Ausstellung in Berlin

Noch mehr SPD-Versager-Folklore

Eine Gruppenausstellung in der Berliner Zwinger Galerie sucht "Die Zukunft der SPD". Zur Sozialdemokratie kann jede und jeder locker etwas sagen, ohne sich verdächtig zu machen. Oder ist es doch nicht so einfach?

Wer hat uns gebraten? Sozialdemokraten! Wenn ich ein Würstchen oder ein Künstler wäre, würde ich ein Bild davon malen. Denn was man über die Sozialdemokratie sagt, schimpft, klagt und ätzt, sagt man auch immer über sich selbst, so sehr ist der sozialdemokratische Gedanke mit allem und jedem verwebt, ob Würstchen, Freund oder Verräter.

Deshalb kann eine Gruppenausstellung über "Die Zukunft der SPD" in der Alt-West-Berliner Zwinger Galerie stattfinden, mit vielen bekannten und wenigen nicht so bekannten Beitragenden, ohne dass gleich eine Schau über die Christsozialen, den Liberalismus oder die Grünen folgen muss. Zur Sozialdemokratie kann jede und jeder locker etwas sagen, ohne sich verdächtig zu machen. Oder ist es doch nicht so einfach? Als ich den Kurator Hans-Jürgen Hafner frage, ob er Genosse ist, antwortet er "vielleicht".

Der von Kommunisten erzogene Berliner Maler Norbert Bisky ist sicher kein Sozialdemokrat, aber wenn man sein buntes, spaciges Porträt des neuen SPD-Vizevorsitzenden Kevin Kühnert betrachtet, dann ist dieses kleinformatige Bild, das noch nass in die Galerie eingeliefert wurde und nur den Titel "K." trägt, sicher der Beginn einer neuen sozialistisch-sozialdemokratischen Verknalltheit. Hoch, zu höheren Zielen, sind die Augen des Helden K. gerichtet - K. wie Kevin, wie Kühnert, vielleicht auch wie Karriere, Knackarsch oder Kanzler?

Bisky entnahm den himmlischen Blick der Bildsprache sozialistischer Heldendarstellungen, schon seit seinen Anfängen als Malerstar der Nullerjahre arbeitete Bisky sich am sozialistischen Realismus und kernigen Jungenkörpern ab. Damit konnte er Sammler wie den verstorbenen FDP-Politiker Guido Westerwelle für sich interessieren. Nun präsentiert Bisky Kühnert als Helden ohne Körper, nur Antlitz.

Steffen Zillig dagegen erkennt in den heutigen Akteuren keine Helden, sieht aber eine Heldenaufgabe auf die Partei zukommen. Auf seinem Plakat steht ein comichaft gezeichnete Captain Picard – ja, der aus Star Trek – inmitten deutscher Wutbürger und Politiker (Sarrazin, Palmer, Wagenknecht sind diffus erkennbar) – ein rotes Hemd tragend, als Fels in der Brandung. "Entspannungspolitik THE NEXT GERENATION" steht darüber. Zillig ist einer der wenigen hier, der überhaupt eine Aufgabe für eine zukünftige SPD formuliert. 33 Künstlerinnen und Künstlern – darunter einige Duos – wurden von den Kuratoren Hans-Jürgen Hafner (Kunstkritiker) und Gunter Reski (Künstler, Professor für Malerei) um ihren Beitrag zur Ausstellung gebeten. Die meisten sollten nur ein Plakat entwerfen, denn die Zwinger Galerie verfügt zwar über hohe Wände, aber nur begrenzte Räumlichkeiten. 

Die Plakate sind – in zwei Reihen übereinander geleimt – auf der ersten Blick erstaunlich trist anzusehen, doch es lohnt sich, die Unterschiede wahrzunehmen, wenn es einem diese Präsentationsform auch nicht leicht macht. Viel rote Farbe kommt bei diesem Thema naturgemäß auf die Fläche, aber erstaunlicherweise setzen die Künstler mindestens genauso viel lila und rosa ein, wie Michaela Meise mit ihrer seltsamen Collage "Das Prekariat wählt SPD", wo Jobber mit den Worten "Hey Barista, Yoga-Lehrer, Putzhilfe, Babysitterin" angekumpelt wie auch abgeschreckt werden.

"Hol mir mal ne Flasche Bier (Schluck schluck schluck ok)" hat Alex Wissel die unsterblich durstigen Worte des Altkanzlers Gerhard Schrödes auf ein altes Joseph-Beuys-Diagramm zu direkter Demokratie gekritzelt. Claudia Kugler variiert den Parteinahmen SPD in ÖSPD, ESPG, dsd, SPFF, ZSD und probiert verschiedene Schriften und Farben aus, das ist zum Haare raufen kleinkariert – ist das die Zukunft der SPD, die elende Vermarktung ihrer verschiedenen Schnittstellen? 

Peter Piller gibt sich müde und abweisend, indem er auf seinem Plakat eine graue Seite aufschlägt, unter der schon der nächst Murks hervorlugt, dazu steht in roten Lettern in der Ecke "ach genossen". Ach peter!

