Mohamed Amjahid, Sie sind Journalist und Buchautor, aber auch Hobbykoch – demnächst beginnt Ihre Kochkolumne auf Monopol Online. Was reizt Sie am Kochen?
Es ist eine Möglichkeit, von meiner eigentlichen Arbeit Abstand zu nehmen. Ich recherchiere zu Rassismus, Polizeigewalt, Feindlichkeit gegenüber Geflüchteten, ich sehe sehr schlimme Sachen in meinem Arbeitsalltag. Kochen und Backen ist so herausfordernd, dass man sich darauf konzentrieren muss. Und gleichzeitig ist es auch so emotional und politisch, dass es mir nicht langweilig wird.
Woher kommen Ihre Kochkünste?
Als ich 18 war und zum Studium aufgebrochen bin, hat meine Mutter gesagt: "Komm in die Küche, guck mir zu, du wirst es nicht bereuen." Im Studium in Tübingen konnte ich dann überhaupt nicht gut essen, weil ich sehr wenig Geld hatte. Und dieser Kontrast von: "Mama kocht mir das beste Essen der Welt" und "Mindestkalorien bei sehr geringem Budget" hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir über gute Ernährung und kulinarische Tradition nachdenken.
Wie viel Marokko steckt in Ihren Rezepten?
Sehr viel, nicht nur in Form von Gerichten. Da ist die Bricolage, also das Jonglieren mit Zutaten und Techniken, und dass man einfach etwas aus dem Kühlschrank zaubert, wenn Gäste kommen. Gleichzeitig habe ich großen Respekt vor anderen kulinarischen Praktiken, die oft mit Migrationsgeschichten verknüpft sind. Einige Länder in Europa wären ohne Migranten kulinarisch nicht sehr gut aufgestellt. In London hätten sie ein Problem, wenn da nicht eine große pakistanische und indische Diaspora wäre. Und in Frankreich ist die Küche auch von überall geklaut.
Die Appropriation-Debatte in der Kulinarik?
Es geht nicht darum, zu sagen, wem was gehört. Aber Genuss bedeutet auch respektvoller Umgang mit Tradition. Ich bin ausgebildeter Anthropologe. Da lernt man als Erstes: Wenn man irgendwo ist, dann muss man das Essen zu sich nehmen, auch wenn man es nicht mag.
Was essen Sie am liebsten?
Jede Art von Tajine, lange geschmort, butterweich. Es kann auch vegan mit saisonalem Gemüse sein. Man kann ganz einfach Kartoffeln und Möhren kombinieren, wenn man die richtige Gewürzpaste anrührt, ist das ein wunderbares Gericht.
Apropos Kartoffeln, so werden manchmal weiße Deutsche bezeichnet, aber was verstehen Sie unter einer Süßkartoffel?
Kartoffel ist, wenn man einige weiße Deutsche fragt, ein Schimpfwort. Ich würde mir allerdings wünschen, dass mich Menschen nach einem Gemüse benennen, für meine Wenigkeit gibt es ganz andere Schimpfwörter. Deswegen ist Süßkartoffel der anerkennende Begriff, um weiße Deutsche zu beschreiben, die sich Mühe geben, sich rassismuskritische, queerfeministische Belange anzuschauen, obwohl sie vielleicht nicht selbst betroffen sind. Kartoffel und Süßkartoffel zeigt auch, wie politisch kulinarische Diskussionen sein können.
Ihr nächstes Buch handelt nicht vom Essen, sondern vom Sex. Was hat beides miteinander zu tun?
In dem Buch schreibe ich über Sexualität und Körperlichkeit von Menschen in Nordafrika. Es gibt keine hedonistischeren Gesellschaften als die nordafrikanischen oder allgemein die mediterranen.
Geht Liebe dort durch den Magen?
Auf jeden Fall. Meine Mutter sagte immer: Sei nicht wie die Deutschen, wo man darum bitten muss, ein Glas Wasser zu bekommen. Deswegen ist es für mich selbstverständlich, wenn ich Gäste habe oder zu Gast bin, dass ich meine Anerkennung oder Liebe mit etwas Selbstgekochtem ausdrücke. Ich würde mir wünschen, dass deutsche Leitkultur sich da eine Scheibe abschneidet.