Unbeschwerte, nackte Menschen rennen aus dem See auf die Kamera zu, schwingen sich an Seilen, die zwischen Bäumen kreuz und quer gespannt sind. Ein neuer Ausflug von Ryan McGinley in das Elysium der Jugend? Carolee Schneemann, der Pionierin feministischer Performance- und Körperkunst, der immer noch der Ruf der Provokateurin nachhängt, hätte man so viel paradiesisches Zartgefühl jedenfalls nicht zugetraut.
Zumal sie 1964, zwei Jahre vor der Entstehung der Performance "Water Light/Water Needle", bereits ihre Qualitäten als Zeremonienmeisterin dionysischer Exzesse bewiesen hatte. In ihrem Klassiker "Meat Joy" genießt eine Gruppe tanzender Männer und Frauen die Lust am eigenen und das Fleisch der anderen. Hühner und Fische werden nicht etwa verspeist, sondern in das Spiel integriert. Zeitgleich beginnt Schneemann ihre Arbeit an dem Filmessay "Fuses", in dem sie sich selbst beim Sex mit ihrem damaligen Partner zeigt. Kratzer ziehen sich über das mit Säure und Backtemperaturen malträtierte Zelluloid. Der Liebesakt erscheint als purpurner Sinnesrausch, bei dem beide Geschlechter ihren Anteil am Vergnügen einfordern.
Nach Ana Mendieta und Andrea Fraser hat Direktorin Sabine Breitwieser die 1939 geborene und immer noch aktive US-Amerikanerin auf den Salzburger Mönchsberg eingeladen und die erste umfassende Publikation überhaupt herausgegeben, was ihr hoch anzurechnen ist. Dass Schneemanns Körperkunst von ihrer Malerei der Anfangszeit nicht zu trennen sei, so die These der Retrospektive, überzeugt zwar nicht ganz. Zu brav arbeiten sich ihre Innenlandschaften an den Vorgaben des abstrakten Expressionismus ab. Doch die Bedeutung ihrer Aktivitäten jenseits der Leinwand ist unbestritten. Immer noch wird eine Performance wie "Up to and Including Her Limits" (1973–76), bei der Schneemann nackt an einem Seil hängt und in der Pendelbewegung die Wände um sie herum bekritzelt, von Künstlern wie Adel Abdessemed aufgegriffen.
Für sein Video "Enter the Circle" ließ er sich 2009 von einem Hubschrauber abseilen und kreiste mit dem Kopf nach unten über einer Holzunterlage, die er mit Zirkellinien bearbeitete. Schneemann dagegen bedient sich heute lieber der digitalen Medien. Ihre motorisierten Skulpturen werden von Computern gesteuert. Wie schade. Alte weise Körper haben auch ihren Reiz.