Kochkolumne von Mohamed Amjahid

Dieses Hefegebäck ist weder empowernd noch intersektional

Unser Kolumnist ärgert sich in letzter Zeit häufig über Modewörter, die in keinem Förderantrag fehlen dürfen und längst ihre Bedeutung verloren haben. Ehrlicher sind da seine georgischen Khachapuri mit sehr viel Fett

Es gibt Wörter, mit denen kann man mich als Autor jagen. Ich kann mir nun vorstellen, dass einige Leser:innen bei der folgenden Liste etwas überrascht sein könnten: "Empowerment", "Selfcare", "intersektional". Natürlich sind es nicht die Wörter selbst, die mich stören, auch nicht, dass sie oft aus dem Englischen übernommen werden, mehr hänge ich mich an deren inflationärer und inhaltsleerer Abnutzung auf.

Leute benutzen sehr selbstbewusst "intersektional" und halten sich inhaltlich nicht an die Bedeutung. Ich hatte vor einer Weile einen Aha-Moment und benutze stattdessen oft das Adjektiv "ganzheitlich", wie in ganzheitliche Betrachtung. Da fragt mich die Gerda auf meinen Lesungen auch nicht mehr, was "intersektional" bedeutet. Vor allem gilt es aber, diese Begriffe nicht nur auszusprechen, sondern ernst zu nehmen.

Ganz, ganz schlimm finde ich "postmigrantisch". Der Begriff taucht viel im Theater auf, "postmigrantisches Theater" nennt sich das dann. Frage ich hier und da nach, was das bedeuten soll, folgen gestanzte Sätze wie: "Naja, eben die Perspektive von Migrant:innen, die schon immer hier leben." Frage ich weiter nach, was diese Perspektiven konkret beinhalten, folgt oft theatrales Achselzucken. Dabei könnte sich dieses Theater locker und verständlich auch wie folgt nennen: Ich-mache-was-ich-will-Theater, das nicht immer den "zerbrochenen Krug" für das Bürgi-Publikum aufführen muss.

Lieber Kohlenhydrate als Förderantrags-Deutsch

Meine Vermutung: Diese in der Praxis ausgehöhlten Begriffe schleichen sich oft von den Förderanträgen bei Ministerien und Stiftungen in die inhaltliche Arbeit im Bildungssektor, in der Kulturbranche oder der Wissenschaft ein. Die Referent:innen haben halt entschieden, dass etwas "postmigrantisch" und "empowernd" und "intersektional" zu sein hat. Klingt gut. Was es dann konkret bedeutet, ist zweitrangig.

Ich fände es ehrlicher und auch ausreichend, wenn es einfach nur darum ginge, einer migrantischen Theaterfrauengruppe in einem benachteiligten Stadtteil ein kleines Stück Förderprogramm aus Mitteln des Heimatministeriums zu verschaffen. Das ist für mich Grund genug, es braucht dafür kein Förderantrags-Deutsch. Nebenbei wäre die Kommunikation dann barrierefreier und ansprechender.

So gar nicht sinnbefreit sind die georgischen Khachapuri, die ich gebacken habe. Sie sind vielmehr vollgepackt mit Kohlenhydraten, Fett und noch mehr Fett. Wer auf Diät ist ,sollte jetzt weiterklicken, denn die Kalorien könnten sich von diesem Rezept aus auf Teller und Hüften schleichen.

Auch ich brauchte Videos aus dem Netz

Zuerst kommt der Teig dran: Aus 400g Mehl, 20g frischer Hefe (7g Trockenhefe funktionieren auch, dieser Förderantrag ist nicht so dogmatisch), 1TL Zucker, 1EL Olivenöl, etwas Salz, rund 200ml warmes Wasser und 50ml warmer Milch wird ein Hefeteig geknetet. Er muss mindestens 30 Minuten in einer geölten und abgedeckten Schüssel Ruhen, um sein Volumen zu verdoppeln.

Nach einer zweiten Knetrunde auf einer bemehlten Arbeitsfläche nochmals mindestens 30 Minuten ruhen lassen. Aus dem Teig vier Portionen abtrennen und große, einen halben Finger dicke Ovale ausrollen. An den Seiten den Teig nach Innen rollen, links und rechts zusammenbinden so dass man ein Schiffchen dadurch formt. Im Internet gibt es Videos mit Anleitungen dazu (ich brauchte sie auch).

In einer Schüssel 250g geriebenen Mozzarella, 250g weißen Käse (Feta zum Beispiel) und 150g Hartkäse (zum Beispiel Pecorino) mit etwas Pfeffer mischen. Generell kann man auch seinen Lieblingskäse hinzufügen, Hauptsache schmelzfähig und würzig. Die Käsemasse in den Schiffchen auf einem mit Backpapier ausgelegtem Backblech verteilen. Ein Ei mit etwas Wasser verquirlen und damit den Teig bestreichen.

Für circa 15 Minuten bei 200°C vorbacken. Mit einem Esslöffel eine Kuhle in jedes Khachapuri-Schiffchen drücken. Jeweils ein Eigelb vorsichtig reinplumpsen lassen (wie man gut erkennen kann ist mir meins ausgelaufen, schmeckte trotzdem gut) und dann weiter vier bis fünf Minuten bei 200°C fertigbacken. Die Zeit kann je nach Ofen variieren, am besten nicht von hohlen Wörtern ablenken lassen und sich aufs Wesentliche konzentrieren: die goldbraune Farbe dieser kleinen Köstlichkeiten. Die Khachapuri mit einer Butterflocke drauf heiß servieren. Der goldbraune, geschmolzene Käse wird mit dem Ei auf dem Teller vermischt, die knusprigen Brotränder darin getunkt. Nein, sinnbefreit ist dieses köstliche Gericht wahrlich nicht.