"Die multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion der Intellektuellen." Wie in einer billigen PowerPoint-Präsentation dreht sich die schwarze Schrift vor weißem Grund. Projiziert auf den Boden des Eingangssaals der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, jagt ein Zitat das nächste. Der Künstler Mario Pfeifer, 1981 in Dresden geboren, hat diese Aussagen gesammelt – eine Auswahl der verknappten Argumente, mit denen in den Medien über Flüchtlinge und Pegida diskutiert wird.
In seiner Ausstellung "Explosion" zeigt Pfeifer, dass man es anders machen kann. Statt zu verkürzen, nimmt er sich Zeit und lässt seine Gesprächspartner von sich und ihren Erfahrungen erzählen. Für seine Videoinstallationen geht er monatelang auf Reisen, recherchiert und dreht, in Feuerland, den USA oder seiner sächsischen Heimat.
Zuletzt war Mario Pfeifer in Brasilien unterwegs, dem Land mit der größten religiösen Vielfalt der Welt. Das spiegelt sich in seinem 45-minütigen Film "Corpo Fechado", in dem drei spirituelle Führer erklären, woran sie glauben: von heilenden Energien aus dem Weltall bis zu Masken, die ihre Träger in göttliche Wesen verwandeln. Eine Meinung über die Porträtierten und ihre Lehren müssen sich die Besucher selbst bilden.
Pfeifers Arbeit über Pegida, entstanden im Auftrag der GfZK, funktioniert ähnlich. Mehr als neun Stunden Interviewmaterial hat der Künstler gesammelt und mit Menschen aus Sachsen gesprochen – zum Beispiel mit dem ehemaligen Pegida-Vizechef René Jahn. In voller Länge, ohne Schnitte, schaut und hört man ihm zu, wie er von seinen Ängsten erzählt. In den letzten Jahren habe er das Gefühl, es gehe zu Ende mit der Demokratie in Deutschland. "Die Etablierten" oktroyierten Entscheidungen. Dagegen müsse man auf den Montagsdemonstrationen der Pegida kämpfen, so wie 1989 gegen die DDR-Diktatur.
Immer wieder hat man als Betrachter den Wunsch, René Jahn zu widersprechen – doch Mario Pfeifer zwingt einen zum Zuhören. Und das lohnt sich, zum Beispiel wenn Jahn sagt: "Ich versuche, jede Meinung zu akzeptieren." Dieser Satz aus dem Mund eines Pegida-Unterstützers. Wer hätte das gedacht?