Ihre Initiative heißt „One Fine Day“. Was genau macht sie?
Marie Steinmann: Europäische Lehrer unterrichten in den Slums Kibera und Mathare in Nairobi zusammen mit kenianischen Kollegen Kunst in Workshops, den Clubs. Diese Tätigkeit, für die wir den Verein One Fine Day gegründet haben, hat unmittelbaren Einfluss auf die Kinder dort, das ist faszinierend. Mittlerweile haben wir 17 Clubs, 18 Mitarbeiter, einige Koordinatoren sowie 500 bis 600 Kinder, die wöchentlich die Clubs besuchen. Wir beraten und unterstützen, aber die kulturelle Produktion ist sehr eigenständig.
Was wird in den Clubs unterrichtet?
Steinmann: Zum Beispiel das Malen mit Acryl, Monotypien und andere Techniken. Landschaftsmalerei, perspektivisches Zeichnen, die Weberei, durchaus traditionelle Dinge. Unsere Tanzlehrerin unterrichtet allein 50, 60 Kinder, die extrem dankbar sind. Sie kämen am liebsten jeden Tag. Die Tanz- und Ballettclubs fahren auch zu Festivals und machen Aufführungen, in eigenen Kostümen.
Gibt es Kontakt zur offiziellen Entwicklungshilfe?
Tykwer: Es gibt eine bisweilen etwas verkrustete bürokratische Versorgungsebene, die aus vielen Nichtregierungsorganisationen besteht. Viele dieser NGOs sind in ein System eingespeist, das sich selbst ernährt. Nicht wenige Existenzen des Apparats sind von dieser Versorgung abhängig, und man spürt Erschöpfung und Demoralisierung, Defätismus und Hoffnungslosigkeit. Auch eine Art mitleidiger Arroganz uns gegenüber. Keiner hat geglaubt, dass wir das lange durchhalten. Aber wir sind jetzt im sechsten Jahr und expandieren weiter.
In Richtung Film.
Tykwer: Der Filmarm kam jetzt noch hinzu und ist erfolgreich, allerdings öffentlich gefördert. Doch auch in ihm steckt Maries Philosophie, internationale Lehrer mit kenianischen zusammenzubringen, sowie die Idee des Intensivworkshops. Im Filmworkshop wird allerdings ein Filmteam gefunden. Nicht Kinder nehmen teil, sondern junge Erwachsene aus ganz Afrika.
Es gibt ja eine starke Filmszene in Afrika, aus Nigeria stammt der Begiff „Nollywood“ …
Tykwer: … das sind billig gedrehte Kitschdramen mit aktueller Note, ästhetisch rudimentär, wahnsinnig schnell, darin auch faszinierend. In Nairobi finden sich Nollywood-Ableger, aber der Kinofilm ist extrem marginal in ganz Afrika. Es gibt kaum noch Kinos, nur noch 20 in ganz Kenia, davon zehn in Nairobi. In den Slums findest du sie in Blechhütten, dort läuft mal „Rocky“, mal die Champions League und mal ein Film von Paul Thomas Anderson. Es gibt darüber hinaus aber auch eine starke und durchaus relevante intellektuelle Mittelschicht dort, die sich sehr bewusst mit aktueller Kunst auseinandersetzt.
Während eines Ihrer Filmdrehs im Herbst 2011 wurde das Team überfallen, mit schlimmen Folgen.
Tykwer: Wer nach Nairobi kommt, empfindet die Gefahr der Gewalt sehr stark. Dann lebst du dich ein, arbeitest in dieser Welt und beginnst zu verdrängen. Die Gewalt ist so präsent und alltäglich, dass sie von den locals eher achselzuckend zur Kenntnis genommen wird. Ein schlimmer Zustand.
Steinmann: Ein Bus wurde von einer Gang mit vorgehaltener Waffe angehalten. Dagegen konnten auch die Sicherheitsleute nichts machen. Die Frauen wurden aus dem Wagen herausgezerrt. Für die Polizei war die Vergewaltigung noch nicht einmal Grund genug zu ermitteln.
