M.I.A., Sie haben mit Regisseur Stephen Loveridge Kunst studiert. Warum haben Sie ihm dieses sehr persönliche Video-Material anvertraut, um einen Film daraus zu machen?
Er hat die Geduld eines Mönches, schon für die Aufnahmeprüfung für das College hatte Stephen einen einstündigen Film gemacht. Ich dachte, wenn jemand so einen Aufwand betreibt, muss er das Medium wirklich lieben. Deswegen habe ich an ihn geglaubt. Am Anfang hatte ich gehofft, wir würden dabei mehr zusammenarbeiten. Ich hatte mir einen drastischen, verrückten und visuell überbordenden M.I.A.-Film vorgestellt. Aber genau diesen Film hat er dann nicht gemacht. Und mein Vertrauen habe ich im Verlauf des Arbeitsprozesses mehrfach völlig verloren.
Trotzdem kommt der Film jetzt in die Kinos. Was denken Sie über das Ergebnis?
Als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, mochte ich ihn nicht. Er war mir viel zu persönlich und hat zu wenig Passagen, in denen es um Kunst geht. Außerdem hat Stephen nichts von dem Material verwendet, das cool ist. Der Film ist völlig uncool. Mein erster Gedanke war: Er hat unsere Idee getötet und etwas völlig anderes daraus gemacht. Heute weiß ich, es war zunächst einfach zu viel auf einmal für mich. Ich musste das erst einmal verdauen. Als ich den Film noch einmal gesehen habe, musste ich fürchterlich weinen. Es ist schwierig für mich, all diese persönlichen Dinge über mich und meine Familie zu sehen.
Die Essenz des Films war für mich, dass Sie immer eine Fremde geblieben sind, egal wo Sie gelebt haben.
Ich konnte mich nicht anpassen, weil ich das Gefühl hatte, dadurch essentielle Dinge aufzugeben, die mich und meine Persönlichkeit ausmachen. Es hat zum Beispiel ewig gedauert, bis ich meine Herkunft aus Sri Lanka annehmen konnte. Eine Einwanderin und ein Flüchtling zu sein, war ein Label. Die verrückte Kunststudentin zu sein, war ein anderes Label. Ich konnte mich aber nicht für eines dieser Labels entscheiden, denn das hätte bedeutet, einen großen Teil meiner Erfahrungen zu leugnen. Ich bin viele Dinge auf einmal. Irgendwann war mir klar, ich muss mein eigenes Zuhause finden. Und in gewisser Weise ist die Kunst mein Zuhause geworden.
Warum wollen Sie dann kein neues Album mehr veröffentlichen?
All meine Verträge waren irgendwann ausgelaufen und ich wollte keinen neuen unterschreiben. Die Musikindustrie und ich haben uns zu sehr auseinandergelebt. Ich passe nicht mehr in das Muster dessen, was sie für eine Musikerin halten. Ich fühle mich nicht mehr wohl in ihrer Welt. Und die letzte M.I.A.-Tour war die schrecklichste Zeit meines Lebens.
Warum hat die Musikindustrie Sie fallen gelassen?
Meine politische Musik passte einfach nicht mehr zum globalen Zeitgeist der optimistischen Obama-Ära. Dabei wurde ja kaum etwas besser. Im Gegenteil. Die Reichen wurden noch reicher und die Armen ärmer. Und plötzlich hassten mich alle, weil ich nicht mitmachen wollte, als sei ich eine Art Krebsgeschwür für die Gesellschaft. Deswegen wollten sie mich loswerden, und das haben sie dann auch getan, auf die harte Tour. Ich wurde als paranoide Verrückte dargestellt, die undankbarerweise Ruhm und Erfolg hasst. Ich bin dann mit meinem Baby auf Tour gegangen. Und niemand kam mehr zu meinen Konzerten. Und ich hatte das Gefühl, von allen verlassen und verraten zu sein. Selbst Freunde und enge Mitarbeiter, Menschen die ich gefördert hatte, wollten plötzlich nichts mehr von mir wissen. Auch dieser Aspekt kommt kaum im Film vor, was ich mir auch anders vorgestellt hatte.
Welche Rolle spielt die Malerei für Sie noch als Ausdrucksmittel?
Ich werde nicht wieder malen. Aber ich würde gerne einen Film über die Dinge machen, die mich bewegen.
Welche Themen sind das?
Zum Beispiel die Politik und die sexuelle Gewalt gegen Frauen in Sri Lanka. Das kommt in der Dokumentation nur am Rande vor und ist einen eigenen Film wert. Es soll ein Spielfilm werden. Er wird kontrovers und problematisch. Und vielleicht sollte ich auf den richtigen Zeitpunkt warten, bis die Gesellschaft sich so weit geändert hat, um damit umgehen zu können. Ich habe da auch ganz eigene, verrückte Ideen, die ich bisher noch nicht mit anderen Künstlern teilen konnte. Ich glaube, ich muss die Sache wieder einmal ganz alleine stemmen. Ich schreibe jetzt seit vier Jahren am Drehbuch.