Museumneubauten 2021

Hauptsache spektakulär

Trotz Besucherrückgang in der Pandemie: Museumsneubauten mussten auch 2021 mit effektvoller Architektur punkten. Wir blicken zurück auf sieben besonders spektakuläre Eröffnungen

Auch 2021 hatte Corona die Museen fest im Griff: Im langen deutschen Winter-Lockdown schlummerten potenzielle Blockbuster-Ausstellungen vor sich hin, Hygiene- und Abstandsregeln schaffen weiterhin Hürden fürs Publikum und die zurückgegangenen Touristenströme drücken noch immer die Besucherzahlen. Doch die Hoffnung auf bessere Zeiten ist groß: Laut des im Sommer von der Unternehmensberatung AEA Consulting veröffentlichten "Cultural Infrastructure Index" wurden bereits 2020 weltweit Investitionen in Höhe von 8,2 Milliarden Dollar für 130 kulturelle Bauprojekte (Museen, Aufführungsstätten und Multifunktionshäuser) angekündigt, das ist ein Anstieg der Investitionen um 72 Prozent im Vergleich zu 2016, nachdem es 2019 einen Rückgang gegeben hatte.

Trotz der Widrigkeiten wurden auch 2021 Neubauten, Umbauten, Erweiterungen eingeweiht. Einige große Eröffnungen – etwa die des Berliner Humboldt Forum oder des Pariser Privatmuseums Bourse de Commerce – waren bereits für das Vorjahr geplant und wurden nun nachgeholt. Ein Trend konnte aber auch die Pandemie nicht ausbremsen: Museen mussten auch 2021 mit spektakulärer Architektur punkten. Hier sind sieben neue Ausstellungsbauten, die in diesem Jahr besonders für Furore gesorgt haben:

EINE SALATSCHÜSSEL IN ROTTERDAM: Das Depot des Museums Boijmans van Beuningen

Die niederländische Hafenmetropole Rotterdam hat einen neuen Blickfang: Das Depot des Kunstmuseums Boijmans Van Beuningen ist der neueste Teil der spektakulären Skyline. Das vollverspiegelte runde Gebäude soll auch das weltweit erste Museumsdepot sein, das für Besucher voll zugänglich ist. Der niederländische König Willem-Alexander hatte das Depot Anfang November eröffnet.

Die kostbare Sammlung des Museums Boijmans umfasst rund 151 000 Werke aus sieben Jahrhunderten. Gemälde, Fotos, Objekte, Keramik, Design, Zeichnungen und Drucke werden in dem Depot gelagert, konserviert und restauriert - vor den Augen der Besucher. "Das Depot ist der Maschinenraum des Museums", sagte Direktor Sjarel Ex bei der Präsentation des Gebäudes. Besucher können hinter die Kulissen schauen und zugleich einen Eindruck von der Sammlung bekommen.

Die bisherigen Depots waren unzureichend und vor allem nicht mehr sicher für die Sammlung, deren Wert auf mehr als acht Milliarden Euro geschätzt wird. Das Museumsgebäude war mehrmals von Hochwasser getroffen worden. Es wird zwar zurzeit umfassend renoviert, doch angesichts der zunehmenden Hochwassergefahr durch den Klimawandel war die Unterbringung in Kellerräumen keine Option.

Direktor Ex wollte ein öffentlich zugängliches Depot. Normalerweise zeigten Museen nur sechs bis zehn Prozent ihrer Sammlung den Besuchern, sagte er. "Wir wollen die ganze Sammlung teilen mit allen." Die Kunstwerke sind nicht wie im Museum selbst ausgestellt. Sie hängen an großen verschiebbaren Metallgittern, liegen in Schubladen oder auf Regalen.

