Wenn einem Dutzende norwegische Kinder in Tracht ihrer Königin (unironisch) zur Eröffnung einer Kunstausstellung ihre Fähnchen entgegenwedeln, fällt es schwer, eine Welt in Aufruhr zu sehen. Trotzdem hat sich die 9. Nordic Biennial im norwegischen Moss, einer Fjord-umarmten Ex-Industriestadt bei Oslo, das Eindringen des Fremden zum Thema gemacht. "Alienation" lautet der Titel der Ausstellung, die von Jacob Lillemose aus Dänemark, Ulrika Flink aus Schweden, Ilari Laamanen aus Finnland, Gunhild Moe aus Norwegen und Jón B. K. Ransu aus Island kuratiert wurde.
Obwohl der Rundgang durch die in der Stadt verteilten Standorte auch an norwegischer Holzhausidylle und Meerblick vorbeiführt, will die Nordic Biennial nicht das typisch Nordische aufspüren. Skandinavien hat sich durch die Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte verändert, und der Diskurs um die vermeintlich urnordische Kultur wird auch hier vom rechten Nationalismus vereinnahmt. Deshalb haben sich die Kuratoren nicht nur für Werke internationaler Künstler, sondern auch für einen grenzübergreifenden Fokus auf das Fremde entschieden.
Im dunklen Erdgeschoss der Momentum-Kunsthalle blubbert eine neonfarbene Ursuppenpfütze von Jenna Sutela vor sich hin und spricht vom Anfang der Welt, als noch kein Mensch sie hören konnte. Pinar Yoldas baut mutierte Plastiktiere im Reagenzglas-Ozean, und das Performance-Duo Trollkrem schickt die Besucher in die virtuelle Realität, wo sie mit Cyber-Meerjungfrauen und -männern in Marslandschaften tanzen.
In Moss kann das Fremde überall sein: in der Technik, in der Natur oder wie in der Mikrobeninstallation von Sonja Bäumel in uns selbst. Was die Biennale zu einem großen Vergnügen macht, ist die Tatsache, dass die Künstler nicht mit Lamentieren, sondern mit Unternehmergeist auf die allgegenwärtige Entfremdung reagieren. So hat der Isländer Búi Adalsteinsson proteinreiche Insektenriegel entwickelt, eine weitgehend unerschlossene Ernährungs-Ressource, die er in hipper Verpackung und mit Instagram-tauglichen Postern anpreist (das neue Ding heißt "Larviar"). Auch wenn die Biennale in ihren vielfältigen Themen ein wenig ausfranst (den dazugehörigen Roman, Podcast und die Graphic Novel noch nicht mitgerechnet), gelingt ihr mit ihrem Fokus auf die Kraft der Vorstellung im Angesicht der Krise doch Beachtliches. Ohne Kitsch und ohne die politischen Baustellen der Welt explizit zu nennen, heißt sie mit den Mitteln der Kunst das Fremde willkommen.