Es habe Auseinandersetzungen gegeben, hört man. Sie hätten sich gefetzt. Worüber genau? Das bleibt der Vorstellungskraft überlassen. Bei dem Gespräch zwischen Vater und Sohn über die Gestaltung des Eingangsbereichs wäre man zum Beispiel gern dabei gewesen. Dort steht in Johann Königs opulenten Galerieräumen normalerweise das große Regal mit den Büchern und vor allem dem Merchandise – kein Galerist in Berlin bespielt dieses populäre Marktsegment so virtuos wie er. Jetzt aber hängt hier eine große Wandarbeit der russischen Künstlerin Alisa Yoffe. Das hat er davon, wenn er seinen Vater fragt, bei ihm zu kuratieren: Schluss mit dem Kommerz – hier kommt die Kunst.
Die Konstellation ist unschlagbar: Die Familie König ist nun mal die bekannteste Kunstdynastie Deutschlands. Und während Kasper König, Ex-Museumsdirektor und Kuratorenlegende mit wachsendem Hang zum selbstironischen Exzentriker-Auftritt, klar die Rolle des Patriarchen und Übervaters einnimmt, bleibt für den Galeristensohn die Aufgabe, sich aus dem Schatten heraus zu kämpfen. Ein Profilierungs-Marathon, der absolviert werden will, bis vielleicht irgendjemand sagt: Ach, der König, ist das der Vater von dem berühmten Johann? David Zwirner, Sohn des Rudolf, hat es ja auch geschafft.
Im Handumdrehen überzeugend
Was das angeht, haben die Königs jetzt schon mal die Abkürzung genommen: "Curated by Johann’s Dad", heißt es auf der Einladung zur Sommerausstellung. Was kokett ist. Noch koketter ist allerdings der Titel der Schau. "What Beauty Is, I Know Not" heißt sie und zitiert damit Dürer, der am Ende seines Lebens schrieb: "Was aber die Schönheit sei, das weiß ich nit".
Der alte Fuchs von damals wusste genau wie der von heute, dass Schönheit sich nicht in Definitionen festnageln lässt. Aber Schönheit herstellen funktioniert dann doch ganz gut. Mit seiner Ausstellung in der König Galerie zeigt Vater Kasper nicht nur, was für kapitale Werke er spontan zusammen bekommt, wenn er mit dem kleinen Finger winkt – er lässt die Galerie auch im Handumdrehen so museal und überzeugend aussehen wie nie.
Die Hauptinspiration stammt vom Raum selbst, dem imposanten Schiff von Werner Düttmanns brutalistischem Kirchenbau. Wie ein Altarbild hängt Susi Pops pinke, großformatige Adaption von Théodore Géricaults monumentalem Historienbild "Das Floß der Medusa" an der einen Seite des großen Kirchenschiffs – es geht um das Projekt der Aufklärung, das in Zeiten der ökologischen Katastrophe und politischer Dummheit ähnlich unvollendet erscheint wie 1819, als Géricault die Geschichte vom Kannibalismus auf dem Rettungsboot malte.
Was macht der Künstler auf seinem Aussichtsturm?
Auf der anderen Seite des Kirchenschiffs hockt das Alter Ego des Künstlers Marko Lehanka schlapp und missgelaunt auf einer hohen Säule, die wie eine Mischung aus exotistischem Marterpfahl und Monument wirkt – es ist eine Adaption von Albrecht Dürers Holzschnitt "Bauernsäule", der als Hommage an die geknechteten Bauern des 16. Jahrhunderts gedacht war. Was kann ein Künstler heute noch erreichen, was macht er nur auf seinem einsamen Aussichtsturm?, scheint sich die Gestalt auf der Säule zu fragen.
Zwischen diesen beiden Polen versammelt König Werke von Künstlern und Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen, die gerade in ihrer Verschiedenheit und Offenheit zum starken Statement werden. Abstrakte Gemälde von Morris Louis und Olle Baertling aus den 50er-Jahren treffen auf eine neue, hochpolitische Gaze-Mauer von Alisa Baremboym, dazwischen windet sich ein moderner Laokoon aus Beton von Justin Matherly.
Hat sich gelohnt, der Ärger
Wenn man will, kann man auch die Vater-Sohn-Story wiederfinden: Da steht Thomas Hirschhorns "Flat Daddy (John Heartfield)" von 2008 und erzählt aus der Sicht des Nachgeborenen von all den Pappkameraden, die man vielleicht mal idolisierte. Andererseits: Geht es nicht darum, nachzufolgen, sich Vorbilder zu nehmen? Die Fanschals mit den Namen berühmter Künstler, ebenfalls von Thomas Hirschhorn, werfen ein Koordinatensystem an die Wand, das gleichzeitig Bekenntnis und Aufforderung ist.
Auf einem Gemälde von Nicole Eisenman schaut schließlich ein kleiner Junge mit der Aufschrift "I’m with stupid" auf dem T-Shirt etwas hilflos auf sein nacktes, schon viel zu erwachsenes Geschlechtsteil hinab. Sie haben’s schwer, die kleinen und die großen Jungs, die sich ständig was beweisen müssen. Aber sie wissen es, und machen was draus. Papa Kurator hat gezeigt, was er kann. Und Sohn Galerist hat eine einzigartige Sommerausstellung bekommen. Hat sich doch gelohnt, der Ärger.