Das Gebäude im Museumspark Rotterdam wurde von dem international renommierten Architektenbüro MVRDV entworfen. Architekt Winy Maas wählte die runde Form. "Das Depot soll von allen Seiten offen und einladend sein." Der Fuß ist unten deutlich kleiner als oben - wie eine Tasse oder ein Eierbecher. Der Architekt ließ sich auch von einer Obstschale aus Chrom aus einem Billig-Möbelhaus inspirieren, wie er zugab. In der Fassade spiegeln sich die Skyline Rotterdams und die Bäume des Parks. "Das Gebäude verschmilzt mit der Umgebung", sagte Maas. Auch auf der 35 Meter hohen Dachterrasse wurden Bäume gepflanzt.

Zentral im Innenraum sind die breiten Treppen. Sie führen kreuzweise durch das Atrium, sechs Stockwerke hoch. Von den Treppen aus hat man einen Blick auf 13 schwebende Glasvitrinen, in denen Kunstwerke zu sehen sind. Darunter sind ein Gemälde von Carel Fabritius (1622-1654) und eine Büste von Auguste Rodin (1840-1917).

Besucher dürfen aus Sicherheitsgründen nicht selbst in Regalen stöbern oder Schubladen öffnen. Sie werden in Gruppen durch die Räume geführt. Besonders empfindliche Objekte wie Fotos oder Zeichnungen sind auf Anfrage zu sehen.

Die Objekte werden in fünf verschiedenen Klimazonen aufbewahrt, je nach Material und Größe. Im Depot können sie auch restauriert werden, wie derzeit ein Gemälde von Vincent van Gogh.


HAUS MIT KNICK: Das Munch-Museum in Oslo

Die norwegische Hauptstadt Oslo hat ihrem berühmten Maler Edvard Munch ein imponierendes Denkmal gesetzt: Mit einem Jahr Verspätung öffnete im Oktober das lang ersehnte neue Munch-Museum, wegen Corona ein Jahr später als geplant. Neben den elf Ausstellungssälen gibt es Orte für Konzerte, Vorträge, Debatten und Aufführungen, ein Kino, Workshops für Kinder, eine Forschungsbibliothek sowie Restaurants und Cafés.

Der expressionistische Maler (1863-1944) hat während des Krieges rund 27 000  Kunstwerke der Stadt Oslo vermacht. Insgesamt verwaltet das Museum eine Sammlung von 42 000 Objekten. Neben den Gemälden auch Papierarbeiten, Aquarelle, Zeichnungen, Drucke, Skulpturen und Fotografien. Im alten Museum im Stadtteile Tøyen konnte nur ein Bruchteil von dem gezeigt werden, denn das Gebäude war viel zu klein. Der größte Teil fristete sein Dasein im Depot.

In dem neuen Gebäude, das majestätisch im Fjord direkt neben der spektakulären Oper von Oslo thront, gibt es Platz genug: 13 Etagen und eine Bruttofläche von 26 000 Quadratmetern. Sieben Etagen sind der Kunst vorbehalten. In welcher Reihenfolge die Besucher die elf Ausstellungsäle durchschreiten, ist nicht vorgeschrieben. "Jeder soll seinen eigenen Weg zu Munch finden", steht im Austellungstext an der Wand in der dritten Etage.

Liebe, Tod, Angst und Einsamkeit - das waren die wichtigsten Themen des Norwegers. Von vielen Motiven gibt es mehrere Ausführungen. So wie Munch das Leben erforschte, so experimentierte er auch in der Kunst. Das Museum will sich deshalb auch nicht allein auf die Meisterwerke konzentrieren. Es präsentiert sein Lebenswerk: unfertig, experimentell und rätselhaft - eine Reise durch die Gedankenwelt eines bemerkenswerten Künstlers. 

Genauso spannend wie das Innere des Museums ist der Blick, den man vom Gebäude nach außen hat. Durch die Fassade aus perforierten Aluminiumplatten sieht man sowohl den Fjord als auch die Silhouette des modernen Oslos. In dem Viertel rund um den Hauptbahnhof wurde in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Reihe neuer Büro- und Wohngebäude errichtet. Das Munch-Museum mit seinen 58 Metern Höhe ragt wie ein Leuchtturm heraus. Museumsdirektor Stein Olav Henrichsen spricht von einem Ausrufungszeichen für die Bedeutung des Künstlers, "ein ziemlich solider, fast brutaler architektonischer Ausdruck, der sehr gut zu unserem Künstler Edvard Munch passt, der auch ein monumentaler und kraftvoller Künstler ist."

