Zum Geburtstag von Marcel Duchamp

Kunstrevolutionär aus Faulheit

Marcel Duchamp hat Alltagsgegenstände zu Kunst erklärt und die Welt der bildenden Kunst auf den Kopf gestellt. 1887 wurde der Urvater der Konzeptkunst geboren

So werden Revolutionen gemacht: Marcel Duchamp hat sich ein Urinale gekauft, es um 90 Grad gekippt, ihm den Namen «Fontaine» gegeben und es zur Kunst erklärt. Heute gehört das 1917 entstandene Pissoir zu den einflussreichsten Werken. Seine radikale Vorstellung von Kunst machte Duchamp, der am 28. Juli 1887 geboren wurde, zum Mitbegründer der Konzeptkunst und Wegbereiter des Dadaismus und Surrealismus.

Das Porzellan-Pissbecken stellte für Duchamp den endgültigen Bruch mit der traditionellen Kunstwelt dar. Obwohl der Künstler Mitglied des «Salons der Unabhängigen» war, wurde sein schneeweißes Urinal auf der 1917 organisierten Ausstellung abgelehnt. Aus Protest trat Duchamp aus der Jury aus. «Fontaine» wurde zu einem Medienereignis und Duchamp zum Kunstrevolutionär.

Ein Rad auf einem Küchenhocker, ein Flaschentrockner aus Eisen oder ein signiertes Urinal: Mit seinen Werken stellte der Künstler den konventionellen Geschmack infrage. Er forderte den Betrachter dazu auf, den bisherigen Begriff von Kunst und seine mögliche Sinnlosigkeit zu überdenken. «Ein Kunstwerk existiert dann, wenn der Betrachter es angeschaut hat. Bis dahin ist es nur etwas, das gemacht worden ist und wieder verschwinden kann, ohne dass jemand davon weiß», erklärte Duchamp dazu.

Sein Vorsatz, Werke aus dem Alltag zur Kunst zu machen, ging als Readymade in die Geschichte ein und funktioniert auch heute noch. Die Pop-Art ist nur eine der Kunstbewegungen, die den Massenkonsum in den Stand der Kunst erhob. Während die einen den Verlust von Sinn und Form kritisierten, sahen andere darin neue Perspektiven: «Alles ist Kunst» und «Jeder ist ein Künstler», verkündete Joseph Beuys überschwänglich.

Für Duchamp war herkömmliche Malerei «olfaktorische Masturbation». Für ihn, der Kunstwerke schuf, die erst durch ihre Auswahl als solche zu existieren begannen, war die Malerei veraltet: «Sie ist Energieverschwendung, keine gute Masche, nicht praktisch. Wir haben jetzt die Fotografie, das Kino - soviel andere Wege, um das Leben auszudrücken.»

Der Künstler bezeichnete sich selbst als bequem. Er verbrachte seine Zeit lieber mit Schachspielen oder anderen Dingen. Auch das funktionierte. Seine Berühmtheit wuchs, je weniger er produzierte. «Ich hätte schon gerne etwas getan, aber ich war im Grund unsagbar faul. Ich lebe liebe, atme lieber, als dass ich etwas arbeite. Und da ich nicht glaube, dass die von mir geleistete Arbeit in Zukunft für die Gesellschaft irgendwie von Bedeutung sein wird, habe ich beschlossen, mein Leben zur Kunst zu machen - die Kunst zu leben zu praktizieren.» Duchamp starb am 2. Oktober 1968 in dem noblen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine nach einem fröhlichen Abend mit seiner Frau und einigen Freunden.