Der Westfälische Kunstverein ist mitten in Münster, die gläserne Fensterfront macht das gewöhnliche City-Treiben vor der Tür zur Bühne. Doch zurzeit funkt eine ungewöhnliche Reihe von samtenen Wimpel-Wappen in die Öffentlichkeit hinaus, um die Ausstellung der Schweizerin Leda Bourgogne zu annoncieren. Es sind Schlangen, weinende Löwen, enigmatische Notate sind zu lesen: "… like a wicked shadow play / onto the white rock-face / of this dark time". Schattenspiele, Schattenboxen?
Dazu passen die mit Muscheln besetzten Boxhandschuhe an Armstümpfen, ebenso fragil wie ready-to-punch, ein angriffslustig-zerbrechliches Paradoxon. Es ist dieses formalästhetische Für und Wider, jener von Bourgogne befeuerte Gegensatz der Materialsprachen, aus dem die gelungene Schau ihre Energien bezieht. Edlen, weichen Samt als Malgrund traktiert die Berlinerin mit Pinselhieben in ätzender Bleiche für ein flammenzüngelndes Glow-up.
Figur und Grund ringen miteinander um die bilddefinierende Oberhand, und so ist auch der Titel der Ausstellung: "Mêlée", das Gerangel. In kreisenden Bewegungen, die erneut an den Tanz im Ring denken lassen, zirkelt sich der Ausstellungsparcours von kühlen Impulsen in Silber-Türkis-Grau über delikate Zeichnungen in einen warmen, malerischen Schlussakkord voller Gefühl und Zartheit.
Leda Bourgogne stellt die herausfordernde Kastenarchitektur des Kunstvereins mit inszenatorischer Verve ganz in den Dienst maximaler Wirkmacht ihrer Arbeiten. Die reizvollen Materialakzente, etwa wiederholt auftretende Reißverschlüsse, schlagen assoziative Links-rechts-Haken von Lucio Fontana bis zur Ästhetik des Punk. Schützenhilfe bekommt der feministische Subtext der Schau von einem ausliegenden Essay Elsa Dorlins. Nötig hat er das nicht – die Haken sitzen auch so.