Was hat die Kunst von Nicolas Party mit Dantes "Göttlicher Komödie" zu tun? Seine temporären Wandbilder im Museum Frieder Burda in Baden-Baden handeln von der drohenden Auslöschung der Menschheit und reihen sich in die lange Tradition dystopischer Vorahnungen ein. Schade nur, dass sie nicht zur Metapher für die Gegenwart taugen.
Ein winziges Gemälde von einem schlafenden Säugling, das wie der Mittelteil eines Triptychons aussieht, zieht im ersten Saal des lichtdurchfluteten Gebäudes von Richard Meier die Blicke auf sich. Das Neugeborene ist in goldenen Stoff gehüllt und in der Art von Andachtskunst der italienischen Renaissance gerahmt.
Konkurrenz auf der weißen Wand muss es nicht fürchten. Weit und breit nur Leere, das Leben dieser Kreatur beginnt einsam. Und die Aussichten für die Zukunft sehen nicht gut aus. Auf der rechten Seite brennt es wie in Dantes "Inferno". "Red Forest" heißt das monumentale, mit Pastellkreide direkt an die Wand gemalte Drama einer im rot-gelb-orangenen Feuer verglühenden Natur. "Waldbrände gehören zu den optisch auffälligsten Ereignissen unserer Zeit", sagt Nicolas Party. "Naturkatastrophen gab es aber schon früher, erschreckend, aber auch schön."
Was, wenn die Menschheit ausstirbt?
Der ebenso gewaltige Wasserfall gegenüber gehört vor allem in die zweite Kategorie. Die Hügel sind saftig grün, das Wasser kristallklar. Eine Flaschenpost aus der Vergangenheit, als der Mensch mit seinen Eingriffen noch nicht das Unheil eines aus dem Gleichgewicht geratenen Planeten zu verantworten hatte? Dass man zwei Stockwerke höher im Mesozoikum landet, als die Dinosaurier die dominierende Spezies auf allen Kontinenten waren, ist also kein Zufall.
Wieder sind die Ausmaße dieser skurrilen Tierporträts mehr als bescheiden, man muss ganz nah herankommen, um den menschelnden Landwirbeltieren bei einem romantischen Vollmond-Bad am wüstenartigen Strand zuzuschauen.
Da das Klima im Mesozoikum immer feuchter wurde, teilten sich die Kontinente auf und ein Meteorit sorgte wahrscheinlich für ein Massensterben vieler Tier- und Pflanzenartenarten, darunter auch der Dinosaurier. Man kommt nicht umhin, in Analogie zu diesem Verschwinden die Frage zu stellen, was wohl kommen wird, wenn die Menschheit, repräsentiert durch das gigantische Porträt einer rothaarigen, wie erstarrt wirkenden Frauenfigur vor rosa Hintergrund, ausstirbt?
Grüße von Alice im Wunderland
Mit seinen virtuosen Pastellzeichnungen, die die Traditionen des Stilllebens, der Landschafts- und der Porträtmalerei in farbenfroher Intensität aufgreifen und zugleich herausfordern, hat sich der in Lausanne geborene und in New York lebende Party in kürzester Zeit nach oben katapultiert. Die Bilder und Skulpturen des Ex-Graffiti-Malers erreichen längst Millionenhöhen, eine atelierfrische Landschaft verkaufte sich auf der letzten Paris+ par Art Basel bei Hauser & Wirth für 955.000 US-Dollar.
Der merkantile Erfolg ist nicht schwer zu erklären: Das verspielte Universum ist leicht zugänglich und wirkt stimmungsaufhellend, macht sich auch in einem Kinderzimmer gut, wenn violette Katzen Menschengesichter tragen und knallbunte Obstberge pittoresk verfaulend ihre Form verlieren. Alice im Wunderland lässt grüßen.
Für den 43-jährigen Marktliebling ist es offenbar aber auch höchste Zeit, sein psychedelisch-verträumtes Werk hier und da mit der Prekarität des menschlichen Lebens zu konfrontieren. Bisher geistert eine Marlene Dietrich ebenso scharf konturiert durch die Bilder wie Magritte, flankiert vom neusachlichen Maler Georg Schrimpft oder Salvo mit seinen Volkskunst-Anklängen. Wirklich Belastendes muss man aber auch in der letzten von Udo Kittelmann im Museum Frieder Burda kuratierten Ausstellung nicht fürchten.
Liebliche Unheimlichkeiten
Die mittlere Etage setzt das Spiel mit Größenordnungen fort und mischt Beispiele für Partys androgyn-blauhäutige Gestalten mit Ruinenzitaten, Bergpanoramen, Kupfergrundgemälden und mittelalterlich angehauchten Altären auf Sockeln, die statt metaphysischem Schrecken liebliche Unheimlichkeit verbreiten. In dieser Umgebung lässt sich der Untergang aushalten.
Dass der einem Song der Eurythmics entnommene Ausstellungstitel "When tomorrow comes" die Tür zur nahenden Katastrophe nicht wirklich aufreißt, passt zu einer Kunst, die intakt bleiben möchte. Und die prähistorischen und heutigen Dinosaurier ihrem Schicksal überlässt.