Louise Bourgeois in Oslo

Sie war nicht allein

Louise Bourgeois wird oft als große Einsame gesehen, dabei war sie bestens vernetzt und teilte ihre Themen mit anderen Künstlerinnen. Das Nationalmuseum in Oslo bringt ihre Werke nun mit verwandten Positionen ins Gespräch

Allein war Louise Bourgeois mit ihrer Fixierung auf deformierte weibliche Körper nicht. In der weitläufigen Ausstellung "Imaginary Conversations" im neuen Nationalmuseum stecken nicht nur ihre, sondern auch andere Torsi in der Sackgasse eines Gebärapparats, der sie nicht freigibt. Ob Carol Rama oder Dorothea Tanning, bereits ihre eigene Generation der Surrealistinnen wies erstaunliche Parallelen in der verstörenden Darstellung der weiblichen Zwänge auf, nur dass Bourgeois ihre eigene Biografie und ihr ambivalentes Verhältnis zum Körper zum Zentrum ihrer Arbeit gemacht hat.

Das tat auch die polnische Bildhauerin Alina Szapocznikow unter dem Eindruck der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Als Holocaust-Überlebende verstand sie den Körper als Quelle der Freude und des Leids. Unvergessen ihre zum "Dessert" drapierten weiblichen Brüste, oder ihre Lampen aus roten Lippen, die mit Bourgeois´ in Schränken steckenden rosa Stoffköpfen aufs Grausamste konkurrieren können.

Dass sich beide 1969 in Italien kennenlernten, war ein Glücksfall, denn der Austausch der damals noch wenig bekannten Bildhauerinnen muss enorm gewesen sein. Die Ausstellung funktioniert bestens als Ansammlung von Requisiten eines abgründigen Theaterstücks, an dem über Jahrzehnte viele Stimmen im gleichen Geist gewerkelt haben, inklusive von reichlich bebilderten medizinischen Büchern aus dem 19. Jahrhundert, die sich in Bourgeois´ Besitz befanden.

Partys für die Grande Dame

Wer ihre Werke bisher als Produkte einer großen Einsamen gesehen hat, kann sie in dieser Retrospektive als Vorbild für feministische Künstlerinnen der 60er- und 70er-Jahre erleben, die, wie Nan Goldin, Lynda Benglis, Eva Hesse, Yayoi Kusama, Marisa Merz, Senga Nengudi, Rosemarie Trockel oder Louise Nevelson ähnliche Aspekte des weiblichen Körpers in ihren jeweiligen Ansatz einflochten. Oder gleich Kontakt zur schrulligen Meisterin suchten.

Ana Mendieta oder Mary Beth Edelson etwa richteten Partys für die Wahl-New Yorkerin aus, die mitunter auch Essays über das Werk anderer in Kunstzeitschriften veröffentlichte. Am Ende ihres langen Lebens kollaborierte Bourgeois schließlich auch mit einer Tracey Emin oder dem Architekten Peter Zumthor.

Die Lautstärke der Schreckensthemen, die im Prolog Edvard Munch, Pablo Picasso, Marcel Duchamp, Francis Bacon oder Alberto Giacometti ins Gespräch mit der Bourgeois einbringen, ist gewaltig. Und doch wird deutlich, dass das Unbehagen in ihren Bildern, Skulpturen und Großinstallationen eine ganz eigenständige Kraft hat. Diese Botschaften funktionieren ohne Anleitung, Selbststilisierung, Moral. Vielleicht, weil immer eine Dosis Humor mitschwingt? Verlässt man diesen referenzsatten Schutzraum für Kunstneurosen, schwebt eine Zeit lang noch das Lächeln einer großen Horror-Expertin mit – ohne Versprechen auf Heilung, aber dafür auf ein vielstimmiges, mal freundliches, mal rivalisierendes Geplauder, das lange nachhallt.