Nun ist sie also komplett, die erste Staffel von "The Mandalorian", die nicht nur unter eingefleischten "Star Wars"-Fans gehörigen buzz erzeugte, wie man Neudeutsch so gerne ausdrückt. Inzwischen gibt es wohl kein heißgeliebtes Internet-Meme mehr, das nicht durch das Antlitz des knuffigen kleinen Baby-Yodas aufgepeppt wurde. Aber nicht nur die Niedlichkeit des kleinen grünen Geschöpfs, dieser Verschmelzung von Frosch und Gremlin, ist "The Mandalorian" ein Segen für emotional geplagte "Star Wars"-Fans. Figuren, Story und vor allem die visuelle Aufbereitung überzeugen, ganz im Gegensatz zur letzten Trilogie, die jüngst durch den neunten Teil "Der Aufstieg Skywalkers" aus den Händen von Regisseur J. J. Abrams abgeschlossen wurde.
Aber was ist das Geheimnis des Erfolgs? Avanciertes Storytelling ist es nicht. Während sich zeitgenössische Erfolgsserien durch rasantes Erzählen auszeichnen, wirkt "The Mandalorian" beinahe schmerzhaft klassisch. In jeder Episode muss Mando eine kleine quest hinter sich bringen – also ein spezifisches Problem lösen. Zwar wissen wir, dass die einzelnen Quests, in denen er Verbündete und eben jenen Baby-Yoda entdeckt, am Ende in einen größeren Erzählbogen münden, aber dieser bleibt vorerst im Dunkeln. Er verweist wohl - Achtung, SPOILER! – auf die Geschichte des ersten mandalorianischen Jedis, dem das Dunkelschwert gehörte, das in der letzten Episode der ersten Staffel auftaucht.
Aventüren reihen sich an Aventüren
Jedenfalls erinnern diese quests, die in jeder Episode abgeschlossen werden, einerseits an klassische Computerspiele, in denen der Spieler seinen Avatar von quest zu quest durch die Level führt. Andererseits muss man unweigerlich an hochmittelalterliche Ritterepen denken. Auch hier reihen sich Aventüren an Aventüren. Natürlich passt dieses Aventüren-Schema durchaus zu dem ritterlichen Mandalorianer und all den Kodizes, denen er sich verpflichtet fühlt.
Wenn es nicht das Storytelling ist, sind es vielleicht die Figuren, die den Charme der Serie ausmachen? Ja und nein. Tatsächlich bereichern neue interessante Charaktere das "Star Wars"-Universum, neben Mando und Baby-Yoda (der offiziell vorerst vor allem durch seine Niedlichkeit glänzt) sind es vor allem die Ex-Soldatin Cara Dune sowie Greef Karga, der Kopf einer Kopfgeldjägergilde. Nur sind sie als Figuren klassisch eindimensional gezeichnet – sie, die mutige Kämpferin und er, der liebenswürdige Schurke. Beide sind aber letztlich nur notwendige Gehilfen in Mandos Aventüren.
Nein, der eigentliche Charme der Serie besteht in zwei Besonderheiten: Einer ausgeprägten Lust an filmischen Zitaten. Und die Rückkehr zum visuellen Erfolgsrezept der ersten "Star Wars"-Trilogie der 70-er und 80er-Jahre.
Bleiben wir kurz bei den Zitaten: Bereits im ersten Kapitel, wie die Episoden der Serie heißen, begegnet uns der Mandalorianer als klassischer Westernheld, der natürlich eine saloonähnliche Bar besucht und sich in bester Cowboy-Manier ein kurzes Gefecht liefert. Offensichtlich ist er ein treffsicherer Pistolenheld und obendrein mit einer Peitsche ausgestattet – ganz im Stile Indiana Jones‘. Die Indie-Anleihen kehren immer wieder, zum Beispiel da, wo Mando sich Teile seines Schiffes von Jawas zurückerobern will und sich einen Kampf auf einem Sandcrawler liefert, der an den Panzerkampf im dritten Teil der "Indiana Jones"-Reihe erinnert.
Die grobe Story – Held rettet Kind, dem ein Bösewicht nach dem Leben trachtet – kennen wir aus "Terminator 2". Die deutlichste filmische Referenz aber liefert Kapitel 4, in der Mando und Cara Dune eine friedliche Gemeinde auf dem Waldplaneten Sorgan im Kampf gegen einen Schurken, besser gesagt: einen imperialen AT-ST, beschützen müssen. Das erinnert natürlich an John Sturges‘ "Die glorreichen Sieben" beziehungsweise dessen Vorlage "Die sieben Samurai" von Akira Kurosawa.
