Das Grauen lauert unsichtbar hinter glatten Oberflächen aus Glas und Stahl und versprüht seine toxische Betörung aus blutroten Blüten. In klinisch minimalistischen Bildern erzählt Jessica Hausner in ihrem Kunst-Psycho-Horrorfilm "Little Joe" eine gar nicht so futuristische Science-Fiction-Mär von einer genmanipulierten Blumenart, deren Pollen durch Einatmen zunächst unbemerkt infizieren und den Krankheitsträger glücklich machen.
Alice Woodard (Emily Beecham, bei den Filmfestspielen Cannes dafür als beste Schauspielerin ausgezeichnet) arbeitet als Wissenschaftlerin an der Züchtung dieser Mutation, benannt nach Joe, dem kleinen Sohn der alleinerziehenden Mutter. Und sie schließt lange die Augen vor den Gefahren, die von ihrem floralen Baby ausgehen.
Ein Hybrid ist auch das neue Werk der österreichischen Filmemacherin, beeinflusst vom Bodyhorrorklassiker "Invasions of the Body Snatchers" (Don Siegel, 1956) ebenso wie von unheimlichen Märchen und zeitgenössischer visual art. Künstlerische Auseinandersetzung ist Teil von Hausners DNA, ihr Vater ist der Maler Rudolf Hausner, der in Wien den Phantastischen Realismus maßgeblich prägte. Ihre Schwester Tanja stattete nicht nur von Anfang an Hausners Filme wie "Amour Fou" aus, sondern jüngst auch das Kolonialdrama "Angelo" von Markus Schleinzer.
"Little Joe" ist eine albtraumhafte Reflexion über zwanghafte Glücksversprechen und Selbstoptimierung durch Psychopharmaka und moderne Gentechnik. Bildkunst, die visuell auch als Loop in der Galerie betören würde, ihre ganze Wirkung aber erst im Kinosaal richtig entfaltet. Hausners Film, der erste englischsprachige der Regisseurin, hinterlässt im Kopf des Zuschauers seine Spuren wie das monströse Gewächs, von dem er handelt. Mit dem Unterschied, dass er zur kritischen Auseinandersetzung einlädt, statt einzulullen.