Angst vor Elektrosmog

Aluhut in gut

Die Abwehr vermeintlich gefährlicher Strahlen aus Radiowellen, WLAN, 5G oder Stromleitungen treibt immer neue Blüten. Mitunter entstehen dabei sogar poetische und schöne Sachen

Dass Menschen Angst vor elektromagnetischen Feldern haben, ist kein neues Phänomen. Bereits im 19. Jahrhundert gab es spezielle Umhänge für Menschen, die Sorge hatten, die aufkommende Elektrizität und Strahlen von Hochspannungsleitungen würden gesundheitliche Schäden hervorrufen. Als 1890 in Reichenhall ein Elektrizitätswerk eröffnete, war es den Beamten der Königlichen Generaldirektion in Bayern verboten, an der Veranstaltung teilzunehmen oder gar das Werk zu betreten. Aber nicht nur die Elektrizität, auch die immer weiter verbreitete Telefonie und Telegrafie sorgte für Unbehagen. Zeitungen in den USA berichteten über angeblichen Zahnausfall und Menschen, die verrückt wurden. 

Ob Strahlen durch Funkwellen, WLAN, 5G oder Stromleitungen gefährlich sind, ist bis heute nicht eindeutig belegbar. Dazu kommt, dass die vermeintliche Gefahr unsichtbar ist, nicht riecht und sonst auch kaum wahrnehmbar ist. Fest steht aber auch, dass heute über Mobilfunk viel mehr Daten transportiert werden als noch vor wenigen Jahren. Die Strahlung wird mit der Zeit also immer intensiver. 

Die Angst vor Elektrosmog ist vor allem in esoterischen und verschwörungsideologishen Kreisen verbreitet. Rosenquarz, Edelmetalle und allerhand anderes Schutzzubehör gibt es online zu kaufen. Die meisten Sachen sind dabei sehr teuer, wie das Somadevic Gold, dessen Technologie "auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Quantenphysik und der Wissenschaft von Edelsteinen und Mineralien basiert". Interessant wird es später: "Alle Materie besteht aus Informationen. Unsere Gedanken, Gefühle und Erfahrungen – also alle bewussten und unbewussten Informationen, ebenso wie die Informationen unserer Vorfahren – sind in unserer DNA gespeichert. Mit anderen Worten: Sie ist in einer virtuellen Wolke gespeichert – unserem Quantenfeld. Das Quantenfeld ist also voller Informationen, die über eine Verbindung zu den Quantenwellen, die das Feld aussendet, abgerufen werden können. Der Zugang zu den richtigen Informationen aus dem Quantenfeld ermöglicht den positiven Einfluss von Quantenwellen auf die Umgebung, in der wir leben. Wenn wir etwas in unserem Leben ändern wollen, müssen wir zuerst das Feld ändern. Die Realität folgt dem Feld."

Pseudowissenschaft versetzt Berge

Virtuelle Wolke, Quantenfeld, Gefühle, die in der DNA gespeichert werden – das sind interessante Gedankengänge. Ob sie den Preis von 5100 Euro legitimieren, sei dahin gestellt. Aber Glauben versetzt bekanntlich Berge. Pseudowissenschaft offenbar auch.

Nun hat die britisch sri-lankanische Musikerin Maya Arulpragasam, besser bekannt als M.I.A., auch eine eigene Anti-5G-Klamottenmarke gestartet. Anfang des Jahrhunderts machten sie ihre Alben "Arular" und "Kala" weltweit bekannt. M.I.A. war die erste Musikerin asiatischer Abstammung, die im selben Jahr sowohl für den Grammy als auch für den Oscar nominiert gewesen war. OHMNI heißt die Brand und M.I.A. stellte, als wäre das eine nicht genug, ihre Kollektion bei Alex Jones und seiner Plattform Infowars vor, die für sich in ihren Jahren oft als Verstärker seltsamer Weltansichten profilierte. Dort sprach M.I.A.,als sie die Items wie bei einer Homeshopping-Sendung präsentierte, von dem "bösen Staub", der uns überall umgebe. Alex Jones steigt darauf ein, als er meint, dass diese Kollektion einfach nur genial sei, weil die CIA es liebe, uns durch Stil und Mode zu kontrollieren – was das auch immer heißen mag. 

Schwurbler Couture sah noch nie so hip aus

Bei OHMNIA gibt es schick schimmernde Anglerhüte, T-Shirts, Brusttaschen, Jacken, Hoodies, Taschen und Ponchos. Ein Hoodie kostet 250 Dollar, die Pufferjacke 400 Dollar. Die Boxershort kostet 50 Dollar. Nicht günstig, aber es gibt Mode, die kostet wesentlich mehr. Zuerst muss man sagen, dass Schwurbler Couture noch nie so hip aussah wie von M.I.A. Sonst zeigte sich die Szene ja eher stildistanziert. Die silbrig glänzenden Shirts und Hosen machen optisch einen guten Eindruck. Verarbeitet werden Fäden aus Kupfer und anderen Metallen, die dazu dienen sollen, die Strahlen abzuwehren.

Die Website von OHMNI beschreibt die Kleidung als "die Rüstung des modernen Ritters im Zeitalter der technologischen Kriegsführung". Kriegsfelder seien Kryptos, Smart Cities, KI, Neuralink, Überwachungstechnologien, Social Media, Datamining und soziale Kreiditpunktesysteme wie in China. Alles Dinge, die man kritisch betrachten sollte. So gesehen wirken die Outfits aber gar nicht martialisch kriegerisch sondern eher städtisch gechillt. Kriegt man damit Prepper von Cargohose und Schrotflinte weg?

Für viele ist die Sache klar: M.I.A. ist völlig falsch abgebogen und ist nun komplett durchgeknallt. Dass Metall in der Lage ist, Strahlen abzuwehren, ist aber richtig, Smartphone-Cases oder Taschen, die Handys abschirmen, gibt es schon eine ganze Weile. Allerdings mit gegenteiligen Effekt. Hat das Telefon kein Netz, versucht es mit ganzer Kraft Empfang zu bekommen, der Akku entleert sich schneller und das Gerät arbeitet auf Hochtouren, obwohl es eigentlich nicht gebraucht wird.

M.I.A. besitzt in der Selbstdarstellung auf der Website aber eine gute Portion humorvolle Distanz. Hier heißt es: "Wenn die Verschwörungstheoretiker falsch liegen, gut für dich, du trägst dann einfach Kleidung mit purem Silber und anderen wertvollen Metallen. Aber, falls sie doch recht haben, könntest du die Zukunft der Menschheit gerettet haben. Willkommen bei OHMNI! Ich könnte ein Genie sein, aber auch eine Betrügerin."

Ganz ehrlich, ich finde diesen Ansatz charmant. Er lässt in Zeiten von völlig verkrampften und verhärteten Frontaldiskursen Zwischenräume zu. Die Kollektion spaltet nicht, sie bietet Möglichkeiten an. Man kann Elektrosmog kritisch hinterfragen, ohne gleich an Quantenfelder oder die Erde als Scheibe glauben zu müssen. Versuchen kann man es ja, stört niemanden und der klassische Aluhut ist ja auch unpraktisch und sieht wirklich nicht gut aus.