Wer sich selbst als "zerfressen von Ehrgeiz" beschreibt, sammelt nicht gerade Pluspunkte. Cecil Beaton meinte diese Selbstcharakterisierung allerdings positiv. Elitesehnsucht und Egomanie gingen bei dem schillernden Fotografen, der beide Queens Elizabeth samt Sippe vor seine Linse bekam, Hand in Hand. "Er war ein furchtbarer Emporkömmling, er liebte die Royals", gibt Kollege David Bailey in dem Dokumentarfilm "Love, Cecil" sichtlich angeekelt und gleichzeitig amüsiert zu Protokoll. Das Vorbild für Antonionis "Blow-Up" muss es wissen. Schließlich hat er 1971 selbst einen Film über Beaton gedreht, der zwischen Bewunderung vor dessen Werk und Abneigung für Beatons Besessenheit vom britischen Klassensystem schwankt. Lisa Immordino Vreeland, Ehefrau des Enkels der Mode-Ikone Diana Vreeland, zeigt sich in ihrer eigenen Hommage "Love, Cecil" gnädiger, obwohl auch ihr die Schattenseiten des Dandys nicht entgehen.
Glamour ist harte Arbeit. Deswegen fangen die besten Vertreter des Fachs möglichst früh an. Beaton, Sohn eines zu Wohlstand gekommenen Holzhändlers, sah man schon als Teenager an, dass er lieber mit seinen Schwestern konkurrierte als mit gleichaltrigen Jungs. Der Schminktisch seiner Mutter zog ihn magisch an. Es dauerte nicht lange, bis sich der schmale Beau als Frau oder Vorläufer eines Rockstars verkleidete, lange vor den androgynen Glamrock-Eskapaden eines David Bowie.
Am meisten schockierte er damit seinen Vater, einen Patriarchen, der ihn eigentlich zu seinem Nachfolger auserkoren hatte. Cambridge besuchte Beaton 1922 nur, um einen Theater-Club zu gründen und ein gleichgesinntes Netzwerk aus superreichen Snobs und mehr oder weniger begabten Künstlern zu knüpfen. Ein Abschluss war für den begnadeten Selbstdarsteller überflüssig. Das Entree in die bessere Gesellschaft hatte der Autodidakt längst in der Kamera gefunden. Erst setzte er seine Schwestern weltentrückt in Szene, dann den ähnlich androgynen Schlossherren und Society-Darling Stephen Tennant. Unzählige Fotografien bezeugen ihre zwillinghafte Doppel-Existenz.
Der Appetit auf Anerkennung wurde größer. An willigen Objekten mangelte es nicht. Liebhaber, Prominente, Filmstars und alle, die es werden wollten, ließen sich von Beaton in Zellophanwolken und Silberfolie (Achtung! Warhol) einpacken. Mitunter stahl der Dekor ihnen die Schau, sie verkamen zum Ornament einer übermächtigen Kulisse, aber der spätere Ruhm war ihnen immerhin gewiss.
Den ultimativen Kick brachte der Aufenthalt in Amerika. In New York verteilt der Schönheitsexperte in einer Wochenschau Attraktivitätsnoten an die amerikanischen Frauen – sie sind den Engländerinnen hoffnungslos unterlegen. Als die Kamera vermeintlich nicht mehr läuft, prüft er unsicher seine Fingernägel und fotografiert anschließend das Straßengewirr in zeitgemäßer Licht-Schatten-Ästhetik.
Auch diesen Stil beherrscht er perfekt, aber nur in der auf Überwältigung setzenden Scheinwelt der Mode fährt der Brite offenbar zur Hochform auf: Hier verknüpft er Rokoko mit Surrealismus, Romantik mit dem Expressionismus des deutschen Films. Dank der herausragenden Arbeit für die amerikanische "Vogue" kann sich Beaton in der Heimat ein Refugium auf dem Land leisten. In Ashcombe herrscht ein einziges Kommen und Gehen. Kostümfeste und Party nonstop. An potentiellen Liebhabern mangelt es nicht, auch wenn die Amouren mit dem Workaholic nicht wirklich gelingen wollen.
Dann 1938 der Blick in den Abgrund: Beaton versteckt in einer "Vogue"-Illustration antisemitische Hetze. Warum, kann er sich nachhinein selbst nicht erklären. Größenwahn? Arroganz? Streit mit den jüdischen Besitzern? Who knows.
Er wird geächtet, zwei Jahre lang, die schlimmste Strafe für jemanden, der die tägliche Dosis Bestätigung braucht. Mit Dokumentarfotos von verletzten Kindern und den Bombenschäden in London arbeitet er sich wieder hoch. Die Buße geht sogar so weit, dass er sich an Kriegsfotos versucht und dabei unverhohlen seinem Interesse für gut gebaute Soldatenkörper huldigt. Die Feier des Eros auf dem Schlachtfeld gefällt nicht jedem. Der Neuanfang gelingt trotzdem. Beaton ist einfach eine Klasse für sich. Selbst die alternde Garbo, die er umwirbt, kann sich seinem Charme nicht entziehen, wenn auch diese Beziehung trotz Heiratsantrag schnell wieder vorbei ist.
In der Nachkriegszeit und den Swinging Sixties kreuzen Truman Capote, Francis Bacon, Lucian Freud, Gilbert & George, Warhol und Mick Jagger seinen Weg. Das Multitalent bekommt zwei Oscars für die Kostüme und das Szenenbild in "Gigi" und "My Fair Lady" - aus heutiger Sicht eine Orgie aus hypertrophen Frauenfiguren, die in Paradiesblumenkleidern durch eine schwülstige Belle Époque schweben.
Regisseur George Cukor dankt ihm den Erfolg mit offen zur Schau gestellter Hassliebe. "Er sammelt Feinde wie andere Rosen", kommentiert der chronisch kichernde Capote das Verhalten des an Widersprüchen reichen Freund. Und tatsächlich, man glaubt seinen Ohren nicht, wenn er in einem Interview gegen Kollegen wie Evelyn Waugh oder die "vulgären Burtons" (Liz Taylor und Richard Burton) austeilt, als möchte er geradezu einen Krieg anzetteln. Dann ist die bissige Diva plötzlich großzügig. Sie kauft dem jungen David Hockney, der ihn liebevoll "alte Tunte" nennt, Bilder ab, damit dieser nach Amerika reisen kann.
Und auch als Betrachter des von der Regisseurin wunderbar akribisch recherchierten und mit spannendem Originalmaterial vollgestopften Lebenskarussells ist man hin und her gerissen. Beatons Eitelkeit ist es wohl zu verdanken, dass sich in Archiven unzählige Radio- und TV-Interviews finden lassen, von den auskunftsfreudigen Tagebüchern ganz abgesehen.
Vor allem im reiferen Alter gibt sich der streitlustige Individualist melancholisch und erstaunlich selbstkritisch. Er vermisst bei sich einen "intellektuellen Ansatz", plädiert aber auch immer wieder für den Aufbruch zu neuen Ufern, um dem Banalen und Gewöhnlichen zu entkommen, sei es nur in der Gärtnerei, die er in den letzten Jahren vor seinem Schlaganfall natürlich meisterlich beherrscht. Man bekommt nicht genug von diesem flüssig fabulierenden Porträt eines ganzen Jahrhunderts mit all seinen wechselnden Akteuren. Die meisten von ihnen, wenn sie nicht viel zu früh ausbrennen, verbindet eine nicht immer angenehme Unausgeglichenheit, aber auch das unbedingte Streben nach Kreativität, die Geschichte schreibt.