Kochkolumne von Mohamed Amjahid

Wie uns der Hype um Dubai-Schokolade die Pistazien nahm

Ein schokoladiger TikTok-Trend führt zu Pistazien-Knappheit, wie unser Kochkolumnist neulich vor einem Auftritt feststellen musste. Zum Glück gab es für das nordindische Karotten-Dessert doch noch einen Zufallsfund

Ein TikTok-Trend hätte mir neulich fast einen Auftritt ruiniert. Das Savvy Contemporary, ein Kunstraum und Kollektiv in Berlin, hatte mich eingeladen, im Rahmen eines Programms auf der Bühne zu kochen und dabei zu quatschen. Zwei Dinge, die ich gerne mache. Wir haben uns entschieden, dass ich ein Gajar ka Halwa zubereite, ein nordindisches Karotten-Dessert: einfach, schnell und zugleich irgendwie edel, wenn man mag.

Garnieren kann man diesen winterlichen Nachtisch nämlich mit Nüssen, und ich wollte den Künstler:innen, dem Publikum und mir etwas Gutes tun und ein paar fancy Pistazien inkorporieren. Dafür bin ich gefühlt durch halb Berlin gelatscht. Im arabischen Nuss-Laden lachte mich ein junger Verkäufer aus: Seitdem diese Dubai-Schokolade im Netz trende, seien geschälte und naturbelassene Back-Pistazien nur noch mehr Mangelware geworden. 

Auch in drei türkischen Supermärkten stieß ich nur auf ratlose und etwas melancholische Gesichter. Pistazien sind etwas Besonderes. Dass diese wertvollen Nüsse für einen fragwürdigen Trend mit überzuckerter Kuvertüre verschwendet werden, schmerzt viele Gourmets schon.

Versteckte Schätze

In einem kurdischen Kaffee, wo auch Nüsse verkauft werden, sagte mir die Mitarbeiterin an der Theke, dass einige dazu übergegangen seien, billige Ersatz-Pistazien aus getrockneten und gehackten Erbsen für die Gebäckproduktion zu nutzen. Ein bisschen giftgrüne Lebensmittelfarbe gäbe dem Fake-Baklava dann den letzten Schliff. Das habe aber mehr mit Profit-Macherei als mit Dubai-Schokolade zu tun. Auf TikTok wie im wahren Leben isst das Auge eben nicht nur mit, manchmal sogar alles auf. In Dubai haben sie das fade Bling-Bling auf jeden Fall nötig. 

Nach einer kleinen Odyssee durch Biomärkte, Supermärkte und Nussgeschäfte habe ich in einem Laden endlich Back-Pistazien gefunden. Jemand hatte fünf kleine Tüten à 70 g hinter verschmähten Erdnüssen im Regal versteckt. Oder vielleicht wollten sich die Pistazien einfach nicht für trendige Dubai-Schokolade aufopfern – die eigentlich zu einem großen Teil aus Pistazien-Creme-Imitat besteht. 95 Euro kosten die echte Pistazien pro Kilo, doch nicht nur wegen des Preises sollte man jede von diesen Nüssen ehren und bewusst verarbeiten. 

Zum Beispiel in dieser nordindischen Karotten-Halwa. Sie passt perfekt zu einem muckeligen Abend unter der Decke auf der Couch: 500g Karotten waschen, die Enden abschneiden und mit einer Reibe mittelgrob zerkleinern. In einen Topf 2TL Ghee (oder geklärte Butter/ Butterschmalz) geben und die geriebenen Karotten bei mittlerer Hitze für mindestens vier bis fünf Minuten leicht anbraten. 150g (ca. eine halbe Dose) gezuckerte Kondensmilch hinzufügen und auf kleiner Flamme so lange köcheln lassen, bis sich eine homogene, breiige Masse bildet. Mit einer Prise gemahlenem Kardamom würzen und eine Handvoll Rosinen hinzugeben. Noch einen halben TL Ghee hinzugeben. Fett ist immer gut. Die Karotten-Halwa wird mit (in einer Pfanne oder kurz im Ofen) gerösteten Nüssen garniert. Es eignen sich zum Beispiel Cashew-Nüsse, Mandeln, Haselnüsse und – wenn dieser TikTok-Trend endlich wieder vorbei ist – ein paar gefeierte Pistazien.