Dass Michael Stipe nicht nur Musik machen kann, hat er längst bewiesen: Als Sänger und kreativer Kopf der Band R.E.M. ("Losing My Religion") erlangte er weltweite Bekanntheit. Nebenbei war er aber auch als Filmemacher tätig und treibt sich regelmäßig in der Berliner Kunstszene herum. Und was viele nicht wissen: Bevor er Karriere als Popstar machte, studierte er Fotografie und Malerei an der University of Georgia. Er selbst bezeichnet sich als schrecklicher Maler, seine Leidenschaft für die Fotografie jedoch, die hat er nie aufgegeben. Jetzt veröffentlicht Stipe bereits seinen zweiten Bildband "Our Interference Times: a visual record", herausgegeben bei Damiani Editore.
Schon bei der Erscheinung seines ersten Bildbands erzählte er in "Artforum", dass die Fotografie für ihn das ehrlichste Medium im Leben ist. Durch sie könne er ausdrücken, was er fühlt und denkt. Im neuen Buch, an dem der Musiker zusammen mit dem Autor des Kultbuchs "Generation X", Douglas Coupland, gearbeitet hat, beschäftigt er sich nun mit einem Thema, das jeden einzelnen betrifft: die digitalen Technologien und ihren Einfluss auf unser alltägliches Leben.
Das Analoge kämpft um seinen Platz
Mit statisch wirkenden, verblichenen Porträtaufnahmen und einem Hauch von Nostalgie wirft Stipe den Betrachter in ein vergangenes, analoges Zeitalter zurück. Auf anderen Fotos hingegen verschmilzt der menschliche Körper mit den grafischen Formen des Computers und wird zum Avatar. Ein Foto, das wiederum von einem Bildschirm abfotografiert worden ist, auf welchem sich noch der blaue Wolkenhimmel spiegelt, zeigt die Ambivalenz zwischen zwei Realitäten; zwischen unserem analogen Lebensraum und dem Universum des technologischen Fortschritts, das sich immer weiter ausdehnt.
In Zeiten, in denen das Smartphone unser engster Begleiter ist, kämpft das Analoge um seinen Platz. Michael Stipe zeigt mit seinen analogen Fotos, die die digitale Welt abbilden, diesen chaotischen Zustand zwischen Vergangenheit und Zukunft.