Gala Goebel, was bedeutet die Ausstellungsreihe "Connect Leipzig" im MdbK für junge Künstler?
"Connect" ist genau das, was wir brauchen in der Zeit nach dem Studium. Es bedeutet, gesehen zu werden, Menschen kennenzulernen. Es ist eine Unterstützung. Ich hätte die Ausstellung so alleine nicht machen können. Und ich erreiche dadurch andere Menschen. Wenn ich, was ich supergerne mache, im Projektraum um die Ecke ausstelle, dann kommen dahin Menschen, die selbst Kunst machen, sich intern über Kunst austauschen. Hier habe ich eine Öffnung zu einen größeren Kreis.
Wie funktioniert der Übergang vom eher geschützten Rahmen des Studiums in den Kunstmarkt?
Das Leben nach dem Studium besteht aus Bewerbungsverfahren! Das hier war eine von 35 Bewerbungen, die ich in dem Jahr abgeschickt habe. Natürlich klappt da sehr wenig. Videokunst ist vielleicht schwerer zu präsentieren, ich verstehe das aus Kuratorensicht. Was ich bei dieser Bewerbung so toll fand: Es ging darum, eine Arbeit, ein Raumkonzept, eine Idee vorzulegen. Nicht darum: Wie lange hast du studiert? Welche Ausstellungen hast du zuletzt gemacht? Es stand erstmal die Arbeit im Vordergrund. Das befreite mich aus dieser Denke: Ich muss einen Text schreiben, da muss ich mich gut darstellen. Oder diesem Drang: Es muss irgendwas gesellschaftlich Relevantes sein. Sich mit etwas rein Ästhetischem zu bewerben, das ist schwierig.
Tatsächlich sind die Arbeiten ja eher still ohne offensive Botschaft. Hat es so eine Kunst eventuell schwerer, ausgestellt zu werden?
Ja, ich habe neulich eine Ausschreibung gesehen, da war das Kriterium für die Ausstellung "gesellschaftlich relevante Themen". Ich dachte: Kunst ist gesellschaftlich relevant. Auch wenn sie eine rein ästhetische Herangehensweise an irgendetwas ist! Und natürlich ist es ganz bewusst so, dass die Arbeiten leise sind, vielleicht fast langweilig, mit Wiederholungen, weil mich genau das nervt - dieser Zwang zum Politisch-Konkreten. Es gibt ganz fantastische politische Kunst, aber dass es immer so sein muss, das finde ich schwierig.
Wie entstehen Ihre Arbeiten?
Das sind oft Bilder, die auftauchen, emotional wirken – das klingt super abgedroschen, aber ich kann es nicht anders sagen –, Bilder, die einen situativen Wahrnehmungscharakter haben. Die Arbeit da drüben heißt "One RPM", das steht manchmal am Auto: one revolution per minute. Und das ist ein geiles Bild, wenn man es wörtlich nimmt. Das ist eine sehr große Forderung. Es ist definitiv total utopisch und passt zu dem, was ich gerade vielfach beobachte und erfahre.
Also ein eher lyrisches Verfahren, das von einem Ding ausgeht?
Die Bilder kommen tatsächlich oft von Dingen: Ich räume auf und ich ärgere mich tierisch, dass mein Freund die Verpackungsfolie nicht weggeräumt hat. Und ich nehme die in die Hand und merke: Oh, sieht aus wie ein Schwimmring. Könntest du damit schwimmen? Dann spiele ich damit: Was passiert, wenn du das anziehst? Und wie passt das zu einem bestimmten Sicherheitsbedürfnis, das da ist und einem von außen gegeben wird.
An Ihren Arbeiten fällt auf, dass Körperlichkeit und Geschlecht ausgeklammert sind. Inwiefern spielt Geschlecht trotzdem eine Rolle in der Kunstwelt?
Was das Geschlecht angeht, merke ich, dass ich mich unglaublich zusammenreißen muss, nicht nett zu sein. Ich habe das so drin, dass ich nett sein muss – und ich merke bei männlichen Kollegen: Die müssen nicht nett sein. Und das ist total okay. Aber wenn ich nicht nett bin, dann ist es natürlich ein Problem. Ich merke auch, dass Professorinnen es viel schwerer haben, nicht nur im Kollegenkreis. Die müssen so viel mehr leisten, um anerkannt zu werden.
Gerade die Arbeiten junger Künstlerinnen kreisen um Körperlichkeit, auch um die Art, wie Frauenkörper in Social Media präsentiert werden. Vieles davon ist sehr plakativ.
Das ging mir heute auch so, als ich durch den Katalog zur Netzkünstlerinnen-Ausstellung "Virtual Normality" geblättert habe. Es ging auch um Privatsphäre, aber das meiste, woran ich mich erinnern kann, waren sehr laute, offensive Arbeiten. Ich verstehe, wo das herkommt, aber mich langweilt es manchmal. Da gehen vielleicht spannendere Sachen unter.
Einen Social-Media-Account besitzen Sie nicht, was ungewöhnlich wirkt angesichts der Klischees von Digital Natives oder der Generation Y. Ist das Protest, oder schlicht Desinteresse?
Kein Desinteresse, aber ich habe noch kein soziales Medium gefunden, mit dem ich irgendwie klarkommen würde. Oder bei dem ich sagen würde, ich persifliere das, was anderen Leuten ziemlich gut gelingt. Also ich finde Social Media unglaublich interessant, unglaublich erschreckend, aber das ist gerade nicht mein Thema. Es ist auch kein Protest, aber es ist nichts, was ich ansatzweise gut finden würde. Ich bringe es nicht übers Herz, meine Daten an einem der mächtigsten Konzerne der Welt zu geben.