Feministische Pionierin

Die Kunstwelt trauert um Toni Morrison

Die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison hat nicht nur wegweisende Bücher geschrieben, sondern Künstler auch zum Glauben an ihr eigenes Schaffen ermutigt. Viele bedanken sich nun nach ihrem Tod für die Inspiration

Einen Tag nach dem Tod der US-Autorin Toni Morrison trauert auch die Kunstwelt um die feministische Pionierin und Nobelpreisträgerin für Literatur. In den Hommagen, die vor allem in den sozialen Medien geteilt wurden, drückt sich vor allem Dankbarkeit aus: für ihre Beschreibungen von Erfahrungen schwarzer Protagonistinnen in einer sexistisch und rassistisch geprägten Gesellschaft, aber auch für Morrisons Ermutigungen, ein Leben selbst zu gestalten und in die eigene Schaffenskraft zu vertrauen. Die Schriftstellerin hat eine Sprache für Selbstermächtigung gefunden, die bei Künstlern auf große Resonanz trifft. "Wenn es ein Buch gibt, das du gern lesen würdest, und es gibt dieses Buch noch nicht, dann musst du es schreiben", ist eines der Zitate, das immer wieder geteilt wird. 

Die US-Künstlerin Kara Walker hat nach der Nachricht von Morrisons Tod im Alter von 88 Jahren sogar ein spontanes Porträt der Autorin aus Ton geschaffen. "Es ist aus dem Geist des Tages entstanden", schrieb sie auf Instagram. "Ich habe von Mrs. Morrison so viel übers Bildermachen gelernt. Und ich bin so dankbar für ihre Existenz während unserer Lebenszeit."

Auch die Berliner Künstlerin Candice Breitz nannte Toni Morrison ihre "Lehrerin", auch wenn sie sie nie getroffen habe. Sie wies darauf hin, wie relevant Morrisons Gedanken zum Thema Selbstbestimmung von Frauen über ihre Körper noch immer ist.

Die norwegische Künstlerin Frida Orupabo teilte - mit gebrochenem Herz-Emoji - eine Passage aus Morrison's Roman "The Bluest Eye" ("Sehr blaue Augen") von 1970, in dem es um den Wunsch eines schwarzen Mädchens nach Zugehörigkeit geht, in dem aber auch Selbstliebe und Widerstand thematisiert werden. "Wir ordneten Leben neu und nannten das Wahrheit", heißt es darin. "Und in einem neuen Muster einer alten Idee sahen wir die Offenbarung und das Wort."

 

 

Die National Portrait Gallery in Washington erinnerte mit einem Porträt an die Verstorbene, das Robert McCurdy 2006 von Toni Morrison gemalt hat, und das bis Ende 2019 in der Ausstellung "20th Century Americans" hängt. Der Maler zeigt Morrison in hyperrealistischem Stil vor einem neutralen weißen Hintergrund. Das Gemälde verlässt sich ganz auf die stolze Haltung und die Ausstrahlung der Autorin, die den großzügigen Weißraum auf der Leinwand mühelos ausfüllen kann. "Von Anfang an würdigte sie die Erfahrungen von Afro-Amerikanern" schrieb das Museumspersonal auf Instagram über Toni Morrison. "Wir sind traurig." 

Der Kunstkritiker Jerry Saltz verabschiedete die Autorin, die auch viel über Kunst in Zeiten politischen Aufruhrs geschrieben hat, mit einem ihrer eigenen Zitate zum Thema Tod: "Wir sterben. Das mag der Sinn des Lebens sein. Aber wir erschaffen Sprache. Das soll das Maß unseres Lebens sein."