Reaktionen von Galerien

Woran ist die Art Berlin gescheitert?

Die Koelnmesse hat ihren Vertrag mit der Art Berlin vorzeitig aufgelöst. Das bedeutet höchstwahrscheinlich das endgültige Aus für die wichtigste Kunstmesse in Berlin. Wir haben Reaktionen von Galeristinnen und Galeristen gesammelt

Unsere Fragen:

1. Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Koelnmesse, sich aus der Art Berlin zurückzuziehen?

2. Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit der Art Berlin?

3. Woran ist die Art Berlin gescheitert?

4. Braucht Berlin eine Kunstmesse?

 

Guido W. Baudach, Galerie Baudach, Berlin

1. Schade, aber insofern verständlich, als die Koelnmesse dauerhaft keine Verluste machen möchte in Berlin, während durch den Ausstieg der Messe Schweiz bei der Art Düsseldorf konkurrenzmäßig der Druck vom Kessel ist.

2. Ich mochte die Art Berlin. Die Umsätze waren zwar verhalten, aber es kamen doch eine Menge Leute dafür in die Stadt und der ehemalige Flughafen Tempelhof war eine tolle, berlinspezifische Kulisse.

3. Da gibt es ein ganzes Bündel von Gründen. Ausschlaggebend aber war mangelndes Engagement von vielerlei Seiten, nicht zuletzt auch von Seiten der Stadt und dem Land Berlin.

4. "Brauchen" vielleicht nicht. Berlin verfügt über eine bedeutende Anzahl hervorragender Galerien, die das ganze Jahr über viele großartige Ausstellungen machen, für die das Publikum auch gern von außerhalb anreist. Aber es wäre doch wünschenswert, wenn auch im Herbst weiterhin eine größere gemeinschaftliche und grundsätzlich international ausgerichtete Veranstaltung stattfinden würde, so wie das Gallery Weekend im Frühjahr. Ob diese Veranstaltung unbedingt dem Format "Kunstmesse" entsprechen muss, ist eine andere Frage. Schließlich ist dieses Format nunmehr schon über 50 Jahre alt und hat sich in dieser Zeit strukturell kaum verändert - ganz anders der Kunstmarkt. Auf Dauer werden die klassischen Kunstmessen deshalb nur dann weiterbestehen, wenn sie es schaffen, nachhaltig auf die veränderten Umstände zu reagieren.
 

Marietta Clages, Galerie Clages, Köln

1. Die wirtschaftliche oder politische Entscheidung einer Messegesellschaft, sich aus einer Kunstmesse zurückzuziehen, ist für uns nicht von Bedeutung. Wir gehen an die Standorte und auf die Messen, die für uns als Galerie Sinn ergeben, das heißt dahin, wo wir am besten unsere Künstler platzieren können.

2. Gute. Wir haben die Art Berlin drei Mal mitgemacht und vor allem dieses Jahr als sehr umtriebigen Kunst-Standort wahrgenommen.

3. Hier spielen sicher wirtschaftliche Vorgaben eine Rolle, oder auch ein strategisches Engagement in der deutschen Messelandschaft vor zwei Jahren, aber das sind unternehmerische Überlegungen, die die Messegesellschaft betreffen.

4. Brauchen sicher nicht, aber die Messe verdichtet zusätzlich zum Gallery Weekend die Präsenz von Kuratoren und Kunstinteressierten.

 

Johann König, König Galerie, Berlin 

1. Die Entscheidung ist bedauerlich, aber auch verständlich, weil sich der Berliner Wirtschaftssenat schwer damit tut, eine Kölner Messegesellschaft zu fördern. Was man auch wiederum verstehen kann. Früher hat das Art Forum Berlin diese Förderung bekommen. Als Galeristen tragen wir – die Generation vor mir vielleicht noch ein bisschen mehr – eine Verantwortung dafür, dass es das Art Forum nicht mehr gibt. Rückblickend betrachtet war die Messe ja gar nicht schlecht.

