Im Berliner Gropius Bau sorgt gerade eine Arbeit des chinesischen Künstlers Zheng Bo für Aufsehen. Auf Bildschirmen vergnügen sich junge nackte Männer mit Farnen. Sie lecken die Blätter, beißen hinein, wickeln sie um ihren Penis. Was das soll? Wir haben mit Zheng Bo gesprochen.
Im Gropius Bau zeigen Sie aktuell eine Arbeit, in der Ihre Darsteller Sex mit Farnen haben. Im Raum stehen Farne verteilt, das Publikum wird zum Zeichnen der Pflanzen animiert. Da stellt sich die Frage, was reizt am Farn?
2016 verbrachte ich mit einem Residency-Programm einige Monate in Taiwan. Während ich umher spazierte, entdeckte ich überall diese wunderschönen Farne. Jedoch wusste niemand etwas darüber. Mit ein wenig Recherche fand ich heraus, dass der Farn in der Kultur der Ureinwohner eine sehr wichtige Rolle gespielt hatte. Die japanischen Kolonialisten, die Taiwan im ersten Teil des 20. Jahrhundert besetzt hielten, und auch die Festlandchinesen, die im Anschluss nach Taiwan übersiedelten, hatten den Farn jedoch völlig übersehen. In Fachkreisen ist Taiwan neben Costa Rica das Mekka für Farne. Das liegt an den geografischen Begebenheiten, am tropisches Klima. Rein ästhetisch finde ich Farne wunderschön.
So wurden sie zum Objekt der Begierde?
Mir ging es am Anfang wirklich ganz einfach darum, dem Farn näher kommen zu wollen. Ich wollte einen Zugang finden, der über das Konzeptuelle hinausgeht, der es mir ermöglichte, eine intime Beziehung zur Natur körperlich erfahrbar zu machen.
Wie kann man sich das denn genau vorstellen? Sie gehen mit einer Gruppe Performancekünstler in den Wald in Taiwan, jeder sucht sich einen Farn aus und dann geht es rund? Ist die Atmosphäre an so einem Plant-Porn Set eher humorvoll oder ernsthaft?
Der Ort an dem der Film gedreht wurde ist ein kleiner Wald, am Rande Taipeis, ein Farn-Forscher hatte mich hierhin gebracht. Bäume und Büsche wachsen hier sehr dicht, die Farne sind überdimensional groß. Die Natur dominiert, der Mensch tritt in seiner Präsenz zurück. In Angesicht dieser intensiven Erfahrung, dieser Schönheit, fiel es den Performern leicht, sich auszuziehen und eins zu werden, mit der Natur. Es war eine sehr ehrfürchtige Stimmung, glaube ich.
Warum sind es nur Männer, die sich mit den Farnen vergnügen?
Ich schaue ausschließlich Schwulenpornos, das ist also die Ästhetik, die ich kenne. Später erkannte ich aber noch eine andere Ebene. Denn auch der Farn kann, im botanischen Sinne, als homosexuell angesehen werden, seine Sexualität ist sehr komplex.
Erzählen Sie!
Es gibt zwei Generationszyklen. Eine Generation des Farns ist bisexuell, das heißt er produziert sowohl Ei als auch Samen. Die folgende Generation ist monosexuell, es werden Sporen produziert. Die Fortpflanzung hängt von beiden Generationen ab. Das alles gefiel mir. So gibt es im Film schwule Männer, und schwule Farne. Aber in Zukunft werde ich das Feld sicherlich ausweiten. Ein anderes Geschlecht, eine andere Pflanze.
Allgemein geht Ihnen um eine Sensibilisierung des Menschen gegenüber der Natur. Inwiefern ebnet die Sexualisierung von Flora und Fauna diesen Weg?
Als Mensch sind wir nicht Kopf und Geist, sondern auch Körper. In meinen Augen wird unser Verhältnis zur Natur aber vor allem über die Sprache diskutiert. Was mir fehlt, ist ein Diskurs, der die körperliche Erfahrung mit einbezieht. Ich hoffe, dass Künstler, Tänzer und Performer hier helfen können.
Sex unter Menschen findet ja, idealerweise, unter gegenseitigem Einverständnis statt. Geht der Mensch in die Natur und fällt über einen Farn her, mutet es fast so an, als werde der Farn Opfer einer höheren Gewalt. Auf der anderen Seite haben wir kein Problem damit, Bäume zu fällen, Pflanzen zu pflücken, Wälder abzuholzen. Ein Paradox?
