Immersiv sollen Kunstausstellungen heute oftmals sein, eine alles umfassende Sinnlichkeit gibt da dann eventgerecht den Ton an. Der Besucher taucht dabei förmlich in die Präsentation ein, wird gleichsam umhüllt von der Kunst, dieses bis hin zum Verlust der Kontrolle über die eigene Wahrnehmung. Die Grenzen zwischen Werk und Betrachter scheinen dabei zu verschwinden, und auch die Grenzen zwischen verschiedenen Gattungen lösen sich immer mehr auf.
Dass Immersion in der Kunst aber mehr sein kann als eine mehr oder wenige schicke Überwältigungsästhetik, beweist jetzt die Ausstellung "Eintauchen in die Kunst" im Bochumer Museum unter Tage. Die von dem Bochumer Kunstgeschichtsprofessor Markus Heinzelmann klug kuratierte Ausstellung lenkt nämlich den Fokus auf künstlerische Arbeiten, die über das kritische Potenzial verfügen, immersive Strategien vorzuführen und gleichzeitig zu hinterfragen. Letzteres gelingt den in "Eintauchen in die Kunst" vorgestellten Arbeiten, unter anderen solche von Bruce Nauman, Olafur Eliasson, Erika Hock und Monira Al Qadiri, nicht zuletzt dadurch, dass von ihnen die Konstruktionsmechanismen des immersiven Spektakels subtil aufgezeigt werden.
Ein gutes Beispiel für dieses kuratorische Konzept ist Olafur Eliassons Lichtinstallation "Shadow Projection Lamp" von 2004. Fasziniert und fast schon verzaubert staunend steht da der Betrachter inmitten eines ihn betörenden Lichtspiels aus konzentrischen Kreisen und ihren Schatten. In dieser raumfüllenden Projektion, die auf Platons Höhlengleichnis ebenso anspielt wie auf psychedelische Partyräume, steht dann aber auch das Instrumentarium, das diese Erlebnis ermöglicht: Eine kreisförmige Glasscheibe mit konzentrischen Spiegelringen nämlich, die von einer kleinen Lampe so beleuchtet wird, dass das von den Spiegelringen reflektierte Licht und dessen Schatten auf den Wänden des Raumes erscheint. Eliassons technischer Trick wird also in keinster Weise verschleiert, und dennoch verfehlt er seine immersive Wirkung nicht.
Die Welt der virtuellen Realität
Moniras Al Qadiris Videoarbeit "Crude Eye", 2022, spielt mit den Mitteln des Kulissenbaus, um die Dialektik von Immersion und deren Dekonstruktion ins Spiel zu bringen. Dazu hat die im Senegal geborene und in Kuwait aufgewachsene Künstlerin das Modell einer Ölraffinerie aufgebaut und in künstliches Nachtlicht getaucht. Während der Kamerafahrt durch dieses auf dem ersten Blick überaus realistisch erscheinende Modell taucht der Betrachter gebannt ein in diese technoide Landschaft, wird dann aber wieder irritiert aus seiner Illusion herausgerissen, nämlich immer dann, wenn das Modell sich in kurzen Momenten dann doch als fast schon dilettantisch gebastelt erweist.
Das Phänomen Immersion spielt vor allem auch in der Welt der virtuellen Realität eine wichtige Rolle, in "Eintauchen in die Kunst" wird sie von Florian Meisenberg mit seiner Installation "Pre-Alpha Courtyard Games (raindrops on my cheek)", 2017, künstlerisch untersucht. Mit Hilfe einer VR-Brille können die Besucher sich hier in einen virtuellen, aber gleichzeitig begehbaren Raum begeben. In diesem hybriden Areal können sie dann ein virtuelles Drahtgestell bearbeiten und selbst eine Plastik gestalten. Dank dieser aktiven Tätigkeit verharren die Benutzer dieser Installation nicht bei dem sonst eigentlich rein passiven Genuss des Immersiven. Für die Ausstellung hat Meisenberg zudem eine Datenbank konzipiert, die diese virtuellen Plastiken speichert und abrufbar für andere Besucher macht.
Eine Qualität dieser Ausstellung liegt in ihrer konzentrierten und gleichzeitig verspielt-entspannten Reflexion des Themas. Und nicht zuletzt in der sensiblen Zusammenstellung der Künstler, die neben "gestandenen Größen" des Betriebes wie Bruce Nauman und Olafur Eliasson eben auch "Newcomer" wie Anys Reimann, Erika Hock und Monira Al Qadiri in den durchweg unterirdischen Räumen des "Museum unter Tage" versammelt.