Initiative "Making Waves"

Wellen schlagen

Seit gut sechs Jahren baut der Künstler Daniel Seiple in Berlin mit Geflüchteten ein Motorboot. Das Projekt "Making Waves" verknüpft Sozialarbeit mit künstlerischer Symbolpolitik. Jetzt steht die Jungfernfahrt kurz bevor

Das Unternehmen "Making Waves" begann 2017, als der US-amerikanische Künstler Daniel Seiple zusammen mit einer Gruppe von Geflüchteten anfing, Modelle von Motorbooten zu entwerfen und zu bauen. Anschließend konnte die Gruppe, die bis heute aus einem sechsköpfigen Kern und zahlreichen wechselnden Mitstreitern besteht, in Workshops handwerkliche Fertigkeiten aus den Bereichen Zimmerei und Schreinerei erlernen. Schließlich kam 2018 die Phase der Entwicklung und Fertigstellung des von der Gruppe designten, etwa zehn Meter langen Bootes in einer Halle der Berliner Bildhauerwerkstätten. Drei Jahre später siedelte man auf das Gelände der "Fahrbereitschaft" um, ein Areal der Haubrok Foundation in Berlin-Lichtenberg, auf dem diverse Künstlerateliers ebenso zuhause sind wie die Ausstellungshalle des Sammlerehepars Axel und Barbara Haubrok und die Galerie Adamski.

Dank dieses Lernprozesses in besagten Workshops konnten Seiple und seine Mitstreiter den Bau des Motorboots komplett in Eigenregie ausführen. Von der Konstruktion der hölzernen Grundform des Schiffes über die Verschalung bis hin zum Einbau von einer kleinen Kochfläche und Schlafgelegenheiten für zwei Erwachsene und zwei Kinder legten die Geflüchteten in so konzentrierter wie kollegialer Teamarbeit selbst Hand an.

Bei der Konzeption wurde ein besonderes Augenmerk auf einen möglichst umweltfreundlichen Energieverbrauch gelegt. Immerhin ist das Boot jetzt bis zu 25 Knoten schnell. Finanziert wird das Unternehmen "Making Waves" in erster Linie durch Sponsoren, aber auch durch die Unterstützung von amtlichen Stellen, etwa dem Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und dem Job-Center Lichtenberg. Dennoch gab es bei dem Bau in den letzten Jahren immer wieder Verzögerungen, die meist finanziellen Engpässen geschuldet waren.

Kalkulierte, künstlerische Symbolpolitik

Begleitet wurde der Bau durch die Präsentation des Projektes auf diversen Bootsmessen, aber auch auf Kunstausstellungen, etwa im Museum Lichtenberg oder 2021 in der Gruppenausstellung "Porös" der Berliner Initiative Sculplobe. Auch auf der Documenta 15 war das Team für den Beitrag des Kollektivs ZK/U, dem gescheiterten Versuch einer aktivistischen Bootsfahrt von Berlin nach Kassel, unterstützend aktiv. Wellen schlagen will "Making Waves" nicht nur als soziales Projekt zum Zwecke einer besseren Integration und beruflicher Qualifikation der Geflüchteten. Auch soll den Beteiligten, die zum Teil als "Boat People" nach Europa kamen, im so lustvollen wie kooperativen Umgang mit dem Boot ein Stück weit die Angst vor Wellen und Wasser genommen werden.

Nicht zuletzt versteht sich "Making Waves" als wohlkalkulierte künstlerische Symbolpolitik. Die Initiative versuche, mit dem gängigen "Opfer- und Armutsnarrativen der Flüchtlingskrise zu brechen", sagt Daniel Seiple. Als "Motorboot People" treten die Beteiligten für ihre Chance auf Wohlstand ein, inklusive sportiver Freizeit, die für viele Mitmenschen selbstverständlich ist. Außerdem erscheinen Geflüchtete hier nicht mehr als anonyme Gruppe, sondern treten als selbstbewusste Individuen in Erscheinung, bekommen Namen und Gesichter: Hassan Aji, Samir Al Hajar, Hanna Aljarada, Walid Bara, Momtaz Dmashki, Nafee Kurdi vor allen sind im "core team” der Initiative tätig.

So gelingt es dem Projekt, als Hybrid von konkretem sozialem Handeln und symbolischem Verhandeln zu zeigen, dass Symbolpolitik vor allem dann wirkungsvoll ist, wenn sie mit tatsächlicher politischer Arbeit verknüpft ist. Das alternative Narrativ des sich selbst lustvoll verwirklichenden Individuum mit Fluchthintergrund und die damit einhergehende Schaffung von "Gegenöffentlichkeit" erscheint hier umso überzeugender, weil beides sein Fundament in dem jahrelangen Prozess des engagierten Schiffbaus hat. In diesem Sinne: Möge die Jungfernfahrt gelingen.