Ich hatte hierzu erst kürzlich eine Unterhaltung mit den Performance-Künstlerinnen Annie Sprinkle und Beth Stephens.
Bei denen geht es auch um Naturfetischismus, nicht wahr? Sexecology?
Genau, man konnte ihre Arbeit zum Beispiel auf der Documenta 14 sehen. Sie erzählten mir, dass immer dann, wenn man ökosexuelle Kunst machen würde, ethische Fragen auf den Plan geworfen würden. Mit dem Thema Pflanzensex haben die Leute ein Problem, nicht aber damit Pflanzen zu essen, obwohl die Pflanze hierzu ja auch kein Einverständnis gibt. Für Menschen ist es ok, Sex mit anderen Menschen zu haben. Essen würden wir einander nicht. In unserem Verhältnis zu Pflanzen ist es genau andersherum, essen ja, Sex nein. Das fand ich interessant.
Im Gropius Bau blieb das Publikum bei der Eröffnung zum Teil lange im Raum. Die Reaktionen reichten von amüsiert über irritiert hin zu pikiert. Haben Sie das Gefühl, dass bestimmte Kulturkreise unterschiedlich auf diese Arbeit reagieren?
In Taiwan versteht das Publikum den tieferen politischen Hintergrund der Arbeit, das fällt in anderen Ländern weg, womit der Fokus sich wahrscheinlich auf die sexuelle Beziehung verlagert. Ich hoffe, dass sich aber auch über diese Auseinandersetzung wiederum ein Zugang zu den tieferliegenden Kontexten ebnet.
Ist dies auch der Grund, warum Sie das Publikum dazu ermutigen, den Farn zu zeichnen?
Ja. Allerdings überlege ich jetzt, ob ich da nicht aggressiver vorgehen sollte. Man könnte die Leute zum Beispiel dazu animieren, sich nackt auszuziehen und selbst etwas sexuelles mit den Pflanzen zu machen. Aber der Raum wäre wohl zu klein, und das Publikum schnell überfordert. Dennoch ist das ist etwas, dass ich gerne für die Zukunft ins Auge fassen würde.
Das hat etwas von Yoko Onos "Cut Piece", oder Marina Abramovics "Rhythm 0" - beides Performances, in denen sich der Protagonist der Willkür der Besucher auslieferte. Es ist interessant, wie die Pflanze in diesem Zusammenhang zu einem Opfer wird.
Ich glaube, um zu dieser Intensität vorzudringen, muss der Raum anders, irgendwie stärker, gestaltet sein, so dass sich ein ähnliches Gefühl wie im Wald einstellt.
Sie kommen ursprünglich aus China, einem Land, in dem sich der industrielle Wandel und die Veränderung der Natur besonders radikal verzeichnen lassen. Hat das Ihr Bedürfnis, das Verhältnis von Mensch und Natur zu thematisieren, verstärkt geprägt?
Heutzutage gibt es in Peking keine Gräser mehr und auch sonst wenig Grünes. Als ich klein war, säumten viele Gräser den Weg zu meiner Schule, Wälder gab es allerdings auch damals schon nicht mehr im Osten Chinas. Die wurden schon vor 300, 400 Jahren vernichtet. Gravierende Veränderungen gibt es heutzutage vor allem im Westen, da ist die Industrialisierung besonders stark. Das prägt, ja.
Und ist das ein Thema, von Regierungsseite?
Der Naturschutz spielt in China tatsächlich eine sehr große Rolle. Verglichen mit der Demokratie unterstützt die Partei das "ökologische Erwachen", wie wir es nennen, in großem Stil. Im Großen und Ganzen gibt es viele Möglichkeiten, sich für den Schutz der Umwelt einzusetzen. Natürlich gibt es immer wieder lokale Interessen, bei denen der industrielle Aufschwung und das aktuelle Geld wichtiger sind. Da werden Projekte zum Umweltschutz nicht gerne gesehen. Aber parteilich wird Naturschutz großgeschrieben, steht sogar ganz oben auf der Agenda. Ich sage immer, der chinesische Präsident redet wesentlich besser über Naturschutz, als Donald Trump. Aber klar, das Gros der Bevölkerung stellt den industriellen Fortschritt nach wie an erste Stelle. Hier muss viel mehr Bewusstsein geschafft werden.