Grimes' Schwangerschaftsfoto

Alien-Baby

Die Avant-Pop-Musikerin Grimes erwartet offenbar ein Kind von Tesla-Chef Elon Musk. Warum sie sich auf ihrem Schwangerschaftsfoto als Cyborg inszeniert

Spätestens seitdem sich Beyoncé vor einem Meer aus Rosen als schwarze Madonna inszenierte, ist das Schwangerschafts-Ankündigungs-Foto zum popkulturellen Politikum geworden. Es verwundert deshalb nicht, dass die Avant-Pop-Musikerin Grimes ihre Schwangerschaft am Donnerstag mit einem Cyborg-Kriegerinnen-Foto publik machte: Ein Kratzer ziert ihre schweißbefeuchtete Haut, in einem Auge trägt sie eine fliederfarbene Kontaktlinse – und aus ihrem gewölbten Bauch schimmert dank Photoshop ein Fötus hervor. 

Zunächst postete Claire Boucher, wie Grimes mit bürgerlichem Namen heißt, eine unzensierte Version des Fotos. In einem Kommentar unter dem mittlerweile von Instagram entfernten Post beschrieb sie Schwangerschaft als einen wilden und kriegsähnlichen Zustand. Auf einem später veröffentlichten Foto zeigt sich Grimes erneut mit Schwangerschaftsbauch und ornamentalen Schrammen, diesmal sind ihre Brustwarzen jedoch wegretouchiert. Weder Boucher noch ihr Partner Elon Musk haben bislang ein offizielles Statement abgegeben, aber momentan deutet alles darauf hin, dass Grimes und der Tesla-CEO ein gemeinsames Kind erwarten.

Boucher und Musk machten ihre Beziehung 2018 mit einem gemeinsamen Auftritt bei der Met-Gala publik. In einem "New York Times"-Essay analysierte Naomi Fry den Unmut, den die Partnerschaft zwischen der bekennenden Feministin und Antiimperialistin und dem Tech-Millionär bei Grimes-Fans auslöste: "Man kann sich vorstellen, wie das Paar Erkenntnisse über Raumfahrt, psychoaktive Substanzen und Polyamorie austauscht – und dabei aus jener Art von Selbstfindung schöpft, die langsam den Unterschied zwischen libertärem Silicon-Valley-Nerdcore und Tumblr-gezüchtetem Millenial-Experimentalismus auflöst."

Schwertkämpfe und Schrei-Übungen

Wie derartige Selbstfindungspraktiken aussehen können, exemplifizierte Grimes in einem mittlerweile gelöschten Instagram-Post zu einer in Zusammenarbeit mit Stella McCartney entstandenen Adidas-Kampagne. Darin beschrieb sie ein bionisches Workout, das unter anderem mehrere Stunden in einem Floating-Tank, Schwertkämpfe und Schrei-Übungen beinhaltet. Grimes ist ein Punk-Popstar, der seine Songs ebenso selbst produziert wie die Cover seiner Alben und bei seinen eigenen Musikvideos Regie führt.

Die anhaltende Kritik an Grimes' Beziehung zu Musk und an ihren sich offenbar wandelnden politischen Ansichten ist auch ein Protest gegen die Auflösung politischer und ästhetischer Kategorien und die fortwährende kulturelle Produktion immer undurchsichtigerer Zeichen.

 

Ende November 2019 entbrannte zwischen Grimes und der Musikerin Zola Jesus eine hitzige Twitter-Debatte. Nachdem Grimes im Podcast "Mindscape" die Meinung äußerte, dass aufgrund von künstlicher Intelligenz menschliche Kunst verschwindet, bezeichnete Zola Jesus sie in einem ebenfalls gelöschten Tweet als Stimme des "silicon fascist privilege."

Aus der Konfrontation heraus entstand eine überraschend nuancierte Diskussion, an der sich auch Holly Herndon beteiligte, deren aktuelles Album "Proto" in Zusammenarbeit mit einer AI entstand. In einer ausführlichen Antwort an die beiden Musikerinnen schreibt Herndon: "Ich mache mir keine Sorgen über Roboter-Overlords. Ich mache mir Sorgen um demokratie-unverantwortliche, transnationale Unternehmen, die uns alle darin trainieren, Kultur wie ein Roboter oder eine begrenzte AI zu verstehen."

Die mangelnde motorische Intelligenz von Alien Musk

Ein Video von Elon Musks unbeholfenem Freudentanz in der kürzlich eröffneten Tesla-Fabrik in Shanghai bewegte Performancekünstlerin Alexandra Pirici vor wenigen Tagen zu einer ähnlichen Aussage. In einem Facebook-Post verwies sie auf die Bedeutung motorischer und rhythmischer Intelligenz als "Schutz vor artifizieller Dummheit und Verderben". "Es geht nicht darum, 'schlechtes' Tanzen oder Personen, die sich nicht besonders gut bewegen, anzuprangern," schreibt Pirici, deren Arbeiten unter anderem bei der 9. Berlin-Biennale und den Skulpturprojekten 2017 zu sehen waren. "Es geht darum, Aufmerksamkeit auf eine ganze Kultur zu lenken, die 'Wissen' als exklusiv abstrakt verkauft, eine Unfähigkeit, den eigenen Körper zu spüren und in ihm zu existieren, indem sie kontinuierlich über entkörperlichte 'Objektivität' und Dualismen fantasiert."

Wie wird sich die körperliche Erfahrung des Elternwerdens auf Grimes und Elon Musks Einstellungen zu AI und körperlicher Intelligenz auswirken? Mit ihrem Schwangerschafts-Post ist es Grimes auf alle Fälle gelungen, Mutterschaft und Transhumanismus zu vereinen.