Fahrrad-Architektur-Biennale

Grüne Wege auf buntem Grund

Durchs Wasser radeln und an Baumwipfeln vorbeigleiten: Bei der Bicycle Architecture Biennale wird innovative Architektur für Radfahrer gezeigt

Prognosen der Vereinten Nationen zufolge werden bis 2030 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Das Amsterdamer Unternehmen Bycs hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Es will dafür sorgen, dass die Milliarden Personen, die sich in etwas mehr als einer Dekade durch den urbanen Raum bewegen werden, die Hälfte ihrer Wege mit dem Fahrrad zurücklegt. Bycs-Mitbegründer Lee Feldman sieht das Fahrrad angesichts der vom Stadtverkehr verursachten Emissionen als "200 Jahre alte Lösung mit Zuwachsraten, die jeden Silicon-Valley-Investor zum Sabbern bringen würden". Damit jene Raten weiter steigen, unterstützt Bycs Städte und Unternehmen dabei, fahrradfreundlicher zu werden. 

Jeder, der schonmal durch den Stadtalltag geradelt ist, weiß, dass es einen gehörigen Unterschied macht, ob man über glatt asphaltierten Radweg zu seinem Ziel gleitet oder zwischen Lieferwagen eingepfercht um Atemluft und Sichtbarkeit ringt. Der Soziologe Lucius Burckhardt diagnostizierte bereits in den 80er-Jahren, das Auto habe sowohl die Städte als auch die Gesellschaft zerstört. Angesichts der von isolierten Autofahrern verstopften Innenstädte ist seine Diagnose nach wie vor aktuell. Architektur setzt Anreize und schafft Gewohnheiten, und die meisten Ballungszentren begünstigt sie ganz klar den PKW-Verkehr. Dass es auch anders geht, will Bycs mit seiner Fahrrad-Architektur-Biennale zeigen.

Naturbegegnungen auf Augenhöhe

15 architektonische Projekte stellt die Wanderausstellung vor, die unter anderem Halt in Oslo machen wird. Im belgischen Limburg bietet eine Fahrradroute quer durch einen See und entlang der Baumwipfel Naturbegegnungen auf Augenhöhe, in Auckland wird der tägliche Arbeitsweg dank einer Lichtinstallation, die mit tausenden pulsierenden LEDs auf Bewegungen reagiert, zum besonderen Erlebnis. Vielerorts wird das Radfahren durch architektonische Interventionen überhaupt erst möglich – beispielsweise im chinesischen Xiamen, wo die mit acht Kilometern längste Fahrradbrücke der Welt es erlaubt, über Verkehrschaos und Abgase hinwegzuradeln.

Die meisten der vorgestellten Projekte stammen aus den von einer starken Fahrradkultur geprägten Niederlanden. So ermöglicht beispielsweise das größte Fahrradparkhaus der Welt am Utrechter Bahnhof Pendlern einen nahtlosen Übergang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Durch bodentiefe Fenster dringt Tageslicht in das monumentale Gebäude, elektronische Lichtsignale verraten den Fahrern, wo sich der nächste freie Stellplatz befindet. Radfahren wird hier zur attraktiven Lifestyle-Erfahrung – ein Zustand, von dem Deutschland vielerorts noch meilenweit entfernt ist.

Machbarkeitsstudie in Berlin

Vier der gezeigten Projekte existieren bislang nur auf dem Konzeptpapier, darunter auch der 2014 hitzig diskutierte Rhein-Ring, der die beiden Kölner Rheinufer durch eine stromlinienförmige Brücke verbinden sollte. Eine markante Radfahrer- und Fußgängerbrücke als Teil der Skyline hätte Köln symbolisch zur Fahrradstadt erhoben, passte den Gegnern zufolge jedoch nicht zum historischen Stadtbild. Auch die von der Berliner U1-Brücke überdachte Radbahn ist aktuell noch Utopie, wird aber bald im Rahmen einer Machbarkeitsstudie probehalber in die Realität umgesetzt. 

Die Fahrrad-Architektur-Biennale zeigt, wie spielerisch, bunt und kreativ die Verkehrswende aussehen kann. Es bleibt zu hoffen, dass sie möglichst vielen Städten als Inspirationsquelle dient, um fernab von E-Scooter-Bergen einen lebenswerteren und nachhaltigeren Stadtraum zu schaffen.