Tykwer: Das System gerät aus den Fugen. Nach den vergangenen Wahlen gab es nie zuvor gesehene Gewaltexzesse. Genau davon handelte der Film, den wir zu jener Zeit drehten, auch von den vielen Vergewaltigungen in jener Zeit. Und dann passierte es wirklich. Aber sollen wir deshalb Nairobi meiden? So ändert man gar nichts. Nur durch Zuwendung ändert man etwas.
Nun starten Sie eine Charity-Auktion — mithilfe von Künstlern.
Steinmann: Sie findet am 10. Februar statt. Die Galerie Contemporary Fine Arts aus Berlin wollte uns unterstützen. Künstler wie Anton Corbijn, Gert & Uwe Tobias, Douglas Gordon, Tacita Dean, Daniel Richter, Julian Rosefeldt, aber auch Gregor Hildebrandt oder Alicja Kwade haben Bilder für die Auktion „25 Künstler für One Fine Day“ gestiftet. Sie wird von Daniel von Schacky von der Villa Grisebach geleitet.
Tykwer: Wir sind ja eine Art Kunst-NGO und arbeiten mit eher niedrigem Budget, aber mit großer Effizienz. Ein Jahr nachdem wir den ersten Film in Kibera gedreht hatten, fand die Premiere im Slum statt. So etwas haben die Menschen dort noch nie erlebt: dass nicht einfach Kulturleute ein- und wieder ausfliegen, sondern dass sie selbst vor Ort etwas von dem wiedersehen, was sie geschaffen haben. Es kamen Tausende. Diese Kontinuität wollen wir beibehalten.
„25 Künstler für One Fine Day“, Benefizauktion bei Contemporary Fine Arts, Berlin, 10. Februar. Vorbesichtigung: 29. Januar bis 9. Februar
Mehr Informationen zur Auktion: www.one-fine-day-auktion.de
Mehr Informationen über den Verein One Fine Day: www.onefineday.org
Marie Steinmann: Europäische Lehrer unterrichten in den Slums Kibera und Mathare in Nairobi zusammen mit kenianischen Kollegen Kunst in Workshops, den Clubs. Diese Tätigkeit, für die wir den Verein One Fine Day gegründet haben, hat unmittelbaren Einfluss auf die Kinder dort, das ist faszinierend. Mittlerweile haben wir 17 Clubs, 18 Mitarbeiter, einige Koordinatoren sowie 500 bis 600 Kinder, die wöchentlich die Clubs besuchen. Wir beraten und unterstützen, aber die kulturelle Produktion ist sehr eigenständig.
Was wird in den Clubs unterrichtet?
Steinmann: Zum Beispiel das Malen mit Acryl, Monotypien und andere Techniken. Landschaftsmalerei, perspektivisches Zeichnen, die Weberei, durchaus traditionelle Dinge. Unsere Tanzlehrerin unterrichtet allein 50, 60 Kinder, die extrem dankbar sind. Sie kämen am liebsten jeden Tag. Die Tanz- und Ballettclubs fahren auch zu Festivals und machen Aufführungen, in eigenen Kostümen.
Gibt es Kontakt zur offiziellen Entwicklungshilfe?
Tykwer: Es gibt eine bisweilen etwas verkrustete bürokratische Versorgungsebene, die aus vielen Nichtregierungsorganisationen besteht. Viele dieser NGOs sind in ein System eingespeist, das sich selbst ernährt. Nicht wenige Existenzen des Apparats sind von dieser Versorgung abhängig, und man spürt Erschöpfung und Demoralisierung, Defätismus und Hoffnungslosigkeit. Auch eine Art mitleidiger Arroganz uns gegenüber. Keiner hat geglaubt, dass wir das lange durchhalten. Aber wir sind jetzt im sechsten Jahr und expandieren weiter.
In Richtung Film.
