Textilien sind beliebtes Medium einer alternativen Kunstgeschichte. Weich statt hart, eher weiblich statt männlich, gefährlich nah am Kunsthandwerk, marginalisiert. Filzen, weben, sticken, nähen, Patchworks und Quilts collagieren, all das sind Praktiken, die genauso für Tradition wie für Subversion stehen können. Und die Fäden, die sich zu einem Ganzen verweben, sind gleichzeitig eine Metapher für kollektives Arbeiten und gelebte Praxis.
Die Ausstellung "Soft Power" im Kunsthaus Minsk in Potsdam verrät schon im Titel, dass sie ihr Thema politisch versteht – allerdings ohne dabei zu vergessen, welche sinnliche Verführungskraft Textilien in der Kunst haben können. Die kürzlich wiederentdeckte US-amerikanische Bildhauerin Rosemary Mayer nutzte in den 1970er-Jahren Stoffe, um dem herrschenden Minimalismus eigene, wenn auch ebenfalls abstrakte Formfindungen entgegen zuhalten – Mayers große Wandinstallation "Hroswitha" (1973) breitet sehr eindrucksvoll ihre Flügel aus und markiert dabei einen Punkt, der ganz klar auf der Seite der Ästhetik liegt, genauso wie die elegante Installation aus Leder und Hanf von Leonor Antunes oder das glamouröse Wandbild, das Gulnur Mukazhanova aus Brokat, Lurex und Velours zusammengesetzt hat – es geht der aus Kasachstan nach Deutschland emigrierten jungen Künstlerin auch um die Übersetzung nomadischer Traditionen, um Migrationserfahrungen, Brüche und das Zusammensetzen zu etwas Neuem.
Auch die Analyse fordert ihren Raum
Textilien kommen dem Körper nah, und mehr als einmal muss man in der Ausstellung dem Impuls widerstehen, kurz mal anzufassen. Den puscheligen Mantel aus langen Wollfäden, den Caroline Achaintre als Wandbild zeigt, möchte man sich gleich umhängen und selbst zur Mythenfigur des "Alberich" (2022) werden.
Doch gleichzeitig fordert auch die Analyse ihren Raum: In einem Haus, das sich bewusst mit dem Erbe der DDR auseinandersetzt, wird gut marxistisch die materielle Grundlage der Stoffproduktion nicht vernachlässigt. Otobong Nkanga reflektiert in dem prächtigen Wandteppich "Infinite Yield" (2015), dass der Ertrag der Erde eben nicht unendlich ist, sondern dass der Mensch die Ressourcen für seine Zwecke ausbeutet. Und Ramona Schacht zeigt unter dem Titel "Sanfte Hände" (seit 2022) Archivfotografien von Arbeiterinnen in Leipzig und Kiew, die Webstühle bedienen – Urbild der Industrialisierung.
Eine Überraschung ist ein sehr ironischer Wandteppich der DDR-Dissidentin Gabriele Stötzer, die als junge Frau in Haft kam und schonungslos über diese Erfahrungen schrieb, später in Erfurt eine Galerie betrieb und in feministischen Kreisen aktiv war. Zunächst könnte man denken, der Teppich zeige vielleicht ein etwas grobes florales Motiv, aber sein Titel lautet "Großer Schwanz", und genau das ist zu sehen.
Decken aus Afroamerika und Ostdeutschland
Wie so oft im Minsk Kunsthaus schafft auch "Soft Power" eine originelle Verbindung zwischen hochkarätigen internationalen Werken – unter anderem von William Kentridge, El Anatsui oder auch der seit ihrem Biennale-Auftritt vor zwei Jahren allgegenwärtigen Roma-Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas – und der lokalen Tradition. Die Quilts und Patchwork-Decken stammen hier nicht nur aus afroamerikanischen Kontexten, sondern auch von der Ostdeutschen Gestalterin Elrid Metzkes und der "Zirkel für künstlerische Textilgestaltung Potsdam" wird als Grassroots-Beispiel für ein mit Textil arbeitendes Kollektiv ausführlich gewürdigt.
Direkt daneben liegt Rosemarie Trockels lakonisch-komischer grauer Teppich mit den unendlich wiederholten eingewebten Worten "Made in Western Germany". Die Perspektive der alten Bundesrepublik ist hier, in diesem wunderbar hergerichteten ehemaligen DDR-Restaurant, eher Slapstick als Norm – auch dafür stehen die Ausstellungen im Minsk.