Nicole Berry im Interview

"Die Armory Show ist und bleibt die New Yorker Kunstmesse"

Foto: Terry Wolff
Foto: Terry Wolff
Nicole Berry

Als Armory-Chef Genocchio im November vergangenen Jahres der sexuellen Belästigung von Kolleginnen bezichtigt wurde, folgte seine Stellvertreterin Nicole Berry ihm nach – und erbte die Aufgabe, die Traditionsmesse im umkämpften New York weiter zu festigen

Die 1994 gegründete Armory Show ist New Yorks älteste Kunstmesse und hatte doch in den letzten Jahren immer wieder zu kämpfen: In der eigenen Stadt macht ihr die Frieze zu schaffen, und an die Art Basel Miami Beach als wichtigste Messe Nordamerikas kommt sie nicht heran. Im Herbst vergangenen Jahres erschütterte dann noch ein Skandal die Armory: Messedirektor Benjamin Genocchio musste sein Amt wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung räumen. Keine leichte Aufgabe also für Nicole Berry, die 2016 als seine Stellvertreterin kam und jetzt die Messe leitet.

Nicole Berry, Sie leiten die Messe erst seit fünf Monaten. Wird es schon sichtbare Veränderung bei der kommenden Armory Show geben?
Seitdem ich 2016 als stellvertretende Direktorin bei der Messe anfing, war es mein Ziel, die Armory Show zu einem wirklichen Treffpunkt für Kuratoren und Künstler zu machen, einen Ort für den Austausch von Ideen. Als ich im November die Leitung übernahm, waren viele dieser Ideen schon auf dem Weg. Zum Beispiel wird es in diesem Jahr zum ersten Mal den "Curatorial Leadership Summit" geben: eine Plattform, auf der Kuratoren sich über heutigen Herausforderungen austauschen können. Bei diesem Symposium, das von Naomi Beckwith geleitet wird, wird es um kulturelle Aneignung, Zensur und Repräsentation gehen. Unter anderem werden Coco Fusco und Olga Viso mitdiskutieren, über 80 Kuratoren aus aller Welt kommen.

Und die Messe selbst?
Ich wünsche mir, dass die Armory Show eine größere Ernsthaftigkeit bekommt, mit mehr herausfordernden und anspruchsvollen Werken. Zusammen mit unseren Kuratoren Gabriel Ritter und Jen Mergel haben wir dafür die Sondersektionen Focus und Platform erweitert und verbinden Pier 92 und 94 zu einer einheitlichen Messe für Moderne und Zeitgenössische Kunst.

Was ändert sich für die Galerien?
Wir wollen direkt auf eines der meist diskutierten Probleme der Kunstwelt heute eingehen und die jungen und und mittleren Galerien stärken. In der Sektion Presents mit Galerien, die nicht älter als zehn  Jahre sind, haben wir die Kojenpreise um 30 Prozent gesenkt. Und seit 2017 gibt es einen mit 10 000 Dollar dotierten Preis für die beste Koje bei den Presents.

Wie kann sich die Armory von ihren Konkurrenten wie der Frieze oder auch den internationalen Ausgaben der Art Basel  abheben?
Die Armory Show ist und bleibt die New Yorker Kunstmesse. Hier wurde sie 1994 gegründet, und 24 Jahre später ist sie die bestbesuchte Messe New Yorks und die zweitgrößte Nordamerikas, nach der Art Basel / Miami Beach. Keine andere New Yorker Messe hat so viele internationale und amerikanische Sammler, und die Galerien profitieren davon, dass die Sammler mehrmals kommen können, um zu kaufen. Außerdem haben wir eine gute Verbindunge zu den wichtigen Institutionen des Landes: Das Museum of Modern Art zum Beispiel feiert die Eröffnung der Messe jedes Jahr mit einem Gartenfest. Wir können die Kunstszene New Yorks für uns nutzen, von Studiobesuchen bei Künstlern bis zu großen Auftragsarbeiten auf der Messe und einem Talkprogramm mit renommierten Künstlern und Theorerikern. Und New York ist die kulturelle Hauptstadt der Welt.

Die Kunstszene wird gerade erschüttert von den Debatten um #metoo und um ethnische Diskriminierung, der Ruf nach mehr kultureller Vielfalt wird lauter. Wie kann eine Messe darauf eingehen?
Kultur ist immer ein Ort für den Wandel. Die Messe soll für Diskurs und Austausch sorgen und eine möglichst diverse Bandbreite an Kunst zeigen. Wir sind stolz, dass 198 Galerie aus 31 Ländern in diesem Jahr vertreten sind, und unsere Kuratoren haben viele Galerien auf die Messe gebracht, die sonst vielleicht nicht hier gewesen wären. Gabriel Ritter hat in die Focus-Sektion Künstler aus 18 Länder gebracht, darunter Guatemala, Pakistan, die Philippinen und der Iran. Besonders freue ich mich darauf, dass der Graffiti-Künstler JR in diesem Jahr ein neues, sehr politisches Werk präsentieren wird, das die Leute vom West Side Highway aus sehen werden. Hier geht es nicht mehr ums Geschäft, sondern darum, wie Kunst in die Stadt hineinwirken kann.