2. Meine Erfahrungen waren gut, wir haben erstaunlich gut verkauft. Und wir hätten auch im kommenden Jahr wieder mitgemacht. Wir hoffen sehr, dass ein anderer Betreiber die Art Berlin übernimmt.

3. Ich denke die Messe ist daran gescheitert, dass sie nicht zusammen mit der anderen Messe, der Positions, agiert hat. Und dass der nötige Rückhalt der Politik und der Wirtschaft gefehlt hat. Zur Fiac in Paris kommt Präsident Macron oder seine Gattin, wir haben Glück, wenn der Berliner Bürgermeister auftaucht. 

4. Die Frage ist ja, wer braucht heute überhaupt noch eine Kunstmesse? Für Berlin ist eine Messe sicher nicht zwingend, aber natürlich wäre es besser, wenn es eine Messe in der Stadt gäbe. 

 

Christian Nagel und Saskia Draxler, Galerie Nagel Draxler, Berlin, Köln, München

1.  Das ist ein großes Manko für Berlin und zeigt, dass die Kunst in Berlin auf dem absteigenden Ast ist. Wenn man sieht, wieviel Geld hier in den Filmbereich fließt (mehrere hundert Millionen), ist es traurig, wie schlecht dagegen die zeitgenössische Kunst und die Galerien behandelt werden.

2. Wir haben zweimal erfolgreich mit junger Kunst daran teilgenommen und gut verkauft.

3. Weder das Land noch die Hauptstadt, geschweige denn die Betreiber der Vertriebsgesellschaft Tempelhof haben jemals kapiert, was die Kölnmesse mit Maike Cruse dort vorhatten: Den Aufbau einer langfristigen international erfolgreichen Kunstmesse. Anstatt den Messebetreibern aus Köln tatkräftig organisatorisch und auch finanziell beiseitezustehen, kassierte Tempelhof fleißig und zeigte wenig Einsatz für die Veranstaltung.

4.  Natürlich. Jede internationale Kunststadt hat ihre eigene Messe. Leider hat die Berliner Politik das in über 20 Jahren nicht verstanden oder unterstützt.


Markus Peichl, Galerie Crone, Berlin

1. Das Ende der Art Berlin ist ein weiterer Beitrag zur kulturellen Verzwergung Berlins. Aus Sicht der Koelnmesse kann man die Entscheidung absolut verstehen. Falls die Kölner tatsächlich ernsthaft vorhatten, in Berlin eine relevante Kunstmesse aufzubauen, hat ihnen das der Berliner Senat durch seine ignorante Kunststandortpolitik objektiv unmöglich gemacht. Falls Sie das ohnehin nie im Sinn hatten, haben Herr Lederer und Co. es ihnen leicht gemacht, aus der Sache rauszukommen und einen konkurrierenden Kunstmessestandort in Deutschland loszuwerden. Wie auch immer: Berlin bleibt jetzt nur noch, dass Hertha und Union den 1. FC Köln in die zweite Bundesliga schießen. Wenigstens dafür stehen die Chancen ja ganz gut. Zumindest was Union angeht.

2. Bei der letzten Art Berlin kam ein geschätzter, sehr erfolgreicher Kollege auf mich zu. Weil ich etwas grimmig guckte, meinte er: "Lachen, Markus! Lachen! Kunstmessen sind nun mal nur noch reine Regionalmessen, und diese Messe spiegelt eben Berlin wieder. In den letzten drei Jahren hatte ich hier Arbeiten zwischen 50.000 und 150.000 Euro. Da kamen die Leute auf meinen Stand und sagten: "Tolle Kunst ham se, aber für mich viel zu teuer." Dieses Jahr habe ich nur Arbeiten zwischen 2.000 und 5.000 dabei. Und? "Koofen se ooch nich!" So ging es sehr vielen Kollegen. Absurderweise haben wir - nachdem wir auf der Art Berlin jahrelang höchstens ein, zwei Arbeiten verkauft haben - in diesem Jahr fast alles verkauft. So gut wie 2019 lief es dort für uns eigentlich noch nie. Aber wie gesagt: Das war ein absolute Ausnahme in den letzten Jahren.

3. Das hat viele Ursachen. Die haben sich über die Jahre hinweg aufgestaut. Ich habe vor circa sechs Wochen in einem Interview gesagt: "Berlin steht als Kunstmarktstandort immer noch massiv unter Druck. Er ist bedroht und niemand tut etwas dagegen. Auch wenn alle Kunstmessen weltweit dazu tendieren, immer lokaler zu werden, so war die letzte Art Berlin schon ein sehr, sehr, sehr lokales Vergnügen. Berlin ist immer noch ein wichtiger Kunstproduktionsstandort, aber wie er gleichzeitig seine mögliche Bedeutung als Kunstmarktstandort aufgibt, ist schon erstaunlich. Das hat vor allem mit der katastrophalen Berliner Kunststandortpolitik zu tun. Neben den Ateliers und Projekträumen, die Berlin zu einem immer noch attraktiven Produktionsstandort machen, braucht es auch Sammler, Institutionen und hochkarätige ausländische Besucher, die aus Überzeugung in die Galerien, Messen und Projekträume gehen und Kunst kaufen. Statt jedoch in den Marktstandort zu investieren, subventioniert die Stadt eine Absurdität namens Berlin Art Week. Dort fließt das meiste Geld in interne Kosten, gepflegte Mediokrität und einen Flickenteppich der Irrelevanz. Projekträume sind wichtig, Atelierförderung ist wichtig, aber es braucht auch eine Vorstellung vom großen Ganzen, von dem, wo das alles hinführen soll. Oder zumindest das kritische Bewusstsein, wo es hinführen kann, wenn die Stadt nicht umdenkt. Eine Standort-Politik, die ein großes, massenhaftes Kunst-Prekariat zur Folge hat, kann doch keiner wollen, und trotzdem fährt der Zug munter in diese Richtung, mit dem Kultursenator Klaus Lederer als eine Art Jim Knopf auf Abwegen. Die Künstler, die in ihrer Stadt produzieren, müssen auch davon leben können. Das ist nur möglich, wenn es auch einen Markt gibt. Die Förderung muss dort ankommen, wo Relevanz, Nachhaltigkeit und Werte entstehen, also auch bei Messen, Kunst-Events, Galerien. Was Berlin wirklich bräuchte, liegt auf der Hand: Der Senat müsste endlich – wie es zum Beispiel Madrid macht – eine Million Euro in die Art Berlin stecken, damit daraus wirklich eine vernünftige, große Messe wird. Die staatliche Förderung eines Kunstmarktstandortes ist nichts Verwerfliches. Wenn ein Standort Unterstützung braucht, um sich im internationalen Kunstmarkt zu behaupten, ist es absolut legitim, wenn die Politik hilft. Vor allem wenn der Standort kulturell und touristisch so attraktiv ist wie Berlin." Naja. Hat nicht viel geholfen, dieser Apell. Aber das ging und geht ja nicht nur mir so.

4. Kleine Wette: Die meisten Kollegen in Ihrer Umfrage werden sagen "nein". Aber wenn Dinosaurier vor ihrem Aussterben reden hätten können, hätten auch die meisten von ihnen das Falsche gesagt. Fest steht: Berlin braucht nicht irgendeine Kunstmesse. Berlin braucht eine relevante, große, bedeutende Kunstmesse. Es geht nicht ums "Ob" sondern ums "Wie". Auf halbgare, halbherzige, finanziell nicht ordentlich ausgestattete Veranstaltungen kann Berlin verzichten, davon haben wir genug. Auf vernünftige, konkurrenzfähige Leuchtturm-Veranstaltungen nicht. Die brauchen wir dringender denn je.
 

Alexander Schröder, Galerie Neu, Berlin

1.
Wir waren doch überrascht von dieser plötzlichen Entscheidung und hätten uns etwas längeres Durchhalten gewünscht. Dennoch ist die Entscheidung in Teilen nachvollziehbar.

2. Besonders Spass hat uns die Entwicklung und Durchführung der innovativen ABC gemacht. Als dann die ABC zur Art Berlin wurde, wurde es auch kommerziell interessanter. Die Veranstaltung hat in den letzten zwölf Jahren viel aufgebaut und sich immer weiterentwickelt - wir waren immer gerne dabei.

3. Ich würde da nicht von Scheitern sprechen. Es ist ja wie gesagt in den zwölf Jahren immer mehr hinzugekommen, wie zuletzt ein grosser Sponsor, die Ankaufskommission des Bundes. Die Veranstaltung war natürlich noch nicht auf dem qualitativen Niveau, das wir mit dem Gallery Weekend erreichen und das wir uns auch hier gewünscht haben, aber das war unter den gegebenen Umständen eben auch nicht leicht.

4. Das werden wir sehen. Mit dem Gallery Weekend organisieren wir eine Veranstaltung die internationale Strahlkraft entwickelt hat und ein Top-Programm bietet. Was wir mit dem Herbsttermin machen werden wir uns überlegen. Es gibt viele Ideen.

 

Jan-Philipp Sexauer, Sexauer Gallery, Berlin

1. Aus Kölner Sicht wirtschaftlich und strategisch nachvollziehbar. Berlin war nach dem Rückzug von Basel aus deutschen Kunstmessen kein Standort mehr, der aus Kölner Sicht eine ernsthafte Konkurrenz hätte werden können. Geld verdient hat die Messe in Berlin wahrscheinlich ohnehin nicht. Jetzt ist die Kunst, was Messen betrifft, wieder ganz im Rheinland. Der Rückzug war daher keine Überraschung. Für Berlin ist es natürlich schade.

2. Wir hatten bei der Art Berlin immer sehr schöne Auftritte, einmal mit Thomas Feuerstein am Gleisdreieck, einmal mit Jay Gard und Caroline Kryzecki im Flughafen und das letzte Mal mit Ornella Fieres und Jeewi Lee mit ihrer Seifeninstallation. Auftritte, die im Gedächtnis bleiben. Für uns hat es sich immer gelohnt. Da unser Ausstellungsraum in keinem der üblichen Galerien-Cluster liegt, war es für uns auch immer schön, mal ganz zentral in Berlin gemeinsam mit allen Kollegen auszustellen. Hat immer Spaß gemacht.

3. Anscheinend gibt es keinen Messe-Veranstalter, der ein hinreichendes Interesse hätte. Falls es zutreffend ist, dass der Veranstalter keine Planungssicherheit hatte, wäre es die Aufgabe der Stadt Berlin, dabei zu helfen. Die Locations am Gleisdreieck und im Flughafen Tempelhof waren eigentlich beide gut. Ein strukturelles Problem ist sicher, dass Berlin nicht in einem über tausend Jahre alten Zivilisationsgeflecht liegt, in dem es seit Jahrhunderten Geld und Kultur gibt – es fehlt Berlin eben ein Einzugsgebiet. Die nächsten großen Städte sind Leipzig, Dresden und Hamburg. Das ist zu weit und zu wenig.

4. Klar braucht Berlin eine Kunstmesse. Berlin ist eine der vitalsten deutschen Städte und war vor hundert Jahren eines der Kunstzentren der Welt; ein Zentrum der Moderne, bevor die Nationalsozialisten alles zerstört haben. Zum Gallery Weekend kommen ja auch viele internationale Besucher. Eine neue Messe hätte aber nur eine Chance, wenn Gallery Weekend und Messe in derselben Woche stattfänden. Das wäre eine logistische Herausforderung für die Galerien, aber zwei Termine im Jahr sind eigentlich zu viel. Eine regionale Messe braucht Berlin nicht, es müsste schon international sein. Berlin ist mittlerweile eine internationale Stadt.