Insta-Watchlist: Séamus Gallaghar

"Für mich gilt wohl immer: Just oversharing"

In unserer Reihe Insta-Watchlist stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Séamus Gallagher sucht die Utopie: Séamus Gallagher sucht die Utopie: Gallaghers Arbeiten verbinden das eskapistische Potenzial, das Videospiele und die Drag-Szene gemein haben

Séamus Gallagher, in Ihrer Bio auf Instagram steht: "Oversharing is caring, and I care so much."

Das fasst mich gut zusammen.

Sie arbeiten in vielen verschiedenen Medien, zuletzt haben Sie eine VR-Arbeit ausgestellt. Der Titel "Haus of Haraway" klingt für mich nach einer Kombination aus Lady Gaga und Donna Haraway, von der "Ein Manifest für Cyborgs" stammt. Was verbinden Sie mit dem Titel?

Für mich stellt das Wort "Haus" eine Verbindung zur Drag-Szene her und zu den familiären Bindungen, die dadurch entstehen. In der virtuellen Realität kann man durch solch ein Haus spazieren. Ich interessiere mich für die künstlichen Materialien, die ich mit Blick auf eine Computerspiel-Ästhetik erschaffen kann, einen Glanz, der in einem physischen Raum nicht existieren kann. Ich wollte auch, dass das Haus organisch daherkommt, mit einem Gefühl von Flüssigkeit in den Formen, die ich digital erschaffen konnte. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, das Modell in der virtuellen Realität zu formen, anstatt eine starre Struktur mit Programmen wie Blender zu modellieren. Im Wesentlichen ist "Haus of Haraway" ein vierminütiges Virtual-Reality-Stück, in dem man durch ein Haus geführt wird, das von tanzenden Drags besetzt ist. Die Charaktere in der Arbeit wurden mit einer Vielzahl von verschiedenen Videotechniken erstellt, um über die Vielzahl queerer Identitäten sprechen zu können.


Und der Bezug zu Donna Haraway kommt durch ihr Cyborg-Manifest zustande?

Genau, sie schreibt darin: "The cyborg does not dream of community on the model of the organic family...The cyborg would not recognize the Garden of Eden; it is not made of mud and cannot dream of returning to dust". Ich knüpfe an die Idee eines Cyborgs an, der die "Familie" ablehnt. Drag-"Häuser" sind alternative, selbstgemachte Familien, sie sind als sichere Räume gedacht.

Welche Rolle spielt Instagram bei Ihrer Arbeit?

Sagen wir so, ich habe noch nie eine Arbeit speziell für Instagram gemacht. Ich dokumentiere dort die Entstehung meiner Kunst oder arbeite an Ideen. Ich glaube, dass Instagram ein wertvolles Werkzeug ist, um meine Arbeit mit anderen zu teilen. Allerdings existiert meine Arbeit oft in einem Maßstab, der nicht gerade ideal ist, um auf einem Telefon gesehen zu werden.

Sie haben eine starke Bindung zur Queer-Community. Helfen Ihnen hier die sozialen Medien?

Ich habe keine Botschaft, aber Tumblr und Instagram geben mir die Möglichkeit, mir einen Raum zu schaffen. Ich komme aus einer nicht gerade progressiven Gegend in Kanada. Deshalb war es für mich immer wichtig, online meine Community zu finden. Ich denke, dass es mir geholfen hat, Teil von Online-Communitys zu sein, um zu der Person zu werden, die ich heute bin. Ohne diese Communities, fürchte ich, hätte ich mich angepasst, anstatt Gespräche über Kunst zu führen, die mich interessiert.

Wurden Sie jemals von Instagram zensiert?

Ja, klar, das ist schon passiert. Ich kann mich nicht einmal mehr an den Kontext drinnen. Das passiert glaube ich jedem Künstler online. Ich war früher aktiver auf Tumblr. Als ich kürzlich einmal wieder auf Tumblr unterwegs war, irritierte es mich doch sehr, wie viele meiner Inhalte zensiert wurden, nachdem dort neue Community Guidelines eingeführt wurden. Mich beunruhigt das natürlich. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum ich mit einem Begriff wie Instagram-Künstler nicht viel anfangen kann. Das würde mich zu sehr einschränken.

Sie arbeiten mit vielen verschiedenen Medien. Aus Papier haben Sie beispielsweise Masken gemacht.

