die Kunst, zumindest zeitweilig: 1987 gestaltete Pentagon das legendäre "Café Casino" auf der Documenta 8, das für die Ausstellung im MAKK rekonstruiert wird.
1987 war die erste und einzige Documenta mit eigenem Designschwerpunkt. Der Kurator hatte uns auf der Kölner Möbelmesse entdeckt und direkt beauftragt. Wir sind ja nicht unbedingt die Typen gewesen, die von ihren Designs so wahnsinnig überzeugt waren. Plötzlich standen wir da mit Jasper Morrison, Ettore Sottsass und so weiter! Wir waren stolz, dachten aber zugleich auch 'Naja, wir machen halt nur so ein blödes Café'. Wenn ich das heute betrachte: Wir haben Lampen gemacht, Stühle, Sitzecke, das Grafikdesign, eine Speisekarte mit Menüabfolge, wir haben ein Servicedesign gestaltet, weil wir hier gekocht und serviert haben … es war eine so umfassende Arbeit. Das haben wir damals aber nicht geahnt.
Ein Café ist ja schon eine Ausgangssituation, die eine ziemlich funktionale Gestaltung voraussetzt. Drei Jahre zuvor haben Sie den "Amazonas Desk", einen Schreibtisch mit integriertem Flusslauf zur Bepflanzung entworfen. Hat der eigentlich tatsächlich funktioniert?
Der hat schon funktioniert! Allerdings erfordert er auch relativ viel Mitarbeit, und das Wasser macht schon Geräusche. Könnte beim Arbeiten am Schreibtisch also störend sein. Verkauft worden ist der mehrmals in verschiedenen Versionen, mit der Leine bei Hannover, Comer See, einmal mit dem Rhein bei Düsseldorf … Den eigentlichen Amazonas hatte mein Vater übrigens 20 Jahre im Garten stehen, aber mit umgedrehter Platte, weil er die so blöd fand (lacht). Irgendwann wurde er nach New York geschickt, wo er für eine Unsumme verkauft werden sollte. Nach ein paar Jahren habe ich den dann unverkauft zurückbekommen.
Der Amazonas ist ein schönes Beispiel für die Arbeiten von Pentagon: Man kann sich gleich in seine kühne Albernheit verlieben, aber ob man ihn dann wirklich als Arbeitstisch auserwählt, ist auch fraglich.
Ja, hm …wir haben Sachen gemacht, die nicht schön waren. Die Idee war immer, etwas zu machen, das es so noch nicht gegeben hat. Eben einen Tisch mit ‘nem Flusslauf drin. Oder wenn Sie das Schlauchregal von Reinhard Müller nehmen, wo so ein Riesenschlauch ein ganzes Regal hält. Die Erfindung und der Pioniergeist waren wichtig. Einen Stuhl zu machen, der aussieht wie andere Stühle, das hätte uns nie interessiert.
Sie sind seit langem Professor für Produkttechnologie und erleben verschiedene Generationen von Studierenden. Heute ist eine gewisse rebellische Haltung ja irgendwie immer schon mitgedacht. Ist so eine radikale Form der Gestaltung im anything-goes-Zeitalter noch möglich?
(Überlegt länger) Das ist eine interessante Frage, die möchte ich auch gar nicht so pauschal oder aus meiner Position als Professor beantworten. Wie sähe so ein Pendant heute aus? Wie würde ich mein "Gespanntes Regal" machen? Es gibt heute so viele super Sachen, super Qualität, aber nichts, bei dem ich sage: Das gab es noch nie. Ich würde mich aber sehr freuen, sagen zu können: 'Boah, so sieht der Widerstand gegen die bourgeoise Wohnsituation heute aus!' Da ist so ein Überfluss vorhanden, dass dieser Druck, etwas reduziert anders zu machen, gar nicht da ist. Und Druck oder Geldmangel … das sind halt meist auch gute Motoren.