Die Geschichte des Kapuzenpullovers beginnt als praktisches Kleidungsstück für Arbeiter in den 1930er Jahren. So heißt es im Text zur Schau "The Hoodie", die gerade im Museum für Architektur, Design und digitale Kultur in Rotterdam zu sehen ist. Maßgeblich an seiner Popularität beteiligt war die Marke Champion, die ihn erst als Kleidungsstück für Sportler auf der Ersatzbank und später für die Massen fertigte - und auch heute noch vertreibt.
In den 1980er-Jahren fand der Pulli den Weg in die Graffiti- und Hip-Hop-Kultur. Mittlerweile ist er nicht nur auf den Laufstegen, sondern auch im Silicon Valley angekommen, wo junge Tech-Unternehmer ihn als Symbol der Ablösung von einer älteren Generation Chefs tragen - eine textile Rebellion gegen den Anzug.
Doch obwohl der Hoodie mittlerweile in unzähligen Kleiderschränken hängt und auch außerhalb des Sportkontexts im Alltag akzeptiert wird, ist er noch immer Komplize in der Produktion bestimmter rassistischer Stereotype. So steht er, gerade in den USA, für die Vorurteile gegenüber People of Color und ist zum Symbol für deren angenommene Kriminalität geworden.
Ein Hoodie als Altar und Mahnmal
Mit diesem Thema befasst sich auch das Werk des Künstlers Devan Shimoyama. Über und über mit Seidenblumen bedeckt und mit Pailletten und Strasssteinen verziert hängt sein Hoodie mit ausgestreckten Ärmeln von der Decke der Ausstellung. Der Titel "February II" bezieht sich auf den Geburtsmonat des 2012 getöteten Trayvon Martin. Der afroamerikanische Highschool-Schüler wurde vom Nachbarschaftswachmann George Zimmerman erschossen. Mitschuld am Tod des 17-Jährigen gaben die Medien damals dem Hoodie, den er trug, und der vermeintlich verdächtig ausgesehen habe. Blutverschmiert diente der Pullover auch als Beweismittel vor Gericht.
Im Zuge der Rassismus-Debatte, die dieser Fall in den USA auslöste, fand der "Million Hoodie March" statt, in dem viele aus Solidarität mit Martin ein Sweatshirt mit Kapuze trugen. Ein Kleidungsstück, das offenbar nicht jeder ohne weiteres anziehen kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Gegen diese reduzierende Repräsentation wendet sich auch das Projekt "56 Black Men" des Fotografen Cephas Williams. Unter dem Motto "I am not my Stereotype", porträtiert er schwarze Männer im immer gleichen schwarzen Hoodie, erzählt dazu aber die Geschichte dieser Männer, die von den Medien normalerweise außer Acht gelassen werden.
Erkennungsmerkmal einer vermeintlich kriminellen Jugend
Auch in anderen Ländern wurden Debatten über das Kleidungsstück geführt. Als Erkennungsmerkmal der vermeintlich kriminellen Jugend verboten in Großbritannien einige Kaufhäuser Anfang der 2000er-Jahre den Eintritt mit Hoodie. Es ist also kein singuläres Phänomen eines Landes, das die aus Großbritannien stammende Kuratorin Lou Stoppard hier anhand US-amerikanischer Geschichten inszeniert.
Doch nicht nur die Thematik um soziale Ungleichheit und Racial Profiling finden ihren Platz in den Räumen des Nieuwe Instituut in Rotterdam. Auch der Wunsch nach Distinktion einerseits und Zugehörigkeit andererseits, der laut dem Philosophen Georg Simmel der gesamten Mode innewohnt, wird in den Fotoarbeiten von Ellie Uyttenbroek und Ari Versluis deutlich. Das Projekt "Exactitudes" zeigt Dresscodes und lässt Personen in gleicher Kleidung zu eingeschworenen Gruppen, gar Stämmen, werden.
In Rotterdam sind sie im "EUnify-Pullover" mit Sternenkranz zu sehen, der eine beachtliche Karriere in der Mode und in der Politik hingelegt hat. Außerdem ausgestellt ist die Installation "Umbra" des Londoner Künstlers Prem Sahib, die aus drei körperlosen Hoodies besteht, die eine Glastischplatte tragen und dabei das Gefühl vermitteln, Schutz unter ihr zu suchen. John Edmonds ließ sich für seine Fotoserie "Hoods" von den Kapuzen tragenden Mönchen des Barockmalers Francisco de Zurbarán inspirieren und zeigt Männer und Frauen verschiedener Ethnien mit bedeckten Köpfen in Rückansicht.
Zwischen Unsichtbarkeit und Spotlight
Die Mixed-Media-Schau präsentiert neben Fotos und dezidierten Kunstobjekten auch den Hoodie in seiner textilen Gebrauchsform, sowie Magazincover, Filme und Musik. Sie erzählt die Geschichte eines Kleidungsstücks, das Ambivalenz materialisiert, indem es einerseits Rassismus, Status und Identität verhandelt, andererseits aber auch für Sport oder Komfort stehen kann.
Die Spannung zwischen der Unsichtbarkeit, die man durch die Kapuze erlangt, und der gesteigerten Sichtbarkeit, mit der marginalisierte Gruppen aufgrund des Kleidungsstücks rechnen müssen, wird in der Ausstellung "The Hoodie" deutlich. Die Schau schließt mit einer Auftragsarbeit zur Überwachungskultur von Bogomir Doringer. Der serbisch-niederländische Künstler setzt sich in seiner Arbeit mit Privatsphäre und Maskierung auseinander. In einer Reihe von Video-Essays zeigt er collagierte Fotos von Personen unter Kapuzen, die eine künstliche Intelligenz kreiert hat. Sie wurde mit 8000 Fotos aus den sozialen Medien und aus journalistischer Berichterstattung gespeist. In Zeiten von öffentlich platzierten Kameras und Gesichtserkennungs-Software erweitert sich der Kreis derer, für die die Kapuze demnächst Schutz, und nicht länger nur Gemütlichkeit, bieten wird.
"The Hoodie" will weder die gesamte Geschichte des Kapuzenpullis nacherzählen, noch alle Fragen beantworten, die die Ausstellung aufwirft. Vielmehr will sie den Diskurs um das Kleidungsstück öffnen. Sie macht vor allem auf das Privileg aufmerksam, das es manchen Personen erlaubt, sich keine Gedanken um die Tragweite dieses Mode-Artikels machen zu müssen. Noch bis zum 12. April 2020 läuft die Ausstellung in Rotterdam - und verspricht denen, die im Hoodie kommen, freien Eintritt.