M.C. Eschers psychedelische Bilder passen so gut zum Kiffen wie Chips und Coca Cola, in ihnen ist die Welt so flüssig wie auf einem LSD-Trip. Es ist daher kaum verwunderlich, dass der niederländische Grafiker in den 60er-Jahren regelmäßig Briefe von Hippies in London oder San Francisco erhält, die "dem wunderbar verrückten Meister" und "der vollkommenen Quelle des Wahnsinns" huldigen möchten. Allerdings stoßen sie auf wenig Gegenliebe. "Ich verstehe einfach nicht, warum die heutige außer Kontrolle geratene Jugend meine Arbeit so schätzt, aber nach einer Weile wird es anstrengend", notiert Escher in seinem Tagebuch.
Die verkifften Zottel aus Haight-Ashbury, die Reproduktionen seiner Werke auf ihre VW-Käfer kleben oder als Tattoo in die Oberarme stechen lassen, irritieren Escher dabei genauso wie die Ehrerbietung aus dem Feld der Hohen Künste. Den Besuch zweier britischer Op-Art-Künstler kommentiert er so: "Sie haben mir Blumen gebracht. Ich verstehe das einfach nicht. Sie schätzen meine Arbeit, während ich mich kein Stück dafür interessiere, was sie treiben. Sie machen Op-Art. Ich weiß nicht einmal, was das sein soll."
Zeichnungen von Treppen, die gleichzeitig hinauf- und hinabführen; Metamorphosen von Fischen zu Vögeln zu abstrakten Ornamenten; Bäche, die bergauf fließen – mit optischen Täuschungen und unmöglichen Figuren wurde der 1898 in Leuwaarden geborene Maurits Cornelis Escher zum gefeierten Popstar. Wie er selbst auf sein Schaffen blickte, zeigt jetzt die Dokumentation "M.C. Escher - Reise in die Unendlichkeit", die ihn anhand von Tagebucheinträgen, Briefen und Vorträgen zu Wort kommen lässt (Erzähler in der Deutschen Synchronisation: Matthias Brandt).
Wie steht das W zum Schwanz meines Hundes?
Schon der kleine Maurits, Sohn wohlhabender Wissenschaftler, scheint ein sonderbares Kind gewesen zu sein. Nachts im Bett erfreute er sich an assoziativen Gedankenspielen, in denen er beispielsweise "die logische Verbindung zwischen dem Buchstaben W und dem Schwanz meines Hundes" erkundete. Es gibt 1000 Möglichkeiten, erklärt er, etwa diese: W, Wolken, Vogel, Nest, Zweig, Baum Garten, Hund, Schwanz. Der kleine Maurits hat etliche dieser Spiele gespielt. Und mit seinem grafischen Werk hat der Erwachsene M.C. Escher Jahre später eine Methode gefunden, solche Gedankenspiele optisch darzustellen: Kreisläufe, in denen eines zum anderen führt; Systeme, in denen die Kontingenz der Welt eingefangen wird.
Darum ging es Escher stets: Die Komplexität der Erscheinungen irgendwie in dem Griff zu kriegen. Schon ein einfacher Felsen in der Landschaft sei eigentlich gar nicht vollständig abbildbar, notiert er einmal. Da schon die Formen der Natur so unendlich komplex seien, müsse er stets in Schwarz-Weiß arbeiten – es sei schlicht undenkbar, auch noch den Nuancen der Farben nachzugehen.
Ein Besuch der Alhambra in Granada in den 1920er-Jahren wird zum Wendepunkt in seiner Laufbahn. Escher ist hingerissen von den Mosaiken der maurischen Stadtburg, drei Tage lang zeichnet er alles ab, wessen er habhaft werden kann. Hat er bis dahin vorwiegend Landschaften gezeichnet, findet er in der arabischen Ornamentik endlich die ersehnten formalen Mittel: Fliesen, in denen sich das Motiv unendlich wiederholt; Darstellungen, in denen Figur und Grund gleich viel Bedeutung zukommen. Die Möglichkeit, Unendlichkeit auf einer begrenzten Fläche auszudrücken.
Regisseur Robin Lutz bettet Eschers Biografie in die Zeitgeschichte ein, den erstarkenden Nationalsozialismus und Antisemitismus, den Krieg, die Hungersnöte in den Niederlanden. Ausführlich kommen auch Eschers Kinder zu Wort. Immer wieder aber durchbricht er das Dokumentarische mit liebevollen Spielereien, erweckt er Eschers berühmteste Werke mittels Animationen zum Leben.
Escher selbst begeisterte sich für den Animationsfilm, für die Übergänge vom Einzelbild zum Bewegtbild, vom Zweidimensionalen zum Dreidimensionalen. Sein Interesse sei dabei nie ästhetischer, stets mathematischer Natur gewesen, betonte er. "Vernünftige Menschen dürfen das gerne für belanglos halten."