Es ist doch noch rechtzeitig fertig geworden! Wer den Rohbau des Bauhaus-Museums in Dessau im letzten Jahr erblickte, dem wurde vielleicht angst und bange angesichts der knappen Restbauzeit und der einzukalkulierenden Verzögerung bei größeren Bauprojekten. Nun aber konnte das Museum doch pünktlich eröffnet werden - mit großem Festakt und in Anwesenheit der Kanzlerin, die das Bauhaus eine "unerschöpfliche Quelle" nannte, um Zukunft zu gestalten .
Endlich verfügt Dessau über ein Haus, in dem die Schätze der weltweit zweitgrößten Bauhaussammlung präsentiert werden können. Über 49.000 Objekte befinden sich in der Sammlung. Das Museum selbst präsentiert 1000 Exponate im Rahmen der Ausstellung "Versuchsstätte Bauhaus". Sie inszeniert die ikonischen Stühle, Schränke und Lampen neben Originalgrafiken und Fotografien von Meistern wie Josef Albers oder László Moholy-Nagy in einer Black Box im Obergeschoss. Abgeriegelt von schädlichem Tageslicht wird der Stahlbetonkubus zur Schatzkiste. Es ist eine Schau, deren Ausstellungsarchitektur den Reiz der Objekte in den Vordergrund rückt.
Dass die Ausstellung, so heißt es ja in der Ankündigung, "die Geschichte der berühmten Schule" erzählt, muss man eher infrage stellen. Das Verhältnis von Lehrenden und Schülern, das problematische Geschlechterverhältnis, die politisch-ästhetischen Kämpfe, die zur Schließung der Schule führten – all das bleibt ja weitestgehend ausgespart. Das gilt seltsamerweise auch für die Geschichte des Bauhauses in der Stadt: Die Großzügigkeit, mit der die Stadt Dessau Walter Gropius Baugrundstücke zur Verwirklichung seiner architektonischen Projekte zur Verfügung stellte, erscheint aus heutiger Sicht wunderlich und im höchsten Maße wunderbar.
Feiner Witz am historischen Rande
Wer tatsächlich etwas über die Geschichte des Bauhauses erfahren will, dem seien dann doch eher die vorzüglichen Touren im Originallehrgebäude empfohlen. Hier offenbart sich schon eher die Atmosphäre des Lernens und Lebens am Bauhaus. Dass man beispielsweise von Gropius‘ Büro aus – angeblich – in die Duschen der Studenten blicken konnte, ist ein feiner Witz am historischen Rande.
Ohne Frage aber ist die Ausstellung ein Juwel. Im abgedunkelten Raum, der durch orangefarbene Stellwände gegliedert ist, werden die Einzelobjekte zu Prunkstücken. Haptisch extrem reizvoll wirken die ausgestellten Teppiche von Grete Reichardt, die man obendrein bisher so nicht zu Gesicht bekommen konnte. Ganz im Gegensatz zu den Breuer- und Mies van der Rohe-Stühlen, an denen sich der ein oder andere vielleicht bereits satt gesehen hat. Das mag auch an dem insgesamt sehr langen Jubiläumsjahr liegen.
Sinnlichkeit bricht mit der Bauhaus-Ästhetik
Auch museumspädagogisch hat man sich einiges einfallen lassen: Der Besucher kann mit Lichtqualitäten und Farbmischungen spielen, darf mit Formen und Rhythmen beim Zusammensetzen eigener Geschirrentwürfe experimentieren und sich mithilfe einer kleinen Mappe eine eigene Bauhaussammlung anlegen.
Und doch bleibt die Ausstellung eine zentrale Antwort schuldig: Wie konnte die Ästhetik des Bauhauses weltweit stilbildend wirken, wieso wurden die reduzierten Formen und Materialien zur allgegenwärtigen Chiffre für eine raffinierte, elitäre Ästhetik? Wobei die allerwenigsten von uns, so wage ich zu behaupten, in einem originalgetreu eingerichteten Bauhaus-Wohnzimmer leben möchten. Die feine Ironie der Ausstellung ist zudem, dass sie die Objekte in einer Sinnlichkeit präsentiert, die wiederum radikal mit der Bauhausästhetik bricht.
Erfrischend entzaubernder Effekt der Glasfassade
Das Gegenteil gilt für das Museumsgebäude selbst. Das typische Bauhausfensterband wird zum einzig-bestimmenden Formelement der Fassade erweitert; das Museum ist ein riesiger Glasquader, dessen ästhetischer Reiz darin bestehen soll, die Umwelt des Baus wahlweise zu spiegeln oder durchscheinen zu lassen.
Tatsächlich stellt sich ein vielleicht ungewollt komischer, jedenfalls erfrischend entzaubernder Effekt der Glasfassade ein, wenn durch die farbigen Flächen die umgebende Stadt sichtbar wird. Sozialistische Plattenbauten (die brutalste Schwundstufe der Bauhausidee) und das Rathaus-Center, die zentrale Shoppingmall mit ihrer Copy-Paste-Architektur, wie sie sich in jeder kleineren Stadt im Osten finden lässt, sind die visuellen Bezugspunkte des Museumsneubaus.
Das Museumsgebäude selbst stellt reichlich Sichtbeton aus. Es zitiert dabei durchaus den überraschend plump wirkenden Studentenwohntrakt des Originalbauhauses, darf aber wohl nicht behaupten, die Bauhausästhetik in neuer, überraschender Form ins 21. Jahrhundert fortzuschreiben. Nun wollte Architekt Roberto González (addenda architects) ja auch kein Bauhaus-Zitat entwerfen. Stattdessen folgte er dem Motto "more with less". Viel Wirkung mit wenigen Mitteln. Das wiederum ist natürlich Bauhaus pur.