Tykwer: Der Filmarm kam jetzt noch hinzu und ist erfolgreich, allerdings öffentlich gefördert. Doch auch in ihm steckt Maries Philosophie, internationale Lehrer mit kenianischen zusammenzubringen, sowie die Idee des Intensivworkshops. Im Filmworkshop wird allerdings ein Filmteam gefunden. Nicht Kinder nehmen teil, sondern junge Erwachsene aus ganz Afrika.
Es gibt ja eine starke Filmszene in Afrika, aus Nigeria stammt der Begiff „Nollywood“ …
Tykwer: … das sind billig gedrehte Kitschdramen mit aktueller Note, ästhetisch rudimentär, wahnsinnig schnell, darin auch faszinierend. In Nairobi finden sich Nollywood-Ableger, aber der Kinofilm ist extrem marginal in ganz Afrika. Es gibt kaum noch Kinos, nur noch 20 in ganz Kenia, davon zehn in Nairobi. In den Slums findest du sie in Blechhütten, dort läuft mal „Rocky“, mal die Champions League und mal ein Film von Paul Thomas Anderson. Es gibt darüber hinaus aber auch eine starke und durchaus relevante intellektuelle Mittelschicht dort, die sich sehr bewusst mit aktueller Kunst auseinandersetzt.
Während eines Ihrer Filmdrehs im Herbst 2011 wurde das Team überfallen, mit schlimmen Folgen.
Tykwer: Wer nach Nairobi kommt, empfindet die Gefahr der Gewalt sehr stark. Dann lebst du dich ein, arbeitest in dieser Welt und beginnst zu verdrängen. Die Gewalt ist so präsent und alltäglich, dass sie von den locals eher achselzuckend zur Kenntnis genommen wird. Ein schlimmer Zustand.
Steinmann: Ein Bus wurde von einer Gang mit vorgehaltener Waffe angehalten. Dagegen konnten auch die Sicherheitsleute nichts machen. Die Frauen wurden aus dem Wagen herausgezerrt. Für die Polizei war die Vergewaltigung noch nicht einmal Grund genug zu ermitteln.
Tykwer: Das System gerät aus den Fugen. Nach den vergangenen Wahlen gab es nie zuvor gesehene Gewaltexzesse. Genau davon handelte der Film, den wir zu jener Zeit drehten, auch von den vielen Vergewaltigungen in jener Zeit. Und dann passierte es wirklich. Aber sollen wir deshalb Nairobi meiden? So ändert man gar nichts. Nur durch Zuwendung ändert man etwas.
Nun starten Sie eine Charity-Auktion — mithilfe von Künstlern.
Steinmann: Sie findet am 10. Februar statt. Die Galerie Contemporary Fine Arts aus Berlin wollte uns unterstützen. Künstler wie Anton Corbijn, Gert & Uwe Tobias, Douglas Gordon, Tacita Dean, Daniel Richter, Julian Rosefeldt, aber auch Gregor Hildebrandt oder Alicja Kwade haben Bilder für die Auktion „25 Künstler für One Fine Day“ gestiftet. Sie wird von Daniel von Schacky von der Villa Grisebach geleitet.
Tykwer: Wir sind ja eine Art Kunst-NGO und arbeiten mit eher niedrigem Budget, aber mit großer Effizienz. Ein Jahr nachdem wir den ersten Film in Kibera gedreht hatten, fand die Premiere im Slum statt. So etwas haben die Menschen dort noch nie erlebt: dass nicht einfach Kulturleute ein- und wieder ausfliegen, sondern dass sie selbst vor Ort etwas von dem wiedersehen, was sie geschaffen haben. Es kamen Tausende. Diese Kontinuität wollen wir beibehalten.
„25 Künstler für One Fine Day“, Benefizauktion bei Contemporary Fine Arts, Berlin, 10. Februar. Vorbesichtigung: 29. Januar bis 9. Februar
Mehr Informationen zur Auktion: www.one-fine-day-auktion.de
Mehr Informationen über den Verein One Fine Day: www.onefineday.org