Herr Schnabel, „Miral“ handelt von einer palästinensischen Waisen, die den Nahostkonflikt unmittelbar miterlebt. Sie sind jetzt 59 und als Sohn jüdischer Eltern in Brooklyn und Texas aufgewachsen. Ihre Mutter hat sich für den Zionismus eingesetzt. Ist „Miral“ Ihr persönlichster Film?
Alle sind sehr intim, ich identifiziere mich mit der Hauptfigur in „Basquiat“ genauso wie mit dem kleinen Mädchen in „Miral“. Zugleich war es der Film, der am weitesten von mir weg war, weil ich mich nie als politischen Experten verstanden habe. Doch als ich das Buch von Rula Jebreal gelesen habe, auf dem „Miral“ beruht, fühlte ich mich plötzlich verantwortlich. Wer seine Augen verschließt, macht sich mitschuldig. Und wenn ein Muslim sieht, wie ein Jude seine Situation versteht, ist das ein erster Schritt. Vielleicht naiv, aber ich hatte das Gefühl, es könnte kein wichtigeres Thema für mich geben – das zudem niemand verfilmen wird, wenn ich es nicht tue.
Bei der Uraufführung in Venedig wurde „Miral“ von der Presse teils heftig kritisiert. Hat Sie das überrascht?
Ich verstehe diese Reaktionen bis heute nicht. Bei der Premierengala hatten wir 15 Minuten Ovationen im Stehen, und wenn ich nicht irgendwann den Saal verlassen hätte, würden die jetzt noch klatschen. Ich selbst lese keine Kritiken, verblüfft war ich trotzdem. Vielleicht hätte mir die Brisanz des Stoffs klar sein sollen. Aber ich mache nichts, um jemand anderem zu gefallen oder ökonomisch erfolgreich zu sein. Natürlich will ich, dass möglichst viele Leute ins Kino gehen. Nicht um des Geschäfts willen, sondern weil ich auf das Problem dort aufmerksam machen will und wir es lösen müssen. Nach „Schmetterling und Taucherglocke“ hätte ich in Hollywood alles übernehmen können. Mir wurden „American Gangster“ und „Catch Me If You Can“ angeboten, doch dafür braucht mich niemand. Und ich interessiere mich nicht für solche Filme.
Kommerzielle Anerkennung kümmert Sie wirklich nicht?
Wenn ich jetzt Ja sage, klingt es wieder so, wie man mich gern kategorisiert: arrogant, selbstzufrieden. Als ich anfing, Filme zu drehen, hieß es: „Ach, die Kunstwelt ist ihm wohl zu klein geworden.“ Dann, nachdem das gut ankam: „Regie führen kann er besser als malen.“ Falsch. Die Leute in der Filmbranche haben keine Ahnung von meiner Kunst. Aber mir ist es egal, ob diese Welten zueinanderfinden. Mein Ansatz gleicht eher dem von Joseph Beuys, der die Türen der Akademie offen ließ, damit jeder Neugierige hineinkonnte.
Sie machen außerdem Polaroids. Wie beeinflussen sich die verschiedenen Genres in Ihrer Arbeit?
Wenn ich eine Person male oder fotografiere, mache ich das Bild mit ihr zusammen. Genauso verhält es sich beim Kino. Wenn ich mit Freida Pinto oder Javier Bardem drehe, steht da zwar „Ein Film von Julian Schnabel“, doch eigentlich ist es eine Koproduktion. Ich glaube, die Art, wie ich bei Porträts auf Details achte und dem Porträtierten gerecht werden will, hat großen Einfluss darauf, wie ich mit Schauspielern arbeite. Es geht um Vertrauen, das Leuten erlaubt, vor meinen Augen völlig offen und verletzlich zu sein. Und ich schütze sie.
Als was sehen Sie sich hauptsächlich?
Ich hatte nie vor, Fotograf zu werden, ich bin auch keiner. Ich strebe keine Laufbahn als Regisseur an. Bei der Malerei handelt es sich genauso wenig um eine Art Karriere. Ich muss es tun, ob ich damit Geld verdiene oder nicht. Wenn ich keinen Film mehr machen könnte – absolut okay. Aber nie wieder malen … das wäre ein Problem, zumindest für die Menschen, die mich dann zu ertragen hätten. Ich könnte nichts mit mir anfangen.
Julian Schnabel der seinen Film "Miral"