Sie ist Brasiliens berühmteste Architektin, auch wenn sie erst mit 32 zum ersten Mal dort war. Lina Bo Bardi, geboren 1914 in Italien, gestorben 1992 in São Paulo, prägte ihre Zeit mit Bauten, die heute noch radikal anders sind und die dennoch (oder deswegen) hervorragend funktionieren. Das Kulturzentrum SESC Pompéia in São Paulo etwa oder das Kunstmuseum MASP in derselben Stadt. In dem schwebenden Betonkasten hängen die alten Meister aus Europa wie schwerelos an durchsichtigen Scheiben aus Plexiglas.
Der britische Künstler und Filmemacher Isaac Julien ("Derek"), schon seit vielen Jahren fasziniert von Lina Bo Bardi, hat ihr nun ein ähnlich schwereloses Denkmal gesetzt. "A Marvellous Entanglement" ist eine raumgreifende Installation aus neun frei hängenden Videoleinwänden, installiert im Kunstmuseum MAXXI in Rom. Besucher spazieren in dem Zaha-Hadid-Museumsbau eine Rampe hinauf, setzen sich in einem abgedunkelten Raum auf Hocker. Dann werden sie weggebeamt, nach Brasilien.
Es gibt keinen Dokumentarfilm-Vibe, keine Einordnung. "A Marvellous Entanglement" ist eher Meditation als Studie, und darin liegt seine Kraft. Die Architektin wird von zwei Schauspielerinnen verkörpert, die im echten Leben Mutter und Tochter sind. Aus ihnen spricht im Wechsel die echte Lina. Dass deren Architektur eine physische Erfahrung ist, fangen Juliens Fotos und seine geschickt montierten Filmsequenzen ein.
Der Brite arbeitete in Brasilien mit Schauspielern und Performern, filmte etwa eine Candomblé-Prozession in der Ladeira da Misericórdia, jener rampenartigen Straße, die zwei Hälften von Salvador da Bahia verbunden hätte, wäre Bo Bardis sozial engagiertes, hochästhetisches Projekt nicht wieder aufgegeben worden. Sie entwarf in den 1980ern das betonschöne Coaty Restaurant, durch dessen kreisrunde Dachöffnung heute die Zweige eines tropischen Baumes hinabwachsen. Die Utopie ist tot, lang lebe die Utopie.