Der obere Teil des 300 Millionen Euro teuren Hauses hat einen Knick - "eine respektvolle Verbeugung vor der Oper, der Stadt und der Kunst an sich", sagt Henrichsen. Die Form ähnelt dem elften Buchstaben des griechischen Alphabets, die Architekten haben dem Projekt deshalb den Namen Lambda gegeben.

Mit der Ausformung des Gebäudes sind nicht alle zufrieden. Der deutsche Architekt Jens Richter, der gemeinsam mit dem Spanier Juan Herreros hinter den Plänen steckt, nimmt das nicht persönlich: "Wir haben uns der Diskussion gestellt, für uns war das ein wichtiger Teil des Prozesses", so Richter. Absicht sei es, dass die Fassade je nach Wetter und Tageszeit anders aussehe. Davon abgesehen, sei ein Museumsbau, über den niemand spricht, vielleicht auch verfehlt.

Auch Museumsdirektor Henrichsen kann gut mit der Kontroverse leben. "Wir freuen uns sehr, dass unser Künstler ein solches Standing hat, dass alles, was hier passiert, große Aufmerksamkeit und großes Engagement erzeugt", sagt er. Das "Munch" sei ein Gebäude, mit dem man sich auseinandersetzen müsse. "Edward Munch war auch ein Künstler, der sowohl kontrovers war als auch ein Künstler, über den man eine Meinung haben musste."

 

IM LICHT DER PROVENCE: Der Turm der Luma Foundation in Arles

Rund 11.000 Aluminiumkästen, die den Himmel widerspiegeln und im Licht der Sonne Südfrankreichs wie Kristalle metallisch glänzen. Sie zieren die Fassade des 56 Meter hohen Turms des US-Architekten Frank Gehry, der über die Dächer der Stadt Arles ragt. Der spektakuläre Bau ist Teil des riesigen Luma-Ausstellungskomplexes der Schweizer Milliardärin Maja Hoffmann, der im Sommer seine Türen geöffnet hat. 

Das Projekt geht offiziell auf das Jahr 2014 zurück, als der Grundstein zu Luma Arles gelegt wurde. Doch Pläne und Konzept reichen viel weiter zurück. Die 1956 in Basel geborene Miterbin des Hoffmann-La Roche-Pharmakonzerns ist leidenschaftliche Sammlerin. Und das nicht erst seit gestern.

Schon während ihres Studiums des Films sammelte sie zeitgenössische Kunst. Ende der 1990er-Jahre begann sie, in Zusammenarbeit mit Künstlern und Institutionen zahlreiche Projekte zu produzieren. So sei allmählich die Idee eines Ortes der Kreation und des Austausches zwischen Künstlerinnen, Intellektuellen und Wissenschaftlern entstanden, sagt sie.

Was sie zu Beginn von Luma - der Name ist ein Kunstwort aus den Vornamen ihrer beiden Kinder Lukas und Marina – noch eine "Utopie für eine Kulturinstitution des 21. Jahrhunderts" nannte, ist nun Wirklichkeit geworden. In mehr als zehn Jahren hat die Geschäftsfrau und Dokumentarfilmproduzentin auf dem Parc des Ateliers mitten in der Stadt einen riesigen Komplex mit mehreren Ausstellungshallen, einer Künstlerresidenz, einem Park, einem Café und Restaurant geschaffen, dessen Blickfang der spektakuläre Turm von Frank Gehry ist. 

Die für Gehry typische auffällige skulpturale Architektur sorgte anfänglich für Polemik. Mittlerweile ist der schräge neunstöckige Schachtelturm zu einem Fotospot geworden. Seine Außenfassade spielt das Licht der Provence, im Innern eröffnen elegante Wendeltreppen und Galerien beeindruckende Perspektiven.

