Mischa Kuball in Berlin

Die Grenzen des Museums überwinden

Der Düsseldorfer Lichtkünstler Mischa Kuball hilft bei der Neuerfahrung der spektakulären Architektur des Jüdischen Museums in Berlin

"Meine Arbeit soll die Grenzen des Museums überwinden und Teil der Öffentlichkeit werden", sagt Mischa Kuball und zeigt dabei auf eine trapezförmige Zeichnung, die mit weißer Farbe auf den Gehsteig vor dem Museum gepinselt wurde. Schon dort beginnt seine Kunstinstallation "res·o·nant". Der Düsseldorfer Künstler hilft bei der Neuausrichtung des Jüdischen Museums, das wieder vermehrt die architektonische Kraft des Hauses erlebbar machen will. 

Das vom US-Architekten Daniel Libeskind entworfene Gebäude wurde 1999 eröffnet. In dem Zickzackbau mit Titan-Zink-Fassade waren noch keine Exponate ausgestellt - die Besucher kamen, um das Bauwerk zu betrachten. Orte wie der Garten des Exils oder der Holocaust-Turm waren erstmals zugänglich und entfalteten ihre beklemmende Wirkung.

In den vergangenen Jahren verlegte die Museumsleitung ihren Schwerpunkt. Es wurde ein Bildungszentrum mit hellem Licht, Computern und vollgepackten Vitrinen. Die symbolische Wucht des Libeskind-Baus wurde dadurch nach und nach geschmälert. Die neue Programmdirektorin Léontine Meijer-van Mensch – seit Februar 2017 hat sie diesen Posten inne – will das nun ändern: Sie möchte dem Gebäude seine ursprüngliche Dramatik zurückgeben – mit der Hilfe von Kunst.

Angefragt wurde der Lichtkünstler Mischa Kuball im Juni letzten Jahres, und er hat sofort zugesagt. "Wir hatten gerade mal fünf Monate Zeit. Normalerweise hat man von der Konzeption bis zur Eröffnung mindestens ein Jahr", erklärt der 58-Jährige bei einer Führung durch seine Ausstellung.

Programmdirektorin Meijer-van Mensch hatte es eilig. Anfänglich wunderte es den Künstler, warum gerade er drei Räume bespielen sollte. Kuball ist selbst kein Jude und hat sich bisher nur künstlerisch mit dem Judentum auseinandergesetzt. 1994 stellte er in einer Synagoge Scheinwerfer auf und ließ sie nach außen strahlen. "Dieses Synagogenprojekt gefiel der der Programmdirektorin. Die Konfession spielt da keine Rolle, sie haben mich wegen meiner Kunst gebucht", so Mischa Kuball.

Der Lichtkünstler war bereits bei der Eröffnung 1999 dabei. Was ihn damals besonders faszinierte: die Voids. Fünf, auf einer geraden Linie angeordnete, sich durch den Zickzackbau ziehende Hohlräume, die sich vom Keller bis zum obersten Geschoss erstrecken. Repräsentanten einer Leerstelle, wie sie auch die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus hinterließen.

Zusammen mit seinen Kuratoren Gregor H. Lersch und Klaus H. Teuschler schaffte Kuball nun die komplexe Installation "res·o·nant". Durch Licht und Klang will er die Räume spürbar machen und das Augenmerk auf die symbolträchtige Architektur lenken. "Ich möchte den Raum als Resonanz und Klangkörper nutzen", so der Künstler. Die Voids spielen dabei eine zentrale Rolle und sind die Ausgangspunkte des Werks. Sie werden mit einem rotierenden Projektor und Musik in Szene gesetzt.

Getrennt werden die zwei Voids von einem in rotem Licht gehüllten Zwischenraum. Dort peitscht immer wieder grelles Licht aus den Ecken. Kurz bleibt die Silhouette eines anderen Besuchers als Nachbild auf der Netzhaut. Motorische Spiegel geben dem Raum ein futuristisches Flair.

Wer sich unter den Lichtkegel eines Projektors stellt, bekommt kurze Musiktitel zu hören. Diese wurden eigens von Musikern wie John Zorn, Jürgen Paape oder Barbara Morgenstern produziert. Für Mischa Kuball hat die Musik eine politische Komponente: "Noch immer müssen jüdische Einrichtungen in Deutschland polizeilich geschützt werden. Die Musik ist ein Mittel, um diese Grenze zu umgehen. Die Beiträge werden nicht bearbeitet, sondern einfach abgespielt. Sie dringen ohne eine Vorkehrung in das Gebäude ein." Bis Mitte Februar können auch Besucher Titel einreichen, die in die Installation integriert werden. Alles ist erlaubt.  

Der Düsseldorfer Mischa Kuball arbeitet seit 1977 im öffentlichen und institutionellen Raum mit dem Medium Licht und wurde im Januar 2016 mit dem Deutschen Lichtkunstpreis ausgezeichnet. Die Installation kann noch bis Sommer 2019 angesehen werden. Außerdem sind bis dahin viele weitere Performances und Lichtinstallationen im öffentlichen Raum geplant.