Rückblick 2019

Das Kunstjahr in Zitaten

Sexismus, schmutziges Geld im Museum und der dicke Ordner des Gerhard Richter: Die besten Zitate aus der Kunstwelt 2019

"Wie kann man die Hohenzollern mit juristisch-legalen Mitteln stoppen? Wie können wir, die Bürgerinnen und Bürger des demokratischen Deutschlands, den Hohenzollern alles wegnehmen, was sie besitzen, und zwar legal?"

(Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung "Neo Magazin Royal" zum Streit des deutschen Staats mit den Hohenzollern-Erben, die unter anderem die Rückgabe von tausenden Kunstgegenständen aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie ein dauerhaftes Wohnrecht im Schloss Cecilienhof in Potsdam fordern)


"Das ist das gleiche wie eine Volksbefragung darüber, ob wir Steuern zahlen sollen."

(Der britische Bildhauer Tony Cragg am 8. Februar in Wuppertal im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur über Sinn oder Unsinn des Brexit-Referendums von 2016)


"Wir haben eine Leihe angefragt, aber es gab einen amüsanten Absagebrief. Wegen Eigenbedarf."

(Kuratorin Heike Eipeldauer vom Leopold Museum Wien am 5. April bei der Eröffnung einer Oskar Kokoschka-Retrospektive. Das Berliner Bundeskanzleramt wollte das Kokoschka-Bild Konrad Adenauers nicht ausleihen. Es hängt hinter dem Schreibtisch von Kanzlerin Angela Merkel)


"Ich wünsche ihr, wenn sie in den Ruhestand geht, dass sie ein angenehmes Leben hat. Ich hoffe, dass sie in den Berliner Zoo geht und sich die Pandas dort anschaut."

(Der chinesische Künstler Ai Weiwei am 14. Oktober in Passau auf die Frage, was ihm zu Bundeskanzlerin Angela Merkel einfalle)


"Ich finde es toll, dass hier kiffende Hippies und Hipster am Boxhagener Platz sitzen und vielleicht mal hinters Gebüsch gehen und vögeln. Ich hoffe sehr, dass dieser Freigeist bleibt."

(Der Maler Norbert Bisky bei einem Besuch in seinem Berliner Atelier am 17. Oktober zum Zustand von Freiheit und Toleranz in Deutschland)


"Museen sind öffentliche Institutionen, wir wollen öffentliche Häuser sein (...). Wir sind eben kein Banksafe. Und das bringt ein gewisses Risiko mit sich."

(Der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Eckart Köhne, am 26. November in Berlin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zur Sicherheit von Museen nach dem spektakulären Einbruch im Grünen Gewölbe des Dresdner Residenzschlosses)


"Wir finden das bedeutsam in einer Zeit, die durch ein Erstarken der Rechten und durch eine Erneuerung des Faschismus in einem konservativen, feindseligen Umfeld geprägt ist - wodurch wir mit unseren Freunden und Familien in Großbritannien wieder zunehmend unwillkommen sind."

(Die britische Künstlerin und Turner-Preisträgerin Helen Cammock am 3. Dezember im britischen Margate bei der Verleihung des Preises für moderne Kunst in einer gemeinsamen Erklärung der vier Preisträger mit Migrationshintergrund)


"Um mir die Ereignisse in Erinnerung zu rufen, musste ich mir den ziemlich umfangreichen Ordner über den Fall Donnersmarck anschauen. Meine Abneigung gegenüber dem Film und der Person ist dadurch wieder so sehr gewachsen, dass es mir unmöglich ist, Ihnen zu antworten."

(Der Künstler Gerhard Richter in einer Antwort auf eine Anfrage des "New Yorker"-Magazins zu einem Statement zum Künstlerdrama "Werk ohne Autor" von Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, das auf Richters Biografie beruht)


"Ich sehe mich als gescheiterten politischen Künstler. Ich bin nicht gern pessimistisch, aber es ist sogar zu spät, um pessimistisch zu sein."

(Der Künstler Hiwa K über den Aufstieg der Rechtspopulismus und die Hilflosigkeit der Kunst)


"Der Erfolg vieler Männer basiert darauf, dass es eine Gruppe von Frauen gibt, die sich um sein Wohl und alles Familiäre kümmern. Sie leisten die emotionale Arbeit und wischen das Erbrochene weg."

(Die schwedische Comiczeichnerin Liv Strömquist über den Geniekult um männliche Künstler)


"Es ist mir total egal, dass sie gegessen wurde, denn was zählt, ist nur die Idee."

(Künstler Maurizio Cattelan über den Aktionskünstler, der eine seiner 120.000 teuren Bananen auf der Art Basel/Miami Beach aufaß)


"Wir werden nicht jedes Stück Kulturerbe erhalten können. Wir müssen heute die Diskussionen führen, was uns wirklich wichtig ist. Was wollen wir unbedingt für die nächsten Generationen erhalten?"

(Klimaforscherin Johanna Leissner über die Bedrohung des Kulturerbes durch den Klimawandel)


"Ganz offensichtlich hat die Kunstwelt große Angst vor Donald Trump. Sie hasst ihn nicht nur, sie fürchtet ihn und alles, was mit ihm zu tun hat."