Das ist eine Arbeit, die stark von Oskar Schlemmers triadischem Ballet beeinflusst ist. Ich habe versucht, eine Verbindung zwischen einer Game-Ästhetik und Drag-Personas herzustellen. Zuerst habe ich in 3D gearbeitet und Modelle entworfen, im Anschluss habe ich physische Objekte daraus gemacht. Die Welt der Videospiele ist nicht gerade aufgeschlossen gegenüber queeren Menschen. Das ist ein sehr toxisches Umfeld. Als ich jünger war, habe ich mich sehr für Videospiele interessiert, heute ist es die "queer culture", also verbinde ich beides miteinander.

Gibt es Gemeinsamkeiten?

Ja, wenn es etwa um Eskapismus geht. Man kann in beiden Welten in verschiedene Rollen schlüpfen. Sowohl in Videospielen als auch bei Drag gibt es ein Element von fantastischer Verkörperung. Mit jeder neuen Generation scheinen Videospiele nach immer noch realistischeren Grafiken zu streben. Beim Drag gibt es diese Idee der "Realität", die sich auf das eigene Aussehen bezieht. Ich schaffe den Realismus ab und erschaffe etwas Utopischeres. Sasha Velour, eine meiner Lieblings-Drag Queens, sagte einst: "Realness bores me, I’m a better pretender.“

Sie sagten, Sie sind in einer nicht sehr progressiven Gegend aufgewachsen. Wie sind Sie damit als Teenager umgegangen?

Die Menschen wussten, was mit mir los ist. Und ich wusste, was ich darf und was nicht. Ich habe mich also so gekleidet und benommen, dass respektvoll mit mir umgegangen wird. Das war für mich keine angenehme Erfahrung. Ich lebe heute in Halifax, das ist auch keine sehr große Stadt. Allerdings gibt es hier eine Kunstszene, die sehr aufgeschlossen ist und mich unterstützt.

Sie haben gerade Ihren Abschluss an einer Akademie gemacht. Haben Sie Pläne, Halifax zu verlassen und beispielsweise nach New York zu ziehen?

Gerade ist für mich eine Blase geplatzt. Ich komme besser damit zurecht, als ich erwartet hätte. Plötzlich kann ich nicht mehr auf die Infrastruktur der Universität zurückgreifen, ich muss mich um ein neues Studio und um mein Arbeitsmaterial kümmern. Ein Studio habe ich mittlerweile günstig gefunden. Hier gibt es kaum Jobs, weil alle direkt nach dem Abschluss die Stadt verlassen. Ich möchte noch ein Jahr hier bleiben, dann sehe ich weiter.

Wie wählen Sie die Medien aus, in denen Sie arbeiten?

Ich wähle meist das Medium aus, das mir für das Thema angemessen erscheint. Auch deshalb lehne ich vermutlich die Bezeichnung Instagram-Künstler ab. Ich möchte vielseitig bleiben. Aktuell arbeite ich beispielsweise an einem Videoprojekt. Ich habe als Kind ständig vor einem Computer gesessen, mir fällt es also leicht, neue Programme zu nutzen. YouTube-Tutorials sind hilfreich. So habe ich auch meinen Abschluss geschafft. (lacht)

Welche queeren Künstler empfehlen Sie?

Victoria Sin ist einer meiner größten Einflüsse. Sie sind Drag-Performer und Schriftsteller. In den letzten Jahren haben sie an dieser Serie mit einem Make-up-Entferner Tuch gearbeitet, um ihren Make-up-Look aus der Nacht zu drucken. Es ist eine wirklich schöne Art, eine Dokumentation einer Performance zu bewahren.

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Collecting myselves

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Apropos Instagram und Online-Zensur, ich muss an einen Fotografen denken, den ich schätze: Robert Andy Coombs. Seine Fotografie arbeitet an der Schnittstelle von Behinderung und Queerness. Er fängt schöne und zärtliche Momente ein. Leider wurde sein Instagram-Account kürzlich deaktiviert.

Unterscheidet sich Ihre digitale Identität von ihrem Auftreten im echten Leben?

Nein, ich habe keine Persona für meinen Instagram-Account erschaffen. Für mich gilt wohl immer: Just oversharing.

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i am Fun and Chill!! #aintbad

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