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Fotografin rekonstruiert mit Nachfahren alte Familienfotos

Mit ihrer Arbeit lässt sie Menschen für einen kurzen Moment in die Haut ihrer Ahnen schlüpfen: Die Dokumentar- und Kunstfotografin Orly Zailer rekonstruiert jahrzehntealte Familienfotos mit den Kindern, Enkeln und sogar Urenkeln der Porträtierten

Für einen Moment lang dieselben Kleider und Frisuren tragen, die gleiche, unbeschwerte Pose einnehmen und sich in die Gedanken einer anderen Zeit hineinversetzen – mit ihrem Fotoexperiment ermöglicht die israelische Fotografin den Familienmitgliedern einen ganz besonderen Dialog, gegen die Zeit. Zwischen den Originalen und ihren liebevollen Neuinszenierungen liegen manchmal 27, manchmal sogar 100 Jahre – einige ihrer Protagonisten lernten ihre Doppelgänger nicht mehr kennen. Dennoch sind die Ähnlichkeiten der Generationen, ihr Ausdruck und ihre Haltung, erstaunlich, befinden sie sich erst einmal im reinszenierten Setting.

Mit einer sichtlich großen Liebe zum Detail und aufwendigen Möbel- und Kleiderrecherchen wurden die Szenerien der Familienfotos nahezu identisch nachgebaut. Eine junge Frau verwandelt sich in das Abbild ihrer bereits früh verstorbenen Mutter, ein Mann, umgeben von Requisiten eines anderen Jahrhunderts, nimmt stolz die Pose seines Urgroßvaters ein. Die Werkserie setzt sich nicht nur mit den offensichtlich weitergegebenen Genen ihrer Vorfahren auseinander, sondern auch mit der vererbten Kultur einer jeden Familie. Zailer, die sich in Tel Aviv sogar zur Fototherapeutin ausbilden ließ, stellt in dieser Vergegenwärtigung eines oftmals von Krankheit, Scheidung oder Tod verfolgten Moments, Fragen zu Identität, Erinnerung und Vergänglichkeit.

Mit der Reinszenierung einer Fotografie ihrer eigenen Eltern startete Zailer das Projekt 2012 im Rahmen ihres Fotografie-Studiums in London, zunächst unter dem Titel "The Time Elapsed Between Two Frames". Es folgten weitere Familienfotos, dann Fotos von Freunden und von Nachbarn.

Im Rahmen der Fotoreihe "Inn Situ" im BTV Stadtforum in Innsbruck wurde die zurückgezogen in Isreal lebende Künstlerin im letzten Jahr schließlich eingeladen, ihre Werkserie in Österreich fortzusetzen. Nach einem öffentlichen Aufruf in Tirol und Vorarlberg erreichten sie die Einsendungen zahlreicher Familienfotos der Region. Im persönlichen Gespräch mit den Nachfahren traf sie eine Auswahl und verbrachte zehn Monate damit, den historischen Vorbildern ähnelnde Aufnahmeorte, Kleidungsstücke und Einrichtungsgegenstände zu finden. So entstanden 20 neue Arbeiten, die nun im BTV Stadtforum zu sehen sind.

Monopol zeigt eine Auswahl der neuen Fotografien von Orly Zailer vorab in der Bildstrecke oben.