Natascha Sadr Haghighian, die zuletzt den deutschen Pavillon der Venedig Biennale als Natascha Süder Happelmann bespielte, schickt ein Boot, das sie aus einer Gewerkschaftszeitung gefaltet und auf ein weißes Plakat appleziert hat, auf eine Fahrt ins Ungewisse. Trostlos ist gar kein Ausdruck, aber gilt das jetzt für diese Plakatidee oder die alte Tante SPD? Ist die Partei nicht sexy Muse genug, um tolle Ideen zu befeuern?

Einer, der aus dem Elend von Entfremdung, Langeweile und Enttäuschung etwas geradezu Sinnliches machen kann, ist Claus Föttinger, der aus einer biographisch geprägten SPD-Bildersammlung eine Lampe bastelte. Fotos der alten Garde um Herbert Wehner, Helmut Schmidt, Brandt, Annemarie Renger wurden laminiert, und in der Art eines Fußballs mit Hilfe von Kabelbindern miteinander vernäht. Um diesen inneren Kern ist eine zweite Hülle gesetzt, auf der die Protagonisten der Gegenwart – Nahles, Schulz, das Doppelwesen Esken/Nowabo – nur noch mit Filzstift gezeichnet sind, als flüchtig gekritzelte Gestalten, die nicht mehr die Einprägsamkeit der alten Recken besitzen und auch nicht der Mühe wert sind, aus Zeitungsartikel ausgeschnitten und laminiert zu werden. Im Inneren der Lampe glimmt ein rotes Licht, das seine sinnliche Wirkung besser verbreitet, wenn der Galerist das Deckenlicht ausschaltet.

Der Bildhauer Manfred Pernice hat eine alte Juweliers-Vitrine, die er bei einer Geschäftsauflösung am Kreuzberger Mehringdamm erstanden hat, mit Samt ausgelegt und drei Krawatten etwas altvätrisches darin drapiert, so dass sie das Wort SPD ergeben. Die erste Krawatte ist rot-gelb, die zweite rot-schwarz mit Schneemänner (aha, das Abschmelzen der Wählerstimmen während der GroKo, sieh an), und die dritte ist rot-grün. Während der Vernissage legte der Künstler persönlich noch einen roten SPD-Kugelschreiber auf die Vitrine, auf den der Galerist fortan gut aufpassen muss, so ungeschützt liegt er da.

SPD-Kugelschreiber gibt sonst auch an den vielen Infoständen, die die Ortsvereine samstags in den Geschäftsstraßen aufstellen, um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, sich von ihr beschimpfen – oder wie zuletzt in Berlin durch die allseits beliebte Mietpreisbremse – auch mal loben zu lassen. Lutz Braun stellt trotzdem einen abgebrochenen roten Schirm auf und bemalt ihn von innen mit Rudi Dutschke, Rosa Luxemburg und dem verblutenden Benno Ohnesorg. Auch dies ist nur SPD-Versager-Folklore.

Die an staatlichen Kunsthochschulen ausgebildeten und mit zahlreichen internationalen Stipendien und Förderpreisen ausgezeichneten Künstler und Künstlerinnen, die sich hier in der Galerie zu diesem Zukunftsmassaker versammelten, ahnen wohl, dass sie der Sozialdemokratie mehr verdanken als dem Konservatismus oder der grünen Ökobewegung, aber eine persönliche Nähe lässt kaum jemand erkennen, und wenn, dann ist sie nur unter großen Mühen dechiffrierbar. Die Fotografin Heidi Specker verballhornt das ikonische Willy Brandt-Poster von 1976, auf dem Willy nach einer Wanderung Mandoline spielt, indem sie ihm einen Joint ansteckt, aus seinem Hemd Kettchen baumeln lässt, und ihm die Füße von Dick und Doof drunterklebt. Gleichzeitig rahmt sie sein Gesicht und erinnert daran, dass dies ein Held zum Anfassen war, der auch von Kiffern, Vierbeinern und Träumern sehr geliebt wurde.

Immerhin Ina Wudtke markiert mit ihren Videos und einem Plakat eine aktuelle politische Baustelle, um die sich die sogenannte Mieterpartei dringender kümmern sollte. "Rekommunalisierung plus – Mieterräte sind ein Muss!" skandiert sie mit einer Kreuzberger Aktivistengruppe am Kottbusser Tor.

 

Die Kuratoren Hafner und Reski haben zwar darauf geachtet, dass Frauen und Männer ungefähr gleich vertreten sind, unter ihrem Radar aber blieb es, Beiträge von migrantischen KünstlerInnen anzufragen, was im Hinblick auf die Zukunftsfrage vielleicht ergiebiger gewesen wäre, zumal für die historischen Gastarbeiter der Nachkriegszeit und deren Kinder und Kindeskinder die SPD ein wichtiges politisches Organ geblieben ist. Innerhalb der Berliner SPD ist die Arbeitsgruppe Migration – liebevoll "AG Mig" genannt – mittlerweile die zweitgrößte Gruppierung nach den Jusos. Was darauf hindeuten könnte, dass von dort in den nächsten Jahren wichtige Impulse zu erwarten sind, und diese Strömung sich vielleicht sogar an die einflussreiche AG Sozialdemokratischer Juristinnen (ASJ) heranrobben kann. Aber das sind noch verborgene, interne Kämpfe von denen diese Gruppenschau sozialdemokratischer Gourmets nichts weiß oder wissen will.