Für die weltberühmten Skulpturen des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti werden umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro bezahlt. Für Werke desselben Stils und Materials seiner französischen Zeitgenossin Germaine Richier hingegen gibt es maximal 1,5 Millionen Euro. Gegen die Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Künstlern auf dem Kunstmarkt will das ehrwürdige Londoner Auktionshaus Bonhams jetzt vorgehen. Das 1793 gegründete Haus entschied, bei einer Auktion am Donnerstag (11.2.) erstmals fünf Werke von Frauen gesondert aufzulisten. So sollen eine Diskussion angestoßen und Veränderungen bewirkt werden.
Im Auktionskatalog trägt die Sektion den neutralen Titel "Fünf Künstler, Fünf Medien", wie Ralph Taylor, Bonhams Direktor für Nachkriegs- und Zeitgenössische Kunst, berichtet. Bei dem "mutigen Schritt" gehe es nicht um "Feminismus oder bloße Gesten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auf das Potenzial der Künstlerinnen und auf die unterschiedlichen Medien, in denen sie arbeiteten, solle ebenso hingewiesen werden wie auf ihr Geschlecht.
Angeführt wird die Auswahl von Richiers Bronze "Le Cheval à six tetes", gefolgt von den Italienerinnen Dadamaino und Carla Accardi, der japanischen Polka-Dots-Künstlerin Yayoi Kusama und der US-Amerikanerin Louise Nevelson.
Eigene Recherchen und Expertenanalysen haben nach Angaben von Bonhams ergeben, dass im Jahr 2012 nur 6,5 Prozent der zur Auktion angebotenen Werke von Frauen stammten, und dass kein einziges von ihnen unter den 100 Toperlösen auftauchte. Von Losen, die über eine Million Dollar erzielten, waren nur drei Prozent von Frauen. Noch 2014 seien nur 19 unter den 500 teuersten Künstlern Frauen gewesen.
"Die Unterbewertung besteht nur beim Preis", sagt Taylor. Bei gründlicher Analyse der Trends auf dem Kunstmarkt werde allerdings auch erkennbar, dass die Preisbewertung weiblicher Künstler in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sei. Künstlerinnen wie Agnes Martin, Joan Mitchell oder Sonia Delauney seien in Museen und Kunstgalerien prominent vertreten. Im Studiengang Kunst seien Frauen schon längst im Kommen.
Bonhams gibt zu, dass hinter der Initiative kommerzielle Gründe stecken. Es gehe darum, eine breite Diskussion anzuregen, mit der Sammler zum Umdenken bei ihren Angebotspraktiken bewegt werden könnten. Bonhams habe die Pflicht, seine Kunden darüber zu informieren, wo in möglicherweise unterbewerteten Kategorien Wachstum zu finden sei.
Die Reaktion der Sammler, Anbieter und auch der Künstlerinnen bleibt abzuwarten. Unter den Sammlern, so spekuliert Taylor, dürften viele abwinken. Einige prominente Künstlerinnen hätten Zustimmung signalisiert, während andere den Schritt für nicht drastisch genug hielten. Viele dürften auch eine gesonderte Gender-Kategorisierung strikt ablehnen. Auf Kritik, wonach Bonhams' Schritt nicht mehr als eine symbolische Geste sei, sagt Taylor: "Das ist immerhin besser als gar nichts." Und er freut sich sichtlich darüber, mit der Initiative den großen Konkurrenzhäusern zuvorgekommen zu sein.
Während es bei Christie's keinen Kommentar gab, sagte Sotheby's-Expertin Bastienne Leuthe der Deutschen-Presse-Agentur: "Tatsächlich sind zu wenige weibliche Künstler in den Auktionen vertreten. Dennoch Künstlerinnen eine eigene Auktion zu widmen, ist schwierig, unter anderem weil die Werke unterschiedlich sind und die Genderfrage kein Kriterium sein sollte, um über Qualität und Aufbau einer Auktion zu entscheiden."
Es sei positiv, dass mit Joan Mitchell (im Museum Ludwig in Köln) und Agnes Martin (in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf) derzeit zwei große Frauen der Kunst mit wichtigen Retrospektiven in deutschen Museen vertreten seien. "Das ist das wichtigere Signal im Markt!"
Von wahrer Gleichberechtigung ist die Kunstwelt jedoch noch weit entfernt, findet auch Monopol-redakteurin Silke Hohmann. Ihren Essay "Bube, Dame, König — was?" von 2013 lesen sie hier.