Gymnastik erfordert Präzision, Disziplin und äußerste Konzentration. Es ist die Sportart, in der die Turnerinnen und Turner der Sowjetunion bei den Olympischen Spielen Jahr um Jahr brillierten und so den staatlich geformten Einklang von Körper und Geist performativ unter Beweis stellten. An der Ästhetik des Sports hat sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wenig geändert: Barren, Ringe, breite Schultern, Muskelberge und mit Stromlinienformen verzierte hautenge Trainingsanzüge.
Obwohl all diese Elemente auch in David Meskhis Fotografien auftauchen, könnte seine von einer feinen Schicht Magnesiumstaub bedeckte Bildwelt nicht weiter entfernt sein von Drill und Körperkult. Anders als die Gymnastiker auf den historischen Fotografien, mit denen sich Meskhi für seine Abschlussarbeit an der Theater- und Filmuniversität in Tbilisi beschäftigte, strahlen die jungen Männer auf seinen Bildern eine tänzerische Leichtigkeit aus. Der Fotograf fängt sie in kurzen Momenten der Schwerelosigkeit ein, in denen sie über den bunten Matten und Turnhallenböden zu fliegen scheinen.
Durch Ruinen schweben
Vielleicht liegt es an Meskhis Familiengeschichte, dass er die Millisekunden der Losgelöstheit so treffsicher einzufangen vermag: Aus einer Familie von Jugendsporttrainern stammend kam er schon früh mit der Gymnastik in Berührung. Für seine Bildserien nimmt er eine geduldige Beobachterposition ein, greift durch das Präparieren von Kulissen aus abstrakten Farbflächen aber auch immer wieder gestalterisch in das Geschehen ein. So entstehen gestische Momente, in denen Handabdrücke zu Farbtupfern werden und ein ausgestreckter Körper sich für einen flüchtigen Moment in einen Streifen der französischen Flagge verwandelt.
Sein Gespür für die Fotografie von Körpern in Bewegung stellte Meskhi auch mit einer Fotoserie unter Beweis, in der er junge georgische Skater fotografierte. Aus den Arbeiten heraus entstand der Dokumentarfilm ”Where The Earth Seems To Be Light", in dem junge Männer mit langen Haaren auf Demos gehen, verlassene Hausdächer erklimmen und auf ihren Boards durch die Ruinen der Sowjetunion gleiten. Gemein mit Meskhis Turnern ist ihnen dabei dieser magische, der Jugend vorbehaltene Schwebezustand.