Seine Konstruktionen sind keine Bauten, sondern Sehenswürdigkeiten. Für Maja Hoffmann sind sie Kunst. Sie habe einen Architekten gesucht, der ein Künstler sei, erklärte die Mäzenin. Die Kosten für den Gehry-Turm, der an die vor Arles liegenden Kalkfelsen des Alpilles-Massivs erinnern soll, werden auf bis zu 150 Millionen Euro geschätzt.

Architektur und Kunst seien zwei Gestaltungsweisen, die sich gegenseitig verstärken, wenn die Symbiose zum richtigen Zeitpunkt und unter den richtigen Bedingungen stattfände, erklärte sie. Und so gehören Kunstwerke zum festen Bestandteil des Gehry-Turms wie "Isometric Slides" von Carsten Höller im Eingangsbereich, eine lange Metallrutsche, und der monumentale, sich drehende Deckenspiegel von Olafur Eliasson.

Die Hauptausstellungsflächen des 15.000 Quadratmeter großen Baus liegen im Untergeschoss. Zur Eröffnung werden Werke aus der Sammlung Luma-Stiftung/Maja Hoffmann gezeigt sowie Exponate aus der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung, die ihre Großmutter Maja Hoffmann-Stehlin im Jahr 1933 gegründet hat. Sie selbst hat im Jahr 2004 die Schweizer Luma-Stiftung ins Leben gerufen zur Förderung interdisziplinärer Projekte in den Bereichen Kunst und Kultur, Menschenrechte, Umwelt, Bildung und Erziehung. 

Das rund elf Hektar große Gelände hat sie bereits 2010 für rund zehn Millionen Euro erworben. Die fünf Gebäude und Hallen auf dem Parc des Ateliers - einst Reparaturwerk der französischen Eisenbahn -, wurden sukzessive umgebaut und errichtet. Einige wurden teilweise früher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wie aus Anlass der Rencontres d’Arles, weltweit eines der bedeutendsten Fotofestivals, das sie mitfinanziert. 

Luma Arles ist eine Ideenschmiede für Kultur und Ökologie. Architektur, Kunst, Forschung und Umweltschutz greifen hier ineinander. In einem der Gebäude befindet sich das Luma-Atelier, eine Art Design- und Forschungslabor. Über zehn Mitarbeiter suchen nach lokalen Ressourcen, um neue, weniger umweltbelastende Materialien zu entwickeln. Einige kamen im Gehry-Turm zum Einsatz, wie die Paneele aus dem Salz der Camargue, dem Naturschutzgebiet südlich von Arles.

Das riesige interdisziplinäre Kunst-und Kulturprojekt ist gewissermaßen eine Hommage an ihren Vater. Lukas Hoffmann baute als studierter Zoologe in der Camargue die biologische Forschungsstation La Tour du Valat zum Schutz der mediterranen Feuchtgebiete auf. Er war Gründungsmitglied des WWF (World Wide Fund For Nature) und Vizepräsident der Weltnaturschutzunion IUCN. Im Jahr 1994 rief er die Mava-Stiftung für Naturschutz ins Leben – benannt nach den Vornamen seiner vier Kinder Maja, André, Vera und Daschenka.

 

ES WAR EINMAL: Das H. C. Andersen Hus in Odense

Der Märchenmeister Hans Christian Andersen hat im dänischen Odense ein neues Museum bekommen, und zwar eines, das andere an Modernität, Architektur und Erlebnis in den Schatten stellen soll. Das Großprojekt, das umgerechnet mehr als 50 Millionen Euro kostet, wurde im Sommer eröffnet, auch wenn es noch nicht komplett fertig ist, gerade im Museumsgarten muss noch einiges getan werden.

H. C. Andersen ist am 2. April 1805 in Odense geboren worden. Viele seiner späteren Märchen fußten auf den Erfahrungen, die er als Kind in der Stadt auf der zentraldänischen Insel Fünen sammelte. Auch in Deutschland zählen seine Werke wie "Die kleine Meerjungfrau", "Die Prinzessin auf der Erbse" und "Das hässliche Entlein", zu den großen Klassikern der Märchenwelt.

