Auf der Documenta 13 im Sommer 2012 wurde das Fridericianum zum "Brain", also zum Gehirn der Ausstellung, in dem die Grundgedanken der Präsentation formuliert und an exemplarischen Werken sichtbar gemacht wurden. Ein zentrales Bild im Kunsthirn war dabei die Fotografin Lee Miller (1907-1977), wie sie sich 1945 nackt in Hitlers Badewanne wäscht. Das Foto ist eine zeitlose Ikone, in der Befreiung, Schuld und die visuelle Macht harmloser Dinge in einem historischen Moment zusammenfallen.
Eine Ausstellung im Bucerius Kunstforum in Hamburg widmet sich nun dem Werk von Lee Miller, die zuerst als Model berühmt wurde und oft als Muse der Surrealisten bezeichnet wird. Dabei war die im Bundesstaat New York geborene Abenteurerin immer auch selbst künstlerisch tätig und hatte 1933 ihre erste Einzelausstellung mit ihrer Porträtfotografie. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie eine der wenigen Kriegsreporterinnen in Europa, die auch die Schrecken der Kämpfe sorgfältig künstlerisch inszenierte - so wie das Bad in Hitlers Wanne am Tag von dessen Selbstmord.
In dem Text "Hitleriana", den Miller an die "Vogue" schickte, schrieb sie anschließend: "Kein Deutscher, es sei denn, sie sind Widerstandskämpfer im Untergrund oder Insassen von Konzentrationslagern, findet, dass Hitler irgendetwas falsch gemacht habe, außer den Krieg zu verlieren. Sie sagen nur: Er hätte Frieden schließen sollen, als der Russlandkrieg verloren ging. Ich glaube nicht, dass sie je aus dieser Erfahrung lernen werden, und ich weiß, dass ich sie nie verstehen werde."
Kriegs- und Food-Fotos existieren nebeneinander
Das Bucerius Kunstforum zeigt Millers Werk nach Kapiteln geordnet, darunter "Fotomodell", "Mode und Porträts", "Surrealismus", "Frauen im Krieg", "Millers Krieg", "Befreites Paris", "Konzentrationslager", "Food, Friends & Farley Farm" und "Kochkunst". Auf den ersten Blick eine etwas irritierende Zusammenstellung, doch genau diese Gleichzeitigkeit von Glamour, Kunst und Grausamkeit prägt das Leben und das Werk von Lee Miller. Sie schaute niemals weg, und sie spielte eine wichtige Rolle dabei, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu bezeugen und das zerstörte Deutschland sowie das befreite Paris zu dokumentieren.
Dass sie sich nach Kriegsende nach England zurückzog und statt Reportage- vor allem Food-Fotografie betrieb, hatte sicher auch mit all den schrecklichen Bildern zu tun, die Lee Miller mit sich herumtragen musste. Sie begann zu trinken, heute würde man ihr sicher eine posttraumatische Belastungsstörung attestieren. 1977 starb sie an den Folgen einer Krebserkrankung. Ihre Asche ist in ihrem Kräutergarten in Sussex verstreut.