Auf dem Bett liegt sein Mantel, in dem Aschenbecher noch die Kippe seiner letzten Zigarette. Alles ist so wie zu Lebzeiten von Alberto Giacometti, sogar die Wände, auf denen der Bildhauer und Maler seine Skizzen verewigt hat. Die Rekonstruktion des legendären Pariser Ateliers des durch seine überlangen Skulpturen weltberühmt gewordenen Schweizer Künstlers gehört zu den Besonderheiten des neuen Pariser Museums im ehemaligen Künstlerviertel Montparnasse, der den Werken und dem Leben Giacomettis gewidmet ist.
"Das Giacometti-Institut will kein Museum im klassischen Sinn sein, sondern ein Ort der Emotion und der Recherche", erklärt Direktorin Catherine Grenier. Man wolle eine andere Beziehung zwischen dem Künstler und dem Publikum aufbauen, sagt die Kunsthistorikerin. Dazu gehört auch, dass die Besichtigung ausschließlich nach Online-Reservierung möglich ist und nur maximal 40 Personen gleichzeitig Einlass finden.
Das Atelier von Giacometti lag in der Rue Hippolyte-Maindron, wo Giacometti von 1926 bis 1966 wirkte. Nur wenige Straßenzüge weiter befindet sich das Institut Giacometti, das in eine herrliche denkmalgeschützte Jugendstil-Villa eingezogen ist.
Gleich im Erdgeschoss entdecken Besucher die Nachbildung des Arbeitsortes, der bislang in vielen Ausstellungen in Videoform präsentiert wurde oder als leerer Raum von 23 Quadratmetern, denn größer war die Wirkstätte nicht.
Giacometti starb am 12. Januar 1966 im schweizerischen Chur. Annette Giacometti, die Frau des Künstlers, konnte das Atelier mit Mobiliar und Graffiti-Wänden nach dem Tod ihres Mannes retten. So wie er es hinterlassen hat, ist es hinter Glas als Herzstück des Instituts nun ausgestellt: auf dem Tisch ausgetrocknete Farbtuben, unzählige Pinsel, Werkfragmente und Gipsfiguren, darunter ein "Schreitender Mann", den er sein Leben lang behalten hat.
In dem Atelier hatte unter anderem der französische Autor Jean Genet Modell für Giacometti gestanden. Von Genet hat Giacometti mehrere Zeichnungen und Gemälde entworfen, Genet wiederum hat über ihn und das Atelier 1957 den Essay "L’Atelier d’Alberto Giacometti" geschrieben. Ihm und seiner Freundschaft ist auch die Eröffnungsausstellung gewidmet.
Grenier ist ebenfalls Leiterin der Fondation Giacometti, die mit mehr als 300 Skulpturen, 90 Gemälden und rund 5000 Papierarbeiten die größte Sammlung von Giacometti-Werken besitzt. Die 2003 ins Leben gerufene Stiftung hat das Institut gegründet und finanziert. Dafür hat sie 2015 für rund 8,8 Millionen Euro ein Werk von Joan Miro versteigern lassen – ein Geschenk des spanischen Meisters an Giacometti.
Die Kunsthistorikerin nennt das Institut auch "ein Museum in überschaubarer Größe". Es ist 350 Quadratmeter groß, überwältigt aber durch die Präsentation und Symbolkraft der Werke, von denen viele aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit erstmals zu sehen sind.