Schnelle Lieferdienste mit Fahrrädern gehören heute in größeren Städten zum gewohnten Bild, fast als hätte es nie etwas anderes gegeben. Stück für Stück werden aus ehemaligen Sparkassenfilialen plötzlich Warenlager, und auch das Angebot wird immer vielfältiger. Nicht nur, dass der Supermarkteinkauf und die Pizzalieferung per Bike in kurzer Zeit nach Hause kommt, auch gibt es mittlerweile Angebote für türkische, arabische und asiatische Lebensmittel. Schöne neue Welt und sehr praktisch – so die Message. Dass diese Bequemlichkeit Schattenseiten hat, ist kein Geheimnis.
Das gilt für Lieferungen in allen Ausführungen. Ausgebeutet werden immer die, die binnen 15 Minuten Duschgel, eine Flasche Bier und zwei Bananen herüberhetzen müssen, als würde es auf dem Weg zur Arbeit keinen Discounter oder andere Läden geben, wo man das Benötigte in den "New Yorker"-Beutel stopfen könnte. Aber wer hart arbeitet, darf sich so was auch mal gönnen – nach oben buckeln, nach unten treten, auch das ist die digitale Klassengesellschaft.
Seit einigen Jahren arbeiten Amazon und Co. natürlich auch daran, Lieferprozesse noch mehr zu automatisieren beziehungsweise den Faktor Menschen aus der Gleichung völlig herauszunehmen. Drohnen und fahrende Roboter sollen die fahrradfahrenden Gig-Sklav:innen ersetzen. Roboter wollen auch keine Gewerkschaften, protestieren nicht und werden auch nicht krank. Kommen wir dieser Welt nun ein Stück näher?
Lieferung in dünn besiedelten Gegenden
Der Handelsgigant Walmart hat vergangene Woche nämlich vermelden lassen, endlich fliegende Lieferdrohnen einzusetzen: In sechs US-Staaten – Arizona, Arkansas, Florida, Texas, Utah und Virginia – sollen nun vier Millionen Haushalte erreicht werden. Bestellungen werden binnen 30 Minuten geliefert und die Kosten betragen pro Lieferung 3,99 Dollar. Artikel wie Hot-Dog-Brötchen, Windeln und Schmerztabletten werden im Nu von Lieferdrohnen der Firma DroneUp per Seil in den Garten abgestellt. Das klingt doch nach einer leuchtenden Zukunft. Aber es ist kein Zufall, dass der Service eben in dünn besiedelten Staaten wie Texas oder Arizona angeboten wird. Und das Höchstgewicht pro Lieferung ist natürlich auch limitiert. Mehr als 4,5 Kilogramm dürfen die Pakete nicht wiegen, sonst würde die Drohne Flugprobleme bekommen und die Distanzen dürfen natürlich auch nicht zu weit sein. Wie bei E-Autos gilt die Regel: Akkus sind schwer und wer Reichweite will, kriegt es mit komplizierten Ballast zu tun.
Das Thema Lieferdrohnen wird aber erstmal bleiben. Unilever möchte demnächst Eiscreme per Drohne truhenkalt an Haushalte liefern und auch Amazon investiert viel Geld, um dieses Szenario alltagstauglich zu machen. Ob allerdings surrende Drohnen bald in Städten wie Berlin, Hamburg oder New York Hygieneartikel und Kekse bringen, bleibt fraglich. Umso dichter Gegenden besiedelt sind, desto schwieriger wird das alles nämlich. Die Gebäude sind höher, Stromleitungen, aber auch mehr Vögel wie Tauben und Krähen stören den Flugverkehr. Auch hat in der Stadt kaum jemand einen Garten, in dem solch eine Lieferung abgeseilt werden könnte, und da Drohnen mit GPS-Daten arbeiten und nicht mit Adressen, könnte das für einiges an Wirrwarr sorgen. Außerdem sind Drohnen ziemlich laut und nicht zuletzt kann es zu Sicherheitsproblemen kommen. Denn alles was oben ist, kann auch abstürzen und für Unfälle sorgen. Das gilt für Drohnen genauso wie für Dachpfannen und Blumentöpfe, die in der Stadt zu tödlichen Projektilen werden können.
Es bleibt daher interessant, wie sich dieser Sektor weiter entwickeln wird. Aber wie bei Smart Cities oder beim autonomen Fahren sehe ich, dass die Ideen zwar veritabel sind, aber die Umsetzung noch lange nicht durchgedacht. So hieß es vor zehn Jahren von einigen Tech-Aposteln bereits, dass heute nur noch autonome Autos fahren würden. Tesla und Konsorten haben das bis heute nicht hinbekommen. Aus guten Gründen. Die Ausbeutung von Menschen im E-Commerce dürfte also auch mit der offiziellen Einführung von Lieferdrohnen im Jahr 2022 noch lange nicht zu Ende sein. Sehen wir das also eher als Marketing-Move, und vielleicht ist es nur fair, dass nach langer Zeit der digitalen Isolation endlich auch Menschen auf dem Land mal früher von einer modernen Technologie profitieren als die ohnehin übersättigt verwöhnten Stadtmenschen.