Dieses Potpourri aus Genrezitaten ist vor allem eins: zutiefst amüsant. Regt es doch den cineastischen Blick an, der möglichst alle Referenzen verstehen will. Das gilt natürlich auch für die Referenzen an das "Star Wars"-Universum selbst, also beispielsweise auf die Feindschaft zwischen Jedis und Mandalorianern, die auf einen Krieg zurückgeht, der zeitlich lange vor der Handlung der Filme liegt. Zeitlich allerdings spielt die Serie nach den Filmen, also nach dem Sturz des Imperiums. Weswegen die Sturmtruppler auch wie vagabundierende Western-Revolverhelden wirken. In der letzten Episode gibt es übrigens einen urkomischen Dialog zwischen zwei Stormtroopern, die wiederholt auf eine Dose schießen und sie einfach nicht treffen. Weil Stormtrooper eben nie nie nie treffen (Ausnahme ist der "Star Wars"-Ableger "Rogue One", in dem der Droide K-2SO tatsächlich von einem Sturmtruppler getroffen wird).
Das zeigt: Auch ihren Witz bezieht die Serie aus den Vorbildern. Klassischer Szenenhumor dominiert. Während die letzten "Star Wars"-Filme versuchten, den auf punch lines hinarbeitenden Humor der Marvel-Filme zu imitieren – sehr zum Schaden der Filme –, beruht der Humor von The Mandalorian wesentlich auf dem Spiel mit dem Visuellen, mit Blicken, Bewegungen, Mimik und Gestik. Dafür greift sie unter anderem auf slow burn zurück, ein klassisches Element von Filmkomödien, in denen der zeitliche Abstand zwischen Aktion und Reaktion den eigentlichen Witz der Szene ausmacht. Auch der Baby Yoda-Charakter ist gänzlich auf diesen visuell basierten Witz angelegt, genügt es doch, dass sich seine riesigen Schlappohren ein wenig Heben, um auch den härtesten Kerlen ein freudiges Quietschen zu entlocken.
Mit Baby-Yoda, in der Serie nur "The Child" genannt und wahrscheinlich gar nicht mit dem aus "Star Wars" bekannten Meister Yoda" identisch, kommen wir auch zum Kern des visuellen Erfolgsrezeptes. "The Mandalorian" emanzipiert das Science-Fiction-, Fantasy- oder eben Science-Fantasy-Genre von den gewaltigen CGI-Schlachten, bei denen der größte Teil der sichtbaren Elemente erst in der Nachbearbeitung am Computer entsteht und ihre Künstlichkeit ausstellt. Die Serie inszeniert auf faszinierende Art die "Echtheit" des Dargestellten. So wird die Baby-Yoda-Puppe in Szenen immer wieder wie eine Monstranz vor den Darstellerkörpern hergetragen, wie zum Beweis, dass sie wirklich da ist.
Alles wirkt etwas rumpelig
Natürlich kommt "The Mandalorian" nicht ohne Computereffekte aus, aber die Serie setzt sie, zumindest für Augen, die anderes gewohnt sind, zurückhaltend ein. So ähneln viele Sequenzen den digital nachbearbeiteten Spezialeffektszenen der Original-Trilogie. Alles wirkt etwas rumpelig, nicht so glatt und perfekt, wie bei Disney üblich. Das passt zu Szenenbildern, die ohnehin von Staub dominiert sind. Denn wo auch immer Mando geht und steht, seine Stiefel graben sich in Staub und Sand, zum Beispiel von Tatooine, dem Wüstenplaneten. Auch die klassische "Star Wars"-Trilogie lebt von diesem Hauch von Schmutz und Staub, der sich über alle Dinge legt, und die Raumschiffe, Walker oder Droiden so aussehen lässt, als seien sie tatsächlich ständig im Kriegseinsatz.
Aus filmtheoretischer Sicht ist dieser Ansatz faszinierend, ist das filmische Bild doch längst kein Index, keine Spur des Realen mehr (falls es das jemals war). Filmische und fotografische Bilder können technisch so stark manipuliert werden, dass ihre indexikalische Dimension komplett verschwindet. Wenn "The Mandalorian" diese Dimension erneut betont, was heißt das dann? Vielleicht spricht es für eine Sehnsucht nach der Verankerung des Imaginären im Realen. Oder die Rückkehr zu alten Sehgewohnheiten, in der Schauspieler in Droiden-Montur durch das Bild staksen und Masken- und Kostümbildner in stundenlanger Arbeit Schauspieler in Alien-Rassen verwandeln.
Im Grunde ist es eine Hommage an die Filmkunst selbst, in der Szenenbilder, Kostüme und Kulissen ja nicht nur aus der Hände Arbeit zahlreicher Künstler entstehen, sondern menschliche Imagination in (Film-)Realität überführt wird. Auch deswegen zeigt der Abspann der Serie die gemalten Entwürfe der Szenenbilder. So führt "The Mandalorian" im "Star Wars"-Universum zuletzt Krieg und Kunst zusammen.