Andersens Märchen sind dabei kaum welche gewesen, die mit einer Moral von der Geschicht' endeten. "Andersens Universum liefert selten Antworten. Wenn man am Ende der Geschichte ist, muss man selbst über die Bedeutung nachgrübeln", sagt der Kreativdirektor des Museums, Henrik Lübker. "Er liefert nicht die Antworten, sondern stellt einem die Fragen." Genau dies solle auch das Andersen-Haus verkörpern. "Das ist kein Museum voller Antworten, sondern ein Museum voller Fragen."

In dem neuen Museum verschwimmt vieles in- und miteinander: Rechte Winkel findet man kaum, dafür umso mehr runde Hecken und Wege. "Wir mischen das, was draußen und was drinnen ist, was Natur und was Architektur ist", sagt Lübker. Der Besucher soll sich so in einer Welt zwischen Wirklichkeit und Märchen befinden und dabei vor allem eines haben: viel Spaß.

Für den japanischen Architekten Kengo Kuma zeigen Andersens Werke die Gegensätze der Welt auf, etwa Licht und Schatten, Mensch und Tier, Realität und Fiktion. "Unser Ziel ist es, diese Essenz seiner Arbeit in architektonischer und landschaftlicher Form widerzuspiegeln", sagt Kuma. Die architektonische Idee sei an Andersens Ansatz angelehnt, dass sich eine kleine Welt auf einmal zu einem größeren Universum ausdehne. "In diesem Universum gibt es keine hierarchische Ordnung, keine Frontalseite und keine definierte Richtung", so Kuma.

Das äußere Highlight des Baus soll der Museumsgarten darstellen, von dem ein Teil bewusst so aussehen soll, als wäre er eingesackt. Von dort geht es über einen 110 Meter langen Rundweg hinein ins überwiegend unterirdische Märchen-Universum. Nach und nach schlendert man zunächst am Leben Andersens vorbei, ehe man viele Märchen interaktiv selbst erleben kann: Angelehnt an das eher unbekannte Werk "Der Schatten" kann man sich etwa darüber wundern, dass sein eigener Schatten plötzlich ein Eigenleben erhält, andernorts kann man sehnsüchtige Meerjungfrauen unter Wasser singen hören.

"Wir versuchen, Gefühle in den Leuten zu erzeugen - anstatt ihnen zu sagen, wie sie sich fühlen müssen oder die Erzählung zu sehr zu kontrollieren", sagt Lübker. Die Erbse darf bei diesen Erlebnissen natürlich nicht fehlen, ehe man heutige Literaturgrößen wie J. K. Rowling über Andersens Erbe sprechen hört und schließlich zum gelben Geburtshaus gelangt, das vor der Eröffnung renoviert worden ist.

Odense ist die Andersen-Stadt schlechthin. Statuen vom Künstler begegnen einem im Stadtkern ebenso häufig wie seine Märchen. Selbst eine örtliche Umzugsfirma (Werbespruch: "Wir machen Ihren Umzug zu einer guten Geschichte") hat sich nach ihm benannt. Viele historische Gebäude wechseln sich in der Stadt heute mit modernen Neubauten ab, und genau diesen Spagat soll auch das Andersen-Haus schaffen: Hier das topmoderne Museum, dort das alte, historische Geburtshaus. In dem Haus war bereits 1908 ein erstes Museum zu Ehren des Märchenonkels eröffnet worden, das in der Folge mehrmals ausgebaut wurde.

Die Hoffnung ist, dass mit der neuen Attraktion mehr Touristen in die drittgrößte Stadt Dänemarks kommen - insbesondere deutsche, dessen Landesgrenze nur knapp zwei Autostunden von Odense entfernt liegt. 100 000 Menschen haben das alte Andersen-Haus vor der Corona-Pandemie jährlich besucht, rund 70 Prozent davon aus dem Ausland. Zweitgrößte Besuchergruppe nach den Dänen: Chinesen. Aus diesem Grund sind die Ausstellungstafeln auf Dänisch, Englisch und auf Mandarin verfasst.