(Künstler Andres Serrano über seine Ausstellung "All Things Trump", für die er tausende Memorabilia des US-Präsidenten ersteigert hat)


"Ich habe nie jemanden fotografiert, den ich nicht auf eine irgendeine Art geliebt habe. Im Moment fotografiere ich aber nur den Himmel, um mich daran zu erinnern, wie klein wir sind."

(Künstlerin und Aktivistin Nan Goldin bei der Verleihung des Ruth Baumgarte Preises 2019)


"Ich hatte den Glauben an die Spezies Mensch verloren. Ich habe so schreckliche Dinge gesehen, so viel Brutalität, so viel Gewalt. Mein Geist und meine Seele waren krank. Aber je mehr das 'Instituto Terra' wuchs, desto mehr hat sich das geändert. Heute bin ich viel hoffnungsvoller und glücklicher."

(Fotograf Sebastião Salgado über seine Arbeit im Umweltschutz und sein Wiederaufforstungsprojekt im brasilianischen Regenwald)


"Die Geschichte hat uns gelehrt, dass wenn genug Leute aufstehen und einen Wandel fordern, die Mächtigen keine andere Wahl haben, als zu handeln."

(Sängerin Billie Eilish und Schauspieler Woody Harrelson in einem Aufruf zum Klimastreik)


"Die kosmopolitischen Milieus haben die größte Klappe, sie sitzen an den Schaltstellen der Kultur. Und oft ist ihnen selbst gar nicht bewusst, wie stark ihr gesellschaftlicher Einfluss ist und auf welche Weise sie durch exklusive Lebensstile, hohe Mieten in attraktiven Stadtquartieren und ehrgeizige Bildungsanstrengungen zur Abschottung von anderen Milieus beitragen."

(Soziologin Cornelia Koppetsch über die Spaltungstendenzen in der deutschen Gesellschaft)


"Die kurzfristige Absage ist höchst unprofessionell und eigentlich beispiellos. Das Kapitel Eike Schmidt ist damit abgeschlossen."

(Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg nach der kurzfristigen Absage von Uffizien-Chef Eike Schmidt, der eigentlich ans KHM in Wien wechseln sollte)


"Es reicht nicht zu sagen, dass das Bauhaus spitze ist. Es ist längst über-anerkannt, als 'endlich mal was Positives aus oft unserer schwierigen Nation'. So etwas wie die Welt neu zu denken, wird zwar behauptet, aber eigentlich will man sagen: Das haben wir doch längst schon bewiesen. So braucht es auch nichts mehr Utopisches, es steht doch schon hier im neuen Museumsklotz."

(Sänger und Künstler Schorsch Kamerun über das Bauhaus-Jubiläumsjahr)
 

"Ich habe alle meine Mitarbeiter über Instagram angeheuert. Ich schaue einfach, wer den besten Account hat. Und dann melde ich mich."

(Designer Virgil Abloh über Personalmanagement)


"Frauen werden besonders in den sozialen Medien nach dem beurteilt, was sie wie von sich präsentieren. Ein Körper kann aber verschiedene Frauentypen repräsentieren."

(Künstlerin Leah Schrager, die mit einer Selfie-Performance zum Ziel eines Shitstorms wurde)


"Ich fordere: Die Bundesinstitutionen sollen meine Werke aus ihren Sammlungen nicht mehr zum Zweck der Außendarstellung der BRD zeigen, bis der deutsche Staat seine Position ändert. Ich habe es satt, dass meine Arbeit eingesetzt wird, um die Aufmerksamkeit vom stillschweigenden Einverständnis des deutschen Staates mit Vertreibung, ethnischen Säuberungen und Kriegsführung abzulenken und ihm eine Aura von Toleranz und Inklusivität zu geben."

(Künstlerin Hito Steyerl forderte wegen der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien unter anderem einen Lieferungsstopp deutscher Waffen an die Türkei)


"Ganz ehrlich: Ich weiß auch nicht, wann ich die letzte Karikatur gesehen hab, die ich echt gut fand. Die Schwäche des Mediums ist, dass wir meist nur die Bilder gut finden, die unsere Meinung bestätigen und auf den Leuten rumhacken, die wir ohnehin schon blöd finden."

(Zeichner Christoph Niemann zur Entscheidung der "New York Times", keine politischen Karikaturen mehr zu drucken) 


"Die Berlin-Biennale hat ein angenehm menschliches Maß. Die Herausforderung ist vielleicht, dass Berlin erschöpft ist von diesen Pop-Up-Initiativen, von den Zwischennutzungen und Projekten. Vor 20 Jahren konnte die Berlin-Biennale noch in die freien Räume gehen und sie beleben, heute wäre das ein abstoßendes Spektakel, bei dem man gleich an Immobilienspekulanten denkt."

(Maria Berríos, eine von vier Kuratorinnen der Berlin-Biennale 2020)
 

"Wir müssen uns bewusst werden, wie wir alle in dieses System verwickelt sind. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Wann können wir als Künstler endlich unseren Einfluss nutzen und den Druck erhöhen?"

(Künstler Michael Rakowitz über ethische Richtlinien für Mäzenatentum in der Kunstwelt)