Um mit dem Stück "Mary, Queen of Scots" am Samstag (16.12.) Premiere feiern zu können, musste das Team der Oper Leipzig so manche Hürde nehmen. "Die Idee war, eine Produktion zu entwickeln, die möglichst wenig Kohlenstoffdioxid ausstößt", sagte Ausstattungsleiter Dirk Becker im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Dafür sollte möglichst wenig neu gebaut und somit möglichst viel bestehendes Material verwendet werden.
Zur Erarbeitung eines ersten Entwurfs nahmen Becker und Regisseurin Ilaria Lanzino das Stück im Sommer 2022 zunächst dramaturgisch auseinander, erinnert sich Becker. "Das war befruchtend, aber auch anstrengend und frustrierend, weil wir irgendwann an dem Punkt waren, an dem uns so vieles - wegen der selbstgestellten Auflagen - unmöglich vorkam."
Weil die beiden nicht weiter wussten, stellten sie sich die Frage: Worum geht eigentlich im Kern? "Daraus entstand die Idee, Tische als Ausgangspunkt für das Stück zu nehmen, weil Macht in der Politik und auch in Familien oft an Tischen verhandelt wird." 50 davon fanden sie im Fundus der Oper, weitere 26 holten sie aus Haushalten in und um Leipzig mit einem elektrischen Transporter.
"Wir wollen in dem Thema mit großen Schritten vorankommen"
An den gefundenen Tischen zeige sich eine Schwierigkeit, die sich nicht stellt, wenn Dinge extra für ein Stück angefertigt werden, so Becker. "Die Tische haben alle unterschiedliche Maße, mussten an der ein oder anderen Stelle repariert, verstärkt, gesichert werden. Allein die Erstellung der Bühnenbildinstallation hat zwei Wochen gebraucht."
Ein anderer Weg, um CO2 einzusparen, war, alle Proben auf einer Bühne neun Kilometer von der Oper entfernt zu spielen. "Damit das Bühnenbild mit der Tischskulptur nicht zusätzlich hin und her transportiert werden muss", erklärt Becker. Die dadurch viel längere Anfahrt habe beim Ensemble jedoch nicht nur für Begeisterung gesorgt.
Für sein Haus sei der Leipziger Versuch einer klimaneutralen Produktion ein gutes Vorbild, sagte Oliver Bernau von der Dresdner Semperoper. "Denn wir wollen in dem Thema auch mit großen Schritten vorankommen." In der laufenden Spielzeit sei ein solches Projekt in Dresden jedoch nicht geplant. Was ab dem kommenden Jahr sein wird, werde sich herausstellen, wenn die neue Intendantin Nora Schmid im Amt ist.
Projekt mit Modellcharakter
Nicht nur für Dresden, sondern auch für die gesamte Opernlandschaft in Deutschland habe die Leipziger Premiere Modellcharakter, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth. "Länder wie Großbritannien und Frankreich sind hier teilweise schon weiter als wir." Damit Deutschland vorankomme, müssten Erfahrungen ausgetauscht, Beratungen angeboten und der Kulturbereich ausreichend unterstützt werden, so die Grünen-Politikerin.
Die Erfahrungen, die das Leipziger Team nun gemacht hat, will es in Zukunft nicht nur teilen, sondern auch mit Daten unterlegen. "Während des gesamten Prozesses erheben wir Daten, die uns nach der letzten Aufführung ermöglichen, den CO2-Fußabdruck des Stücks zu berechnen." Damit die Produktion am Ende wirklich klimaneutral ist, soll Geld an ausgewählte Projekte gezahlt werden. "Ohne Kompensation ist das momentan leider noch nicht möglich."
Anschließend sei auch ein zweiter Versuch einer klimaneutralen Produktion in Planung - um noch ein Stückchen besser zu werden. "Wir haben jetzt schon festgehalten, dass wir die interne Kommunikation verbessern und auch über Abteilungen hinweg noch enger zusammenarbeiten müssen. Denn bei einem nachhaltigen Projekt spielt eine gute zeitliche Planung mit ausreichend Vorlauf eine zentrale Rolle", resümierte Becker.