Das neue Museum, das mit einer Fläche von 5600 Quadratmetern relativ kompakt ist, soll jedoch auch den Einwohnern von Odense zugutekommen. "Eines der bemerkenswertesten Dinge an dem Museum ist, dass es mitten in der Stadt steht", sagt Kreativdirektor Lübker. "Der Garten ist für die Öffentlichkeit rund um die Uhr geöffnet. Er ist ein Erholungsort innerhalb der Stadt und eine grüne Oase für alle." Auch das ist an Andersen angelehnt, wie Architekt Kuma sagte. "Seine Botschaft an uns ist: Selbst im Alltag können wir den Traum finden und leben. Das ist eine sehr starke Botschaft für die Menschen im 21. Jahrhundert."


MOSKAUS NEUESTES PRIVATMUSEUM: Das GES-2 von Renzo Piano

Leonid Michelson ist der wohl reichste Mann Russlands, "Forbes" schätzt sein Vermögen auf 26,1 Milliarden US-Dollar. Der Unternehmer ist CEO von Nowatek, Russlands größtem privatem Energieunternehmen. Vor zehn Jahren gründete er gemeinsam mit der aus Neapel stammenden Kuratorin Teresa Iarocci Mavica in Moskau die VAC Foundation. Im Russischen steht die Abkürzung für "Victoria – die Kunst, zeitgenössisch zu sein". Victoria ist die Tochter von Michelson. Seit der Gründung von VAC tritt die Foundation durch großzügig koproduzierte Projekte vor allem russischer Künstler und Künstlerinnen in Erscheinung. 2017 eröffnete VAC in Venedig einen Ausstellungsraum im Palazzo delle Zattere. Im Dezember hat in Moskau das 20 000 Quadratmeter umfassende GES-2 als Hauptstandort der Foundation geöffnet, mit permanentem Programm, ohne Eintrittsgeld und mitten im Zentrum der Stadt.

Das Hauptgebäude entstand aus einem umgebauten Kraftwerk von 1907, von dem auch der technokratische Name stammt, den Umbau verantwortet hat Renzo Piano. Das GES-2 verfügt über Künstlerstipendien, Bildungseinrichtungen, eine Theater- und Konzerthalle für 420 Plätze, Cafés, Restaurant, Buchhandlung und eine Bibliothek. Michelsons private Sammlung soll für das Haus allerdings keine Rolle spielen.

Wie viel der Bau gekostet hat, ist nicht bekannt. Von 300 Millionen Euro war einmal die Rede, Michelson sagte jedoch später, die geplante "erschreckende Zahl in meinem Kopf" habe sich verdoppelt.

Zur Eröffnung hat der isländische Künstler Ragnar Kjartansson das Haus mit einem kolossalen Reenactment der US-amerikanischen Soap "Santa Barbara" aus den 80er-Jahren eröffnet. Die erste amerikanische Telenovela – und auch diejenige, die von überhaupt allen am längsten im russischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Dafür hat er ein riesiges Filmstudio in das Museum bauen lassen und wird hier für sechs Monate einander ergänzende Ausstellungen zeigen, Musik machen und einen Film drehen.

Monopols Chefredakteurin Elke Buhr berichtet auf Detektor.fm von dem neuen Privatmuseum, hier können Sie das Gespräch nachhören: 


ERÖFFNUNG MIT SCHATTEN: Der Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich

Das Kunsthaus in Zürich wurde mit der Eröffnung seines Erweiterungsbaus im Oktober zum größten Kunstmuseum der Schweiz. In dem Neubau von Architekt David Chipperfield, der die Ausstellungsfläche um 5000 Quadratmeter erweitert und mehr als verdoppelt, steht Kunst ab den 1960er-Jahren im Mittelpunkt stehen. Das Museum zeigt zum einen mehr Gemälde und Skulpturen aus seiner eigenen Sammlung. Es hat zum anderen neue Flächen für Wechselausstellungen geschaffen. Den Auftakt macht die Ausstellung "Earth Beats. Naturbild im Wandel". Darin werden künstlerische Produktionen aus mehreren Jahrhunderten im Kontext aktueller Fragen zum Klimaschutz gezeigt.

Das Museum wird auch Heimat der privaten Bührle-Sammlung mit insgesamt 170 Werken, darunter prominent die französische Malerei, die bislang in einem eigenen Haus zu sehen war. IMit dieser Entscheidung brach eine Kontroverse um den einstigen Waffenfabrikanten, der mit Nazi-Deutschland Geschäfte machte, wieder auf - und überschattete die Eröffnung. Bührle nahm unter anderem an einer Auktion von Werken teil, die die Nazis als "entartet" beschlagnahmt hatten. Er kaufte auch Raubkunst. 13 Werke in Bührles Sammlung, die nachweislich in Frankreich gestohlen worden waren, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgegeben. Das Kunstmuseum zeigt die Ausstellung zusammen mit einer Dokumentation über Bührles Aktivitäten. Es macht die Sammlung auch online zugänglich. In dem "Digitorial" spielt die Geschichte der Sammlung auch eine Rolle.


BLICKFANG AM DUISBURGER HAFENBECKEN: Erweiterungsbau des Museums Küppersmühle

Vier Jahre hat es gedauert, im September wurde der von Herzog & de Meuron konzipierte Erweiterungsbau des Museums Küppersmühle in Duisburg fertiggestellt. "Der Erweiterungsbau reiht sich ein in die Kette der eindrucksvollen historischen Backsteinbauten entlang des Hafenbeckens en und komplettiert so den bestehenden Museumskomplex", ließen die Architekten verlauten, die bereits Ende der 1990er das alte Speichergebäude mit seiner historischen Backsteinfassade in ein Haus für die Kunst verwandelt hatten. Dem spektakulären Treppenturm aus gewundenem, terracottafarbenem Beton stellten sie im Neubau nun ein Pendant zur Seite – das wiederum einer gigantischen Skulptur gleicht und den Blick sogartig nach oben zieht.

Das im 19. Jahrhundert als Mühlenbetrieb errichtete Industriedenkmal wurde bis zur Stillegung 1972 als solcher betrieben und aufgrund eines von Norman Foster entwickelten Masterplans für den Duisburger Innenhafen bis 1999 umgestaltet. Aus der Küppersmühle wurde das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst. Der neu eröffnete Erweiterungsbau wurde durch das Engagement der privaten MKM-Stiftung ermöglicht, die von den Sammlern Sylvia und Ulrich Ströher gegründet wurde. Die Sammler haben auch maßgeblich an der Auftakt-Planung der Ausstellungsräume mitgewirkt. Das Museum machte keine Angaben zu den Baukosten. 

Im Neubau liegt der Schwerpunkt auf Informel und Abstraktion deutscher Künstler, ergänzt durch Positionen europäischer Nachkriegsmoderne. Auch die Räume des MKM-Bestandsbaus wurden zum großen Teil neu eingerichtet, mit Werken von Georg Baselitz, Günther Förg, Gerhard Richter oder Reiner Ruthenbeck. "Die Sammlung vermittelt ein wesentliches Stück deutscher Kunstgeschichte der Nachkriegszeit", erklärte MKM-Direktor Walter Smerling. Für die Gegenwartskunst steht aktuell die umfassende Andreas-Gursky-Werkschau, die noch bis 30. Januar 2022 im MKM zu sehen ist.

Ursprünglich war bereits 2009 mit dem Bau einer Erweiterung begonnen worden. Geplant war ein spektakulärer Quader auf den Silos der ehemaligen Getreidemühle. Wegen Pfusch bei Schweißarbeiten wurde das Projekt jedoch zum Millionengrab. Mitte 2011 wurde es gestoppt.