Kochkolumne von Mohamed Amjahid

Lebensmittel retten ist kulinarisch voll korrekt

Es bedarf keiner großen Heldentaten für einen kleinen und doch wichtigen gesellschaftlichen Beitrag: keine Lebensmittel verschwenden. Unser Kolumnist Mohamed Amjahid begibt sich auf eine Rettungsmission

Aus dem Stand und ohne eine Sekunde darüber nachzudenken warf der Mitarbeiter im Schnellrestaurant die ganze Bestellung in einen Mülleimer, tippte hastig etwas in seine Kasse und entschuldigte sich bei der Kundin. Sie hatte sich darüber beschwert, dass etwas an ihrer Bestellung nicht stimmte. Ich staunte nicht schlecht, wie eingeübt wir als Konsumopfer die Verschwendung von Lebensmitteln praktizieren. Man hätte ja einen kleinen Kompromiss schließen können, einen Rabatt gewähren, einen Gutschein ausgeben, die fertige Bestellung ergänzen oder spenden können. Nein, der Mülleimer war die Lösung, und ich frage mich immer öfters, wohin diese Verschwendung führen wird.

Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jedes Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entsorgt. In Restaurants fallen 17 Prozent dieser Verschwendung an. Bei der Lebensmittelproduktion 15 Prozent, im Handel sieben Prozent. Knapp 60 Prozent der Lebensmittelabfälle produzieren wir in unseren privaten Haushalten. Pro Kopf und Jahr wirft jede*r von uns durchschnittlich circa 75 Kilo Lebensmittel in den Mülleimer – im Gegenwert von mindestens 250 Euro.

Beim Einkaufen stehe ich mittlerweile öfters in der Kühlabteilung vor den Regalen. Immer mehr Supermärkte bieten Lebensmittel günstiger an, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen. MHD ist ja nicht die Abkürzung für "werde zu diesem Datum daran sterben, wenn ich es zu mir nehmen" und viele Produkte sind weit nach Überschreitung des MHDs noch voll genießbar. Aber wir sind als Konsument*innen so erzogen worden, dass wir immer das Frischeste vom Frischesten haben wollen. Selbst kurz vor Ladenschluss. Es ist schon absurd, und ich habe mich neulich dabei ertappt, wie ich mich bei der Milch hinten im Regal bedient habe, weil ich weiß, dass der MHD dort zwei Tage mehr Haltbarkeit verspricht.

Wir haben eine Rettungsmission

Einige Supermärkte bündeln die heruntergesetzten Produkte in einer Ecke der Kühlabteilung. Da liegen dann Joghurtbecher, frische Teige oder Partygarnelen in einem Korb. Davor finden sich oft arme Menschen, die darauf angewiesen sind, ein paar Schnäppchen zu machen. Sticker mit "- 30 %" oder sogar "- 50 %" tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei, weil teure Produkte wie Lachs oder Weichkäse plötzlich erschwinglicher werden.

Viele Kund*innen laufen allerdings beschämt an den günstigen Produkten vorbei. Einige von ihnen ist anzusehen, dass sie stehenbleiben wollen – aber sie trauen sich nicht. Das muss nicht sein. Lebensmittel retten ist politisch und kulinarisch voll korrekt.

Dann habe ich mich natürlich gefragt, ob ich jemandem etwas wegnehme, wenn ich mich dort bediene. Auch beklagen zum Beispiel die Tafeln, dass es mit den hohen Lebensmittelpreisen immer weniger Lebensmittelspenden gibt. Ich bin zum Schluss gekommen, dass es wichtig ist, die Lebensmittel zu verwerten. In vielen Supermärkten ist das Angebote an voll genießbaren aber das MHD demnächst überschreitenden Lebensmitteln so groß, dass sich alle an der Rettungsmission beteiligen können.

Das größte Potenzial verbirgt sich in der Speisekammer

In der eigenen Speisekammer und im Kühlschrank findet sich aber wie die Zahlen schon sagen, das größte Potenzial Lebensmittel zu retten. Vorm Einkaufen ruhig mal da rein schauen, ob man daraus noch etwas zaubern kann oder ob man überhaupt einkaufen gehen muss, wenn man ein gutes Abendessen schon zu Hause liegen hat.

Ich habe für diesen Text in meinen Vorratsschrank hinten gekramt und zum Vorschein kam eine Tüte mit naturbelassenen Nüssen, die kurz vor dem MHD stand. Richtig gelagert werden Nüsse nicht so schnell schlecht, sie wegzuwerfen wäre eine moralische Straftat gewesen. Außerdem geht probieren vor Mülleimer und sie schmeckten so wie halt Nüsse manchmal schmecken, wenn sie naturbelassen sind: langweilig. Also habe ich sie aufgepimpt, weil das hier immerhin Mohameds Küche ist.

Jede Nussmischung eignet sich für dieses super-einfache Rezept. In meiner 250-g-Tüte waren vor allem Mandeln, Wal- und Paranüsse drin. In einer großen Schale habe ich 50 ml Sonnenblumenöl mit grobem Salz, einer Prise Pfeffer, einer Prise Knoblauchpulver, einer noch kleineren Prise Zimt und einem halben TL Honig gemischt und die Nüsse darin gut mariniert. Auf einem Backblech habe ich die Nüsse rund 15 Minuten bei 160°C geröstet, dabei immer wieder gewendet und darauf geachtet, dass sie nicht verbrennen. Immerhin war ich auf Rettungsmission, da muss man aufmerksam durch die Welt gehen.