Insta-Watchlist: Danny Hane

"Künstler sind Influencer und Influencer sind Künstler"

In unserer Reihe "Insta-Watchlist" stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Danny Hane denkt mit zuckersüßen Selfies über Geschlechterrollen und Selbstdarstellung nach

In Ihrer Profilbeschreibung auf Instagram steht: "Only account worth following auf IG". Warum sollte man Ihnen folgen?

Haben Sie schon einmal jemanden gesehen, der süßere Selfies macht?

Sie denken intensiv über das Selfie nach. Warum interessiert Sie das Selfie im Jahr 2019 noch aus künstlerischer Perspektive?

Ach, ich mache gerne Fotos von Sachen, die mich interessieren. Das Selfie ist ein komplexes Kulturphänomen, das sich in einem ständigen Bedeutungswandel befindet. Die Geschichte des Gesichts ist eine Mediengeschichte und dementsprechend wird sich das Selfie mit der Weiterentwicklung von Technologien und sozialen Medien verändern. Viele Menschen denken sicherlich, dass ich mich über Influencer lustig machen will und Selfies ins Lächerliche ziehe. Sie schauen sich vermutlich meine Selfies an und denken: "Das kann doch nicht ernst gemeint sein?!" Doch, das ist es. Ich meine das sehr ernst, auch wenn ich die Selfies stark überzeichne und verfremde. Natürlich, ich karikiere Klischees und Normen und führe so die Selbstinszenierung ad absurdum. Ich möchte gesellschaftliche Prozesse verstehen und durchdringen und sie nicht einfach abwerten.

Gerade Männer versuchen auf Instagram eigentlich nicht cute zu wirken. Sie spielen mit Schönheitsidealen, die durch Snapchat- und Instagram-Filter stark verbreitet wurden. Was ist Ihre Botschaft?

Ein rosa Einhornfilter ist ganz offensichtlich auf Nutzerinnen zugeschnitten und betont deren Physiognomie durch digitales Make Up. Ist es nun unmännlich, diesen Filter zu benutzen? Neben der Banalität und Austauschbarkeit stört viele Menschen an Selfies, dass die Bilder die Inszenierung deutlich offenlegen, entweder durch gestische und mimische Posen oder eben durch Gesichtsfilter. Was aber ist männlich und was ist weiblich? Ist Geschlechtsidentität etwas, was einem gegeben ist oder etwas, das konditioniert und konstruiert ist wie ein AR-Filter, den man wie eine Maske aufsetzt? Und achso: Meine Botschaft ist: "Believe in yourself und bleibt euch selber treu. Ihr schafft das … Wenn ihr mir auf Instagram folgt."

Verstehen Sie sich selbst als Künstler? In einer Ihrer Bildunterschriften steht "@dannyhane is not an artist – he is a content creator / influencer, his postings are self marketing commodities".

Das hat meine Social-Media-Beraterin geschrieben, die hat immer recht. Kunst ist ein nettes Lifestyle-Enhancement, aber ich finde diese elitären Zuweisungen, wer Künstler ist und wer nicht, mehr als überholt. Ist es im Jahr 2020 noch erstrebenswert, Künstler genannt zu werden? Man muss ja nur "Artist" in seine Bio auf Instagram schreiben und schon ist man ein Künstler. Sind wir also nicht alle Künstler und bekommen unsere 15 Sekunden Fame? Mich interessiert nicht, ob jemand Künstler ist oder nicht, sondern ob jemand kulturellen Einfluss hat. Für mich ist Kim Kardashian künstlerisch wertvoller als Cindy Sherman. Sie hat es verstanden, mit Themen wie Intimität, Voyeurismus und Exhibitionismus umzugehen. Sie definiert den Status Quo statt Trends hinterherzulaufen und auf sie zu reagieren.

Was ist der Unterschied zwischen einem Künstler auf Instagram und einem Influencer oder Content Creator?

Ich habe gehört, Influencer haben auf Instagram mehr Likes, sehen oft besser aus und sind authentischer. Künstler sind Influencer und Influencer sind Künstler. Beide sind gleichzeitig Marke und Ware und beide bewerben ihr Produkt, sei es ein Parfüm oder ein Gemälde. Die Art und Weise mag vielleicht anders sein, aber selbst für Künstler-Accounts gibt es mittlerweile so etwas wie eine Norm: in geblitzter Anti-Ästhetik werden Bilder von Tribals, blutigen Nasen und Sportsonnenbrillen gezeigt. Die Darstellung von Künstlern und Künstlerinnen ist auf Instagram genauso uniform und visuell codiert wie es die pinken Beauty-Accounts mit ihren Flamingo-Schwimmringen Blumen-Haarreifen und Hunde-Gesichtsfiltern sind.


In Ihren Instagram-Stories, die Sie als "Reflexion" betiteln, kommentieren Sie ironisch etwa den Arbeitsalltag von Influencern. Was wollen Sie mit Ihrer Kritik erreichen?

Es geht mir nicht darum, mit dem Finger zu zeigen und eine Personengruppe auszulachen. Ich nutze das Stilmittel Ironie, um etwas sagen zu können, was ich sonst nicht sagen könnte und teile so Erkenntnisse oder stelle eine Frage. Ich lasse mich von Influencern und Influencerinnen inspirieren und versuche deren Bildwelten zu dechiffrieren, zu rekontextualisieren und zu spiegeln. Meine Selfies sind ein Generationen- und Gesellschaftsportrait, keine Darstellung eines Individuums. Ich möchte bestimmte Stereotypen abbilden und neu kombinieren, beispielsweise die unschuldige Beauty-Instagrammerin oder das freizügige Instagram-Flittchen. Sind meine Selfies überhaupt noch Porträts? Wenn ein Gesicht zu perfekt und makellos aussieht, dann nimmt unser Gehirn es als artifiziell und entmenschlicht wahr. Ich benutze viele Bildbearbeitungs-Apps, um mein Gesicht so stark zu entfremden, dass man nicht mehr sicher ist, wen oder was man da gerade anguckt. Wie viel Selbst steckt in diesen Selfies also noch? 

In der Vergangenheit haben Sie immer mal wieder eine Serie von Arbeiten auf Ihrem Account gepostet und dann alles gelöscht. Wird das auch dieses Mal passieren?

Mal schauen …

Warum löschen Sie eigentlich regelmäßig die Inhalte von Ihrem Account?

Ich bin einfach zu schüchtern für das Internet.

Welchen Accounts sollten wir außer Ihrem alle auf Instagram folgen?

Keinem, sind mir alle egal. Wobei, warten Sie … Wie heißt der nochmal? Ach ja: Folgt mal @dannyhane, ich habe gehört der ist "the next big thing".