Umweltschädliche Krypto-Kunst

NFTs sind Klimakiller

Der britische Künstler Jeremy Deller macht mit seinem NFT-Kunstwerk "The Last Day" (hier ein Screenshot aus dem digitalen Video) auf die zerstörerische Kraft von NFTs aufmerksam
Screenshot: opensea.io

Der britische Künstler Jeremy Deller macht mit seinem NFT-Kunstwerk "The Last Day" (hier ein Filmstill) auf die zerstörerische Kraft von NFTs aufmerksam

NFTs geben digitaler Kunst gerade einen überwältigenden Boost. Doch wie alle Blockchain-Verfahren haben sie durch ihren hohen Energieverbrauch ein massives Umweltproblem. So schmutzig darf die Zukunft des Kunstmarktes nicht aussehen

In Zeiten, in denen Galerien, Konzerthallen und Museen großteils geschlossen sind, oder sich die wenigsten die Mühe machen, sich mit Terminslot und ohne geselligen Vernissage-Bordsteinsekt Kunst zu geben, ist der derzeitige Boom um NFT ein Zeichen dieser Ära. NFT sorgen für Gesprächsstoff, lässt die Kunst- und Kulturwelt wundern, staunen, wenn nicht gar verzweifeln. Und natürlich schauen erstmal alles aufs Geld. Dass Mike Winkelmann alias Beeple mit seinem Mammutwerk "Everydays" 69 Millionen Dollar umgesetzt hat. Dass der erste Tweet der Welt von Jack Dorsey vom 21. März 2006 für 2,9 Millionen Dollar versteigert wurde. Bei 24 Zeichen ("just setting up my twttr.") macht das ein Honorar von 120.833 Dollar pro Anschlag (inklusive Leerzeichen). Vielleicht macht das den Twitter-Boss auch noch zum bestdotierten Schriftsteller aller Zeiten.

Kurz nochmal der Versuch zur Erklärung, was ein Non Fungible Token (NFT) eigentlich ist. Wie in der physischen Welt gibt es auch in der digitalen austauschbare und nicht austauschbare Assets. In der physischen Welt ist beispielsweise Geld eine austauschbare Anlage. Beispiel: Ich gebe Ihnen einen 50-Euro-Schein und Sie geben mir fünf Zehner zurück, dann ist das für beide keine große Sache. Anders verhält es sich mich mit dem Eigenheim oder eben "originalen" Kunstwerken, die in Museen hängen. Kryptowährungen sind fungibel, da sie wie Geld funktionieren sollen. Um hier den Wert einer Währung zu bestätigen, hängt das meiste digitale Geld an Blockchains, die ständig an realen Computern verknüpft den Wert sozusagen verifizieren und validieren.

Stellen Sie sich das wie ihr geerbtes Haus im Dorf Ihrer Eltern vor. Es braucht die anderen lebenden Dorfbewohner, die das Haus sehen, daran vorbeifahren und dessen Wert anerkennen ("Das ist ein schickes Haus, mit so viel Grundstück, das muss mindestens zwei Mille wert sein. Da hat der Meier damals alles richtig gemacht"). So ähnlich machen das im Prinzip auch Blockchains, und so wie Dorfbewohner eigentlich ziemlich teuer und energieintensiv sind, wenn ihre eigentliche Aufgabe nur die sein soll, ein einzelnes Asset zu bewerten, so sind Blockchains, Crypto-Art und Kryptowährungen durch ihren hohen Energiekonsum ein massives Umweltproblem.

Kein Grund zur Beruhigung

Man schätzt, dass heute bereits 50 Prozent der weltweiten Energie in Datenzentren ausschließlich für das Mining von Bitcoins verbraucht wird. Heißt, dass diese Währung allein (und es gibt unzählige mehr) mehr Strom verbraucht als Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft zusammen. Mit schwerwiegenden Folgen. Denn meist wird dieser Strom in China, Russland, Georgien oder Kasachstan mit fossilen Brennstoffen hergestellt. Teils so intensiv, dass die Bevölkerungen zu wenig Strom für ihre Haushalte haben und viele Regionen vor dem Kollaps stehen. Hinzu kommen die unglaublichen Massen an E-Schrott, die weltweit durch Millionen Servercomputer entstehen, die im Schnitt alle 18 bis 24 Monate ausgetauscht werden. 

NFTs sind indes an die Kryptowährung Ethereum (ETH) geknüpft. Das, was sonst im Digitalen unendlich oft kopierbar ist, wird nun mit einem Token zum Unikat erklärt. Zwar gilt ETH als weniger energiepervers als der Standard Bitcoin, das soll aber kein Grund zur Beruhigung sein. Die Recherchen des Künstlers Memo Akten zu dem Thema sind für diese Diskurse einordnend und wichtig. Akten recherchierte über mehrere Monate, wie viel Strom NFTs und Crypto-Art tatsächlich verbrauchen und zeigt, wie immens die Problematik ist, die damit einhergeht – und zum Stande seiner Nachforschungen war von Beeples Super-Auktion und dem NFT-Hype noch gar keine Rede.

Akten führt aus, dass der Fußabdruck eines einzelnen NFT mit dem Stromverbrauch einer EU-Bürgerin oder eines EU-Bürgers in einem Zeitraum von mehr als einem Monat entspricht. Editionen in Auflagen multiplizieren sich natürlich, und der Energieverbrauch pro Auflage bleibt konstant. Bei einem anderen Kunstwerk mit einer Auflage von über 800 hat Memo Akten berechnet, dass die Ethereum-Blockchain für diese Arbeit in drei Monaten rund 140 Megawattstunden und 86 Tonnen CO2 (entspricht über 100 transatlantischen Flügen) produziert hat, so viel Strom habe ich in meinem ganzen Leben verbraucht. Oder man könnte mit einem E-Auto 24,5 Mal um die Welt fahren oder einmal zum Mond, zurück und wieder zum Mond. Für ein digitales Kunstwerk, das erst im letzten Jahr verkauft wurde, wohlgemerkt.

NFTs befinden sich an realen, verpesteten, qualmenden Orten

Es ist also kaum vorstellbar, wieviel Strom durch NFTs und Kryptowährungen derzeit verbraucht wird, auch weil viele noch immer glauben, die digitale Cloud befände sich tatsächlich im Himmel und nicht an realen, stinkenden, verpesteten, qualmenden Orten. Denken Sie an Ihr Zara-T-Shirt! Und daran, wie viel CO2 Sie letztes Jahr gespart haben, indem Sie nicht wie wahnsinnig geflogen sind. Und Akten hat nicht unrecht, wenn er sagt, dass die ganze Angelegenheit eigentlich unethisch und moralisch verwerflich ist.

Auf der anderen Seite wäre aber auch eine heutige Welt vorstellbar, die vollständig mit erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne angetrieben wird. Das wusste Jimmy Carter in den 1970er-Jahren schon. Die Grünen in den 80ern. Und davon auszugehen, dass in einer Welt, die sich ständig digitalisiert und elektrifiziert, der globale Stromverbrauch mit wachsender Weltbevölkerung sinkt, ist, gelinde gesagt, auch naiv. Da bringen auch Energiesparlampen nichts. Wir wussten das alle seit mindestens 30 Jahren besser, passiert ist natürlich wieder nichts. Künstler wie Beeple versuchen nun wie beim Fliegen über CO2-Kompensation den Schaden zu begrenzen. Andere Künstler und Künstlerinnen ziehen nach.

Aber gemachter Mist ist ja immer erstmal Mist und muss mühsam weggemacht werden. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass Konzepte wie NFT und Crypto-Art verschwinden. Eher im Gegenteil. Ob im Falle von Crypto-Art allerdings jedes NFT seine Berechtigung hat, müssen Künstler und Künstlerinnen, Auktionshäuser, Galerien und Medien nun gemeinsam angehen und entscheiden. Nur Gordon-Gekko-like auf einen Zug zu springen, weil jemand anders damit Millionen gemacht hat, nun ja – mit wahrer Kunst sollte das ja eigentlich am allerwenigsten zu tun haben. Aber das wissen Sie als jemand mit